Den Breitling-Umsatz verdoppeln
Gisbert L. Brunner: Breitling hat seit etwa einem Jahr einen neuen Hauptaktionär. Hat sich die betriebliche Situation dadurch verändert?
Breitling-CEO Georges Kern: Partners Group hat vor rund einem Jahr einen Minderheitsanteil gekauft, wir sind uns über die strategische Ausrichtung einig, das Management-Team bleibt unverändert bestehen und auch CVC ist weiterhin an Bord. Freddy Gantner und ich kennen uns seit Jahren. Wir sind froh darüber, dass wir unabhängig bleiben und es ist von Vorteil, dass mit Partners Group ein Schweizer Private Equity Unternehmen die Mehrheit hält.
Besitzt die Partners Group eine andere Einstellung zu Breitling und zur Firmenphilosophie?
Partners Group hat viel Geld in die Mehrheitsbeteiligung bei Breitling investiert. Das hätten sie nicht getan, wenn sie dem Management und dem eingeschlagenen Weg nicht vertrauen. Wir haben in den letzten Jahren ein enormes Wachstum erzielt und sind eine hochprofitable, erfolgreiche Firma. Die strategische Ausrichtung ist definiert und Partners Group und CVC werden weiterhin mit dem bestehenden Managementteam von Breitling zusammenarbeiten, um das Geschäft weiter auszubauen.
Das klingt mehr als logisch
Ziel ist es, das enorme Potential von Breitling zu nutzen und den Umsatz nochmals zu verdoppeln.
Den Umsatz verdoppeln?
Warum nicht? Wir haben ein einzigartiges Markenversprechen mit einer langen Geschichte in der Schweizer Uhrenherstellung. Dabei repräsentiert Breitling einen relaxten, inklusiven und nachhaltigen Luxus, der den modernen Konsumenten anspricht. Wir wollen unsere Präsenz in wichtigen Wachstumsmärkten ausbauen und erweitern unsere Kollektion, insbesondere das Angebot für Frauen, um neue Kundensegmente anzusprechen. Des Weiteren sind wir in einem sehr interessanten Preissegment tätig. Die Unterstützung, die uns Partners Group und CVC bieten, wird auf diesem Weg äußerst wertvoll sein.
Falls Breitling, wie angekündigt, den Umsatz verdoppelt, wird die Marke Audemars Piguet und Patek Philippe irgendwann einholen.
Diese Marken bewegen sich in anderen Preissegmenten. Unser Durchschnittspreis liegt bei etwa bei 6.000 Euro. Dadurch können wir natürlich größere Mengen verkaufen, als wenn man sich in einem Preissegment von 35.000 Euro oder höher bewegt.

Um den Umsatz zu verdoppeln, braucht es Produktionskapazitäten und Personal. Ist beiden vorhanden? Erleichtert Platz vier nach Rolex im Schweizer Ranking der beliebtesten Arbeitgeber die Suche nach qualifizierten Fachkräften?
Auch in der Schweiz gibt es gibt es den sogenannten Fachkräftemangel. Insbesondere in der Produktion. In der Fertigung braucht es heutzutage hochspezialisiertes Personal. Uhrmacher bildet man vorzugsweise im Unternehmen selbst aus. Nicht ohne Grund bieten wir seit diesem Jahr Uhrmacherlehrstellen an. Breitling hat eine unfassbare Anziehungskraft als Arbeitgeber, weil die Firma so erfolgreich ist. Das erleichtert in der Tat Personal zu finden. Wir bezahlen aber auch Löhne und Gehälter über dem Branchendurchschnitt. Ferner müssen wir Kapazitäten aufbauen. Zu diesem Zweck arbeiten wir sehr eng mit unseren Lieferanten zusammen, um mit Direktinvestitionen vor Ort unsere Kapazitäten zu erhöhen.
Für die Schweizer Industrie war 2022 das beste Uhren-Exportjahr. Das gilt dann offenbar auch für Breitling.
Absolut. Wir stehen nicht weit vor der Umsatzmilliarde.

Erfolgreicher Uhren-Generalist
Breitling macht 50 Prozent oder sogar mehr seines Umsatzes mit Chronographen. Was macht den Reiz einer Armbanduhr aus, die hinsichtlich ihrer Zusatzfunktion im Zeitalter von Smartphones niemand mehr wirklich braucht?
Zum einen ist da dieses Bewusstsein, etwas Spezielles zu besitzen. Es ist definitiv ein anderes Gefühl, einen Chronographen am Handgelenk zu tragen als eine Dreizeiger-Uhr. Der Chronograph ist technisch anspruchsvoller. Der zweite Punkt ist die Ästhetik. Ein Chronograph kann entweder ein Bi-Compax oder Tri-Compax sein. Das ermöglicht verschiedene Looks auf dem Zifferblatt. Ich trage gerade den Tourbillon-Chronographen, der noch komplizierter ist als ein Automatik-Tourbillon. Ein ewiger Kalender von Breitling, müsste ein ewiger Kalender mit Chronograph sein, weil Chronographen Bestandteil unserer Geschichte und unserer Pionierleistung sind.
Von der Sportuhr mit Quarzwerk bis zum Chronographen mit ewigem Kalender oder Tourbillon gibt es bei Breitling alles. Kann man sagen, dass dieses breite Produkt-Portfolio entscheidend ist für den Erfolg, den Breitling momentan rund um den Globus erlebt?
Absolut. Ich kenne keine weitere Generalistenmarke, die sowohl eine Emergency mit Elektronikwerk verkaufen kann und das ganze Mechanik-Spektrum vom Datograph bis hin zum Duograph Rattrapante oder Tourbillon bei der Premier abdecken kann. Wir verkaufen die ganze Bandbreite mit der gleichen Glaubwürdigkeit, weil es Teil unserer Geschichte ist. Das ist die Erfolgsstory von Breitling. In den letzten zwanzig Jahren bevor wir Breitling übernommen haben, hat die Marke hauptsächlich große Pilotenuhren verkauft. Aber das macht nur gerade fünf Prozent der Markengeschichte aus. Die Breitling-Kunden wussten damals nicht, dass es in den 40er Jahren wunderschöne klassische Premier Modelle gab.

Das war in der Tat ein verkanntes Produkt. Gratulation zur Renaissance der Premier-Linie und dazu auch noch der Top Time.
Breitling-CEO Georges Kern: Das war ein weiteres vergessenes Produkt. Willy Breitling hatte klare Vorstellungen. Premier war für ihn die funktionale stilvolle Dress-Watch, die Top Time die Uhr für eine jüngere Kundschaft. Und genauso ist es nach wie vor. Wenn man die Top Time heute betrachtet, ist sie viel weniger klassisch als die Premier. Die Idee war also schon damals richtig und sie ist es heute noch. Man muss die Linien genauso sauber trennen, wie ihre Geschichte. Sonst verwirrt es die Kunden. Die Top Time ist der Premier formal ähnlich, aber in gewisser Weise ein Spin-Off mit einem ganz eigenen Storytelling. Das darf man nicht vermischen.
Welches ist künftig die Premier-Zielgruppe? Hat Breitling da spezielle Menschen im Fokus?
Unsere Breitling Premier Linie ist ganz klar als Prestige-Uhr positioniert, die unsere Historie und unser Knowhow repräsentiert. Sie ist etwas ganz anderes als eine Superocean oder Avenger. Hier bringen wir unsere ganze Manufaktur-Kompetenz mit ein und verwenden größtenteils Edelmetallgehäuse.
Breitling spricht ganz unterschiedliche Zielgruppen an. Und eine Zielgruppenvermischung wäre schädlich.
Genau. Ich habe von Beginn weg gesagt, dass die Marke vor fünf, sechs Jahren nicht lesbar war. Ich stand vor einer Vitrine und konnte die Marke nicht erfassen und die Produktlinien visuell nicht einordnen. Damals waren eine Breitling Avenger und eine Breitling Chronomat nicht wirklich auseinanderzuhalten, weder aufgrund des Designs noch aufgrund des Storytellings. Die Marke muss lesbar und verständlich sein und alles muss sich zu einem Bild zusammenfügen.

Ich vernehme, dass Breitling in Deutschland sehr erfolgreich agiert. Welches sind denn momentan die erfolgreichsten Märkte?
Georges Kern: Deutschland ist unglaublich erfolgreich. Breitling ist nach unserem Wissen, die viertstärkste Marke im Handel. Europa allgemein hat sich in den letzten Jahren sehr positiv entwickelt und die USA ist nach wie vor unser stärkster Markt.
Aber in Deutschland geht auch bei manchen Konzessionären die Angst um, dass sich Breitling im Zuge des Erfolgs irgendwann von ihnen verabschiedet und nur noch eigene Boutiquen einrichtet
Diese Angst ist unbegründet. Breitling ist und möchte auch weiterhin ein bevorzugter Partner des Handels sein. Multimarken-Einzelhändler brauchen, um erfolgreich zu sein, drei bis vier große, relevante Marken im Sortiment, neben kleineren Brands und Nischenprodukten. Für letztere stellt es auch eine Chance dar, wenn große Konzerne weniger stark auf den Handel setzen. Wir gehören zu heute zu den drei bis vier erfolgreichen Marken, auf die der Handel setzt und das soll auch so in Zukunft sein.

Eigene Boutiquen und e-Commerce
Aber es werden reihenweise Breitling Boutiquen eröffnet
Breitling-CEO Georges Kern: Das ist richtig. Dabei muss man aber wissen, dass rund 70 % der Breitling Boutiquen von unseren Handelspartnern betrieben werden.
Hat sich das so bewährt?
Absolut. Eine Boutique ist wie ein Plakat. Sie ist die bestmögliche Werbung für Breitling. Unser Preissegment ist dabei ein großer Vorteil. Wir belegen einen Sweet-Spot, den relevante Konkurrenten nicht abdecken können, da sie entweder zu teuer oder zu preiswert sind. Das bedeutet zudem, dass wir auch lokalere Standorte neben den typischen Luxuseinkaufsstraßen wählen können und dabei genügend Umsatz generieren.
Welches sind die Vorteile dieses Preissegments?
Es sind Preise, die eine große Kundschaft bereit ist zu bezahlen. Das Gros unserer Produkte liegt in einer Preisspanne von 3.500 und 20.000 Euro. Das bedeutet für uns, dass wir nicht zwingend an der Münchner Maximilianstraße oder an der Croisette in Cannes sein müssen, sondern beispielsweise auch in Straßburg, Bordeaux, Köln oder Stuttgart.
Philosophie verstanden. Wird das Vorgehen mit ortsansässigen Konzessionären abgesprochen?
Es gibt natürlich Standorte, wo wir unbedingt mit einer Boutique vertreten sein wollen und nach Örtlichkeiten suchen. In den USA beispielsweise in Städten wie Chicago, Washington und so weiter. Jedoch besprechen wir das mit unseren Handelspartnern und suchen gemeinsam nach Möglichkeiten. Aber es kommt umgekehrt auch vor, dass Konzessionäre mit Opportunitäten und Vorschlägen an uns herantreten.
Wie bedeutsam ist E-Commerce inzwischen für Breitling?
Unser E-Commerce-Anteil macht rund 10 Prozent unseres Umsatzes aus. Ich bin aber überzeugt, dass der E-Commerce-Anteil bei Hard-Goods eine natürliche Grenze von geschätzt 15 – 20 % hat. Beispielsweise ist es schwierig Produkte mit Gliederarmbändern übers Internet zu kaufen, da man sie anpassen muss. Uhren mit Lederbändern funktionieren dagegen sehr gut.

Kauft im Internet eine andere Klientel? Menschen, die kein persönliches Einkaufserlebnis in der Boutique wollen oder brauchen?
In erster Linie sind es Kunden, die unsere Produkte schon kennen und sie auch schon probiert haben. Menschen, die sich aus irgendeinem Grund am Samstagabend um elf Uhr entschließen, sich eine Armbanduhr zu bestellen. Wir wissen, dass der Kaufimpuls mehrheitlich im Internet ausgelöst wird. Kunden lesen in den sozialen Medien über eine Uhr, die ihnen gefällt, oder sie informieren sich in unserem Online-Shop vorgängig über ein Produkt.
Dann gehen die meisten Kunden in die Läden, um sich die Uhren anzuschauen und sich beraten zu lassen. Bis zum Kaufentscheid vergehen meist einige Monate. Wir verfolgen eine Omni-Channel-Strategie, denn stationärer Handel und Online-Shops ergänzen sich. Aber Studien belegen, dass Konsumenten am liebsten in Monobrand-Boutiquen einkaufen, wo sie die gesamte Kollektion präsentiert bekommen und in die Markenwelt eintauchen können.

Breitling ist schön länger nicht bei den bekannten Uhrenshows vertreten. Auch 2023 suchte man Breitling bei der Watches and Wonders vergebens. Welche Vision gibt es denn auf dem Gebiet?
Breitling-CEO Georges Kern: Wir sind damals von Basel (mehr zur ehemaligen Basler Uhrenmesse gibt es hier zu lesen) weggegangen, weil uns die Messen keinen wirklichen Nutzen mehr brachten, und dabei sehr teuer waren. Diesen Entscheid trafen wir schon bevor andere große Marken und Gruppen Basel den Rücken zukehrten. Das Investment von fünf Millionen für einen Messeauftritt kann man anderweitig kosteneffizienter nutzen.
Also passé mit Messeaktivitäten für alle Zeiten?
Nicht zwangsläufig. Wenn die Marken die Formate innerhalb einer Messe freier und flexibler wählen könnten und wenn es ein Treffen der Schweizer Uhrenindustrie und dabei vermehrt um ein kulturelles Ereignis ginge, dann wäre es interessant. Klassische Verkaufsmessen braucht im Übrigen auch kein Automobilhersteller, kein Elektrogerätehersteller, niemand mehr. Dafür gibt es digitale Kanäle und jedermann weiß innerhalb von fünf Minuten Bescheid. Der Genfer Automobil Salon ist abgesagt worden, weil er schlicht zu teuer ist.
Besten Dank für das informative Gespräch

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