Automatik-Chronograph statt Handaufzug
Was aus der Uhrenmanufaktur Zenith oder dem heutigen Uhrenklassiker Zenith El Primero ohne den unbeugsamen Charakter von Charles Vermot geworden wäre, lässt sich retrospektiv wohl nicht mit letzter Sicherheit beurteilen. Fest steht jedoch, dass dieser bescheidene und geradlinige Uhrmacher die Zukunft des Unternehmens in den 1970-er und 1980-er Jahren ganz entscheidend beeinflusst hat. Denn ohne ihn gäbe es den legendären „El Primero“ Zenith-Chronographen mit seinem herausragenden Kaliber höchstwahrscheinlich nicht mehr. Doch davon später. Zunächst heißt es, den Blick zurück in die 1960-er Jahre zu richten. Damals sank der Absatz herkömmlicher Chronographen deutlich. Während der automatische Aufzug bei Dreizeiger-Armbanduhren fast schon zur Selbstverständlichkeit gehörte, mussten die Zugfedern bei Zeitmessern mit integrierter Stoppfunktion auch hundert Jahre nach deren Premiere immer noch manuell gespannt werden.
Das Problem war, dass die Synthese aus Selbstaufzug und Chronographenfunktion etliche Tücken birgt. Mit der Montage einer Automatik-Baugruppe über oder neben dem Stoppmechanismus war es schlichtweg nicht getan. Die kinetische Energie musste vom Rotor zum Federhaus gelangen. Dem dafür notwendigen Getriebe standen jedoch zahlreiche Räder, Hebel, Federn und sonstige Bauteile im Weg. Dass die Uhrenhersteller sich nur zögerlich an dieses Konstruktionsabenteuer wagten, verwundert also nicht. Gleichzeitig spürten in jener Epoche die Verantwortlichen im Hause Zenith die deutlichen Verkaufsrückgänge ihrer Handaufzugschronographen. Es galt, dringend nach einer Lösung zu suchen.
Die Entwicklung des Automatik-Chronographen
1960, also fast ein Säkulum nach der Gründung durch Georges Favre-Jacot im Jahre 1865, hatte die Traditionsmanufaktur Zenith bereits den in Les-Ponts-de-Martel beheimateten Chronographenspezialisten Martel Watch Co. übernommen. Der wiederum demonstrierte seine einschlägige Leistungsfähigkeit unter anderem durch die Produktion zuverlässiger Handaufzugskaliber für Universal Genève. Darauf galt es aufzubauen und Zenith schaffte es tatsächlich, diese Kompetenz ab 1965 Stück für Stück in die Entwicklung eines seriell herstellbaren Uhrwerks mit Rotor-Selbstaufzug und Chronographen-Stoppfunktion umzusetzen. Aber es war nicht einfach.
Vier Jahre lang rauchten in den Ateliers die Köpfe, denn die Vorgaben des Pflichtenhefts hatten es in sich: Schließlich ging es darum, die neue Konstruktion an die überlieferter konstruktiven Grundsätze, die existierenden Kaliber wie die vorhandenen Vorgaben anzupassen.

Die Lösung
Konkret bedeutete sie, dass der neue Automatik-Chronograph integriert aufgebaut sein sollte. Ebenso musste er eine horizontale Räderkupplung sowie ein klassisches Schaltrad zur Steuerung der drei Stoppfunktionen besitzen. Und aus patentrechtlichen Gründen, konnte man nicht an der zentral über dem Werk drehenden Schwungmasse mit Kugellager rütteln. All dies hatte einen weiteren wichtigen Punkt zu beachten. Nur diese Bauweise gestattete aus Sicht der Verantwortlichen eine vernünftige Dimensionen des neuen Uhrwerks. Dafür hatte man noch ein As im Ärmel. Der innovative Aspekt der neuen Konstruktion bestand in einer hohen Unruhfrequenz von fünf Hertz. Diese sorgte für eine hohe Ganggenauigkeit und erlaubte damit präzise Zehntelsekunden-Stoppungen.



ZENITH EL PRIMERO
Als „El Primero”, zu Deutsch „der Erste“, dann am 10. Januar 1969 die Weltbühne der Zeitmessung betrat, sah man sofort, dass sich die Arbeit gelohnt hatte. Der El Primero glänzte mit einer bemerkenswert geringen Bauhöhe von nur 6,5 Millimetern. Und das bei einem Durchmesser von 13 Linien oder 29,33 Millimetern. Dabei war das Werk kompliziert. Die Version mit einfacher Datumsanzeige, Kaliber 3019 PHC, bestand aus 280 Komponenten, die kompliziertere Variante mit Vollkalendarium und Mondphasenanzeige (Kaliber 3019 PHF) sogar aus 354 Komponenten.
Einer, der tatkräftig bei der Entwicklung des neuen EL Primero Werks mitgewirkt hatte, war besagter Uhrmacher Charles Vermot. Es versteht sich von selbst, dass dieser aufsehenerregender Erfolg auch den von seinen Kollegen liebevoll Charly genannten Uhrmacher mit großem Stolz erfüllte. Jedoch noch im gleichen Jahr 1969 kam es durch die aufkommenden Quarzuhren mit ihren oszillierenden Quarzen zu einem radikalen Veränderungsprozess. Der Erfolg der neuen preiswerten und präzisen Zeitmesser brachte die etablierten Uhrenmarken in Bedrängnis.
Mit Blick auf die wachsenden Probleme schloss sich Zenith deshalb mit zwei anderen Marken und Manufakturen zur Holding „Mondia Zenith Movado” zusammen. Diese schlüpfte 1971 mehrheitlich unter das Dach der Zenith Radio Corporation. Die neuen amerikanischen Entscheider reagierten indes eher unwirsch auf die etablierte Mechanik und das kontinuierlich nachlassende Interesse. Sinkende und deshalb nicht mehr profitable Stückzahlen widersprachen ihrem betriebswirtschaftlichen Verständnis. Vor diesem Hintergrund verfügten die neuen Eigentümer 1975 auch das unwiderrufliche Ende des Zenith El Primero. Alle Pläne und Dokumentationen, so die Order aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten, seien ebenso zu vernichten wie die Werkzeuge, das Lager an Komponenten sowie die verbliebenen Rohwerke.
Für Charles Vermot brach eine Welt zusammen. Er bewertete das scheinbar nicht mehr zukunftstaugliche Oeuvre als große Errungenschaft und von zeitlosem Wert und mochte sich mit diesem radikalen Schnitt unter keinen Umständen abfinden. Trotz des drohenden Damoklesschwerts einer Kündigung, sicherte und verpackte Vermot alles Notwendige rund um den Zenith El Primero mit der ihm eigenen uhrmacherischer Akribie.
Zum sicheren Versteck erkor der Unbeugsame den weitläufigen Speicher des prachtvollen Manufakturgebäudes am Ortsrand von Le Locle. Unter dem Dach reihten sich eine Vielzahl von Holzregale und Industriekommoden mit weit ausziehbaren Schubfächern aneinander. Ebenso fanden sich viele verwinkelte Nischen, die unter den gegebenen, eher spärlichen Lichtverhältnissen ideale Voraussetzungen für dieses Versteckspiel schufen. Im Gegensatz zu den neuen Managern kannte Monsieur Vermot diesen düsteren Ort in- und auswändig. Und so nutzte er seine Ortskenntnisse jahrelang zum Verbergen der El Primero Historie und ihrer mechanischen Versatzstücke.


COMEBACK DANK VERMOT, EBEL UND ROLEX
Selbst als Zenith 1978 wieder in eidgenössische Hände gelangte, sah das neue Management zunächst keinen rentablen Markt für Automatikchronographen. Einen Zeitenwandel brachte erst das Jahr 1981. In seiner Funktion als Eigentümer und Chef von Ebel schickte Pierre-Alain Blum einen Gesandten ins benachbarte Le Locle. Bei Zenith sollte er sich nach dem Schicksal des El Primero-Kalibers erkundigen.
Damit schlug nun endlich Charles Vermots Stunde. Dank weiterhin vorhandener und hinter einer zugemauerten Tür lagernder Komponenten kam Ebel so zu seinen viel beachteten und ausgesprochen erfolgreichen Automatikchronographen. Der Spitzname des Chronographen: Beau, zu Deutsch der Schöne. Angesichts wenig erbaulicher Wirtschaftslage war Zenith dankbar für jeden Franken Umsatz.
Die gegen 1985 einsetzende Renaissance der Mechanik und hartnäckige Nachfragen aus dem italienischen Markt bewirkten schließlich ein Umdenken in der Chefetage. Sehr zur Freude Vermots brachte das Jahr 1986 zunächst ein zaghaftes Comeback des El Primero auf der Basis der reichlich verfügbaren Altbestände. Die Entscheidung für einen Neubeginn der Kaliberproduktion fiel dann 1987, als Rolex ernsthaftes Interesse an einer modifizierten Version des Kalibers mit lediglich vier Hertz Unruhfrequenz bekundete. Abermals profitierte Zenith vom Naturell des standhaften Uhrmachers, der jetzt die Konstruktionspläne und kostbare Stanzwerkzeuge ans Tageslicht förderte. Auf diese Weise erfuhr der Zenith Chronograph endgültig ihre Wiedergeburt. Für Zenith ist das Kaliber El Primero fast schon ein Synonym. Ohne ihn würden Uhrenliebhaber und Uhrensammlern weltweit ein uhrmacherischer Glanzpunkt fehlen. Es hätte nicht viel gefehlt und Zenith hätte das gleiche Schicksal wie weiland Breitling ereilt.
Natürlich blieb das Dankeschön von Zenith an seinen tapferen und weitsichtigen Uhrmacher Charles Vermot nicht aus. Nachdem dieser ein Leben lang von New York träumte, wurde ihm von Zenith sein Traum erfüllt.

El Primero Garantie
Dem Anlass gebührend feierte Zenith den 50. Geburtstag seiner Uhren-Ikone mit einer limitierten Retrolook-Edition des El Primero Chronographen in Weiß-, Rosé- oder Gelbgold . Von jeder Ausführung gab es jeweils 50 Stück. Das wirklich Besondere dabei: Jedes Exemplar wurde mit einer 50 Jahre Garantie ausgestattet. Womit das nächste Jubiläum des Zenith El Primero Chronographen wohl sicher erreicht werden kann.

UHRENKOSMOS MODELL-STECKBRIEF
Hersteller | Zenith |
Name | El Primero A386 Revival |
Referenz | 65.A386.400.69.C815 – Weißgold
18.A386.400/69.C807 – Roségold 30.A386.400/69.C807 – Gelbgold |
Premiere | 2019 |
Uhrwerk | Kaliber El Primero 400 |
Aufzug | automatisch |
Gangautonomie | mindestens 50 Stunden |
Unruhfrequenz | fünf Hertz |
Komponenten | 278 |
Anzeige | Stunden, Minuten, Permanentsekunde, Fensterdatum |
Zusatzfunktionen | Schaltrad-Chronograph mit 30-Minuten- und 12-Stunden-Totalisator |
Gehäuse | Weiß-, Rosé- oder Gelbgold |
Durchmesser | 38 Millimeter |
Höhe | 12,6 Millimeter |
Wasserdichte | zehn bar |
Armband | Leder |
Preis | 19.900 Euro |
Limitierung | jeweils 50 Stück |
wohl sicher erreicht werden kann.


Sehr schöner Bericht über Zenith.
Habe eine Zenith in Titan von meinem Papa geerbt. Bin stolz wie Oskar. Gerade eine Revision in Le Locle für 835€. Qualität kostet halt. Super Service. Versand Etui wird bei Anfrage geliefert.
Eine wunderschöne Uhr die gewartet und gepflegt von Generation zu Generation gehen wird. Es lohnt sich eben, Qualität zu kaufen!