Wir haben getan, was getan werden musste

Zenith x Kari Voutilainen: Neuer Glanz für das betagte Chronometer Kaliber Zenith 135 Observatoire

Im Gespräch verrät der Meister-Uhrmacher Kari Voutilainen, wie er und sein Team sich im Zuge der Zenith x Kari Voutilainen Kooperation der 10 Zenith 135 Observatoire Kaliber annahm - und worin die Herausforderung bei der Überarbeitung der seltenen Kaliber liegt.

von | 27.06.2022

Uhrwerks-Regulierung einst und jetzt

Gisbert L. Brunner: Die Kooperation Zenith x Kari Voutilainen wirft einen interessante Frage auf. Denn das Kaliber Zenith 135-O wurde entwickelt, um bei Chronometerwettbewerben zu siegen. Wäre es heute möglich, beim Kaliber 135 die gleiche Regulierung auf die gleiche Weise durchzuführen, wie es Pellaton und Perrelet und all diese Leute Ende der 1940-er und in den 50er Jahren getan haben? Oder würde eine Uhr danach eine Million Schweizerfranken kosten? 

Kari Voutilainen: Das Herzstück und das Geheimnis der Regulierung bestehen in der Guillaume-Unruh sowie der Spiralfeder. Alles dreht sich darum. Ein wichtiger Aspekt dabei ist die Temperaturkompensation. Und für mich besitzt die Stahlspirale im Kaliber 135 die beste Qualität, welche es damals gab. Gepaart mit der Guillaume-Kompensationsunruh ist das eine perfekte Kombination. Besser ging es aus damaliger Sicht nicht.
Heute ist eine Temperaturkompensation mit dieser Kombination aus Unruh und Spirale eher schwierig. Wir werden diesbezüglich nicht wirklich die gleiche Leistung hinbekommen. Das ist aber nur die eine Sache. Und eine andere Sache ist die Regulierung in den unterschiedlichen Lagen, horizontal und vertikal.

Ja, Sie haben sechs Positionen.  

Das ist völlig in Ordnung. In horizontaler Lage bekommen wir das sehr gut hin. Größere Probleme bereiten die vier vertikalen Positionen, also Krone links, rechts, oben und unten. Aber auch das können wir machen. Deutlich schwieriger ist eben die Temperaturkompensation. Die Guillaume-Unruh bietet beste Voraussetzungen für gute Resultate, indem wir die entsprechenden Schrauben versetzen.

 

Mit den Schrauben können sie ja die Kompensationswirkung verändern und einstellen. 

So ist es. Bei Erwärmung wird die Spiralfeder länger, und die Uhr wird langsamer. Im Gegenzug schließt sich die Unruh an den freien Enden. Ihr Durchmesser wird geringer. Das kompensiert die Ausdehnung der Unruhspirale. Umgekehrt ist es bei Abkühlung. Grundsätzlich gibt es keine bessere Lösung als diese. Ich glaube also nicht, dass wir es heute mit einer modernen Uhr besser machen können.

Ist es nicht auch eine Frage der heutzutage niedrigen Frequenz von 2,5 Hertz, mit der die große Guillaume-Unruh oszilliert? 

Die große Unruh ist in den vertikalen Positionen deutlich stabiler. Für Wettbewerbsuhren braucht man eine Unruh mit bestimmtem Durchmesser. Und Schrauben, möglichst schwer, um die wirklich feinen Einstellungen vorzunehmen zu können.

Und das braucht Zeit

Das klassische große Chronometerzertifikat stellte hohe Ansprüche. Damals haben die Top-Regleure ein ganzes Jahr damit verbracht, die Uhr für den Wettbewerb vorzubereiten. Alle Schritte zur perfekten Regulierung brauchen Zeit. Sie müssen genau beobachten, machen Korrekturen und beobachten wieder. Und wenn man das Werk zum Schluss reinigt und wieder zusammenbaut, ändert sich alles. Wenn sich der Ansteckpunkt der Spiralfeder nur minimal verändert, geht die Uhr völlig anders. Im Grunde genommen ist es wie bei einem Rennwagen. Man macht das Tuning und fasst danach nichts mehr an.

Kari Voutilainen bei der Arbeit am Kaliber

Kari Voutilainen in seinem uhrmacherischen Element

Diffiziles Schaffen

Was ist mit dem menschlichen Faktor? Damals hat sich der Regleur vollkommen auf die Ganggenauigkeit konzentriert. Kann also jemand heute eine Uhr so regulieren, wie damals? 

Wenn man die Regulierung vornimmt, besitzt man eine Toleranz. Zum Beispiel für die vier vertikalen Positionen minus bis plus fünf Sekunden. Das ist recht einfach und das kann man in ein paar Stunden machen. Willst du hingegen alle Positionen mit nur einer Sekunde Abweichung, benötigst du viel mehr Zeit, vielleicht zwei Tage. Willst du das Ganze auch noch auf Sekundenbruchteile reduzieren, wie im Fall des Kalibers 135-O, dann brauchst du ungemein viel Zeit.

Zumal man damals ja Kompensationsunruhn vom Typ Guillaume hatte …

… richtig. Im Gegensatz zur soliden monometallischen Glucydur-Ringunruh ist diese bimetallische Kompensationsunruh sehr weich. Wenn man daran arbeitet, muss man die kleinen Schrauben verdrehen oder versetzen. Sofern man dabei grob ans Werk geht oder nicht weiß, wie man das richtig macht, verändert oder verbiegt man die Unruh. Und dann kann sie schnell komplett unbrauchbar werden. Es ist also extreme Vorsicht geboten.

 

Komponenten des Zenith Kalibers 135 Observatoire

Komponenten des Zenith Kalibers 135-O am Werktisch von Kari Voutilainen

Wie viel Zeit haben Sie nach der Finissage noch mit der Regulierung jedes einzelnen Uhrwerks verbracht?

Was wir gemacht haben, resultiert aus langer Diskussion mit Zenith und auch mit Phillips. Wir wollten das Uhrwerk so original wie möglich erhalten. Und so sind wir bei Platine, Brücken und Kloben vorgegangen. Dann kam die Unruh. Wir haben die Unruh nicht mechanisch gereinigt, sondern mit Produkten, welche sie blank macht.

Zenith Kaliber 135 O Finissage Federhausbruecke

Nur getan, was getan werden musste. Kari Voutilainen beim Bearbeiten der Federhausbrücke des Kalibers Zenith 135-O

Ich würde sagen, eher gar keine Rolle. Ganz oben stand die Ganggenauigkeit.  

Im Fall der Unruh konnten sie diese ein bisschen abfeilen oder sogar ein wenig Metall darunter kleben, alles war möglich, alles war erlaubt. Wir werden also nur reinigen. Wir haben Produkte, mit denen wir Glänz erzeugen können, ohne mechanisch an der Unruh zu arbeiten. Das Gleiche gilt für die Räder. Wir haben die Räder demontiert, wir haben die Räder gereinigt, und wir haben sie wieder auf die Wellen gepresst. Das zum Beispiel war sehr schwierig, denn wenn man sie wieder anbringt, müssen sie exakt zentriert sitzen. Wenn es nicht passt, muss man sie wieder abnehmen und umdrehen. Es ist also ziemlich knifflig.

Wenn wir am Ende das Uhrwerk betrachten, sehen wir nicht wirklich, was daran gemacht worden ist. Andererseits sehen wir schon am Anfang, dass wir die Räder nicht so lassen können, denn sie sind ziemlich verkratzt.

Mussten Sie die stählernen Zapfen der Räderwerkswellen nacharbeiten, oder waren sie in einem perfekten Zustand? 

Wir haben getan, was getan werden musste. Wir mussten ein bisschen nachrollieren. Aber eben nur ein wenig. Dadurch wird das Metall nicht wirklich entfernt, sondern nur die Oberfläche verdichtet. Das dient auch der Langlebigkeit.

Bringt das Rollieren wirklich etwas in Bezug auf Präzision oder nicht?

Nein. Weil es nicht wirklich einen Effekt hat. Ich meine, die Uhr ist ästhetisch schöner, wenn es kleine Kratzer gibt. Aber auf die Präzision wirkt es sich eher nicht aus. Am Anfang hat man ein Räderwerk, und dann hat man die Hemmung und die Unruh. Alles muss perfekt zusammenspielen.

 

Montage des Federhaus des 135 Kalibers

Zenith Kaliber 135-O: Montage des großen Federhauses bei Kari Voutilainen

Mehr Platz für Komponenten

Was halten Sie als erfahrener Uhrmacher von Ephrem Jobins Idee, das Minutenrad zu verlegen, und im Zentrum nur eine Zeigerwelle zu belassen? War das großartige hinsichtlich der gesamten Konstruktion? 

Ephrem Jobin hat das gemacht, weil es mehr Platz brachte …

… für die Unruh. Mit Blick auf die Konstruktion des Uhrwerks war es? Wie beurteilen Sie die Konstruktion des Kalibers 135 aus aktueller Sicht?

Ich persönlich halte sie für gut. Denn es gab immer schon Regeln für die Konstruktion von Uhrwerken. Die Oberfläche des runden Uhrwerks ist abhängig vom Durchmesser. Oder wenn das Uhrwerk eine rechteckige Form hatte, wurde die Oberfläche in Quadratmillimetern gemessen. Natürlich wollte jeder ein möglichst großes Uhrwerk machen, um Platz für ein möglichst großes Federhaus zu haben – und die Unruh so groß wie möglich machen zu können.

Im Fall des Kalibers 135 beansprucht das Federhaus fast die eine Hälfte und die Unruh beinahe die andere. Und dann hat man noch das Minutenrad in der Mitte. Dort braucht es Platz. Wenn man eine möglichst große Unruh will, muss man Platz schaffen. Je mehr Platz um die Unruh ist, desto weniger Probleme gibt es mit Luftverwirbelungen und der damit einhergehenden Reibung. Denn wenn man etwas in die Nähe der Unruh bringt, beginnt das zu mehr oder weniger zu stören, abhängig von der Unruhfrequenz Das sollte man also vermeiden.

Wenn der Abstand unter zwei Zehntelmillimeter sinkt, stört das die Oszillationen. Die Uhr läuft zwar, aber eben unregelmäßig. Deshalb sollte man um die Unruh herum einen gewissen Abstand einhalten.

 

Wettbewerskaliber Peseux 260 von Kari Vautilainen

Limitierte Armbanduhr von Kari Voutilainen mit dem ehemaligen Wettbewerbskaliber Peseux 260

Kari Voutilainen Peseux 260

Der unnverkennbare Stil von Kari Voutilainen: Armbanduhr mit Handaufzugskaliber Peseux 260

Konkurrenten

Sie kennen sich das Omega 30 T2, das Peseux 260, das Longines 30B. Was denken Sie, wenn Sie diese Formel-1-Champions der Uhrmacherei von damals vergleichen? All diese Uhrwerke wurden ja hauptsächlich für Wettbewerbszwecke konstruiert. Ist Zenith das beste von all diesen Werken? 

Ich würde sagen ja, weil es viele Preise gewonnen hat. Ich denke, das ist ein Beweis für diese Behauptung. Aber letzten Endes gab es viele Firmen, die Wellen und Zapfen, Hemmungen, Unruhn und Spiralfedern sowie Lagersteine herstellten. Alle Komponenten haben einen Einfluss auf die Präzision. Also haben die Marken die besten Lieferanten ausgewählt. Möglicher Weise waren es sogar die Gleichen, welche besagte Marken belieferten. Das ist aber nur eine Seite. Hinzu gesellt sich eben die Konstruktion des Uhrwerks selbst. Und am Ende der Kette stehen die Personen, welche die Feinstellung und Regulierung vorgenommen haben.

 

Zenith Kaliber 135 O Rueckerzeiger C Uhrenkosmos

Wie es euch gefällt: Bei Zenith bekam jeder Regleut den Typ Rückerzeiger, mit dem er am besten arbeiten konnte. Bei den zehn Exemplaren der Platin-Sonderserie wurden sie auch nicht veändert.

Zenith x Kari Voutilainen

Sie haben bei den Uhren der Zenith x Kari Voutilainen Zusammenarbeit verschiedene Ausführungen von Rückerzeigern bei den Kalibern 135-O, sofern ich das richtig sehe. Es gibt die gerade, die gebogene und die V-Form. Ist das jeweils die ursprüngliche Form? 

Alle Rücker sind Originale. Von Werk zu Werk unterschiedlich, abhängig vom Regleur, der die eine oder andere Ausführung bevorzugte, weil er damit besser zurechtkam. Also persönlicher Geschmack, wenn Sie so wollen. Das war übrigens auch eine Diskussion. Sollen wir etwas vereinheitlichen? Und wir haben gesagt, nein, nein, wir verändern nichts. Wir polieren nur ein wenig, behalten in jedem Fall aber das Original.

Im Zuge des Gesprächs entsteht der Anschein, dass die Kaliber 135-O nicht mehr so genau sind, wie sie es damals waren. Können Sie generell etwas über die Genauigkeit sagen? 

Kari Voutilainen: Was die Genauigkeit anbetrifft, ist die Temperaturkompensation eine Sache. Und dann haben wir die mittlere tägliche Abweichung, wenn wir die Uhr am Handgelenk tragen. Was zeigt sie uns an? Abhängig von ständig und vor allem rasch wechselnden Positionen.

Das ist etwas ganz anderes als damals, als Uhren für Wettbewerbszwecke reguliert wurden. Da wartete man eine Woche und schaute sich die Gangabweichung in einer einzigen Lage an. Das können wir heute doch gar nicht mehr tun. Wir beobachten mit einer Zeitwaage und konstatieren, das ist schon ziemlich gut. Das entspricht den aktuellen Chronometer-Regularien.

 

 

Wettbewerbsgehäuse eines Kalibers 135 Observatoire

So, also im Wettbewerbs-Holzgehäuse gelangen die Kaliber Zenith 135-O zu Kari Voutilainen

Zenith x Kari Voutilainen

Von Kari Voutilainen durch die Lupe betrachtet: Zenith Kaliber 135-O

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