Zwei Branchengrößen finden zusammen
Zunächst einmal liegt es mir fern, in der fünften Uhrenkosmos Wochenschau als Co-Referent zu meinem Partner aufzutreten. Wolfgang Winter hat den jüngsten Mega-Deal der Uhrenbranche aus seiner Sicht beleuchtet. Mir sind derartige Verkaufsgerüchte schon seit längerem immer wieder zu Ohren gekommen, denn Jörg G. Bucherer, 87-jähriger Inhaber der international bedeutendsten Kette von Uhren- und Schmuckfachgeschäften, hat keine direkten Nachkommen. Anfang Dezember beflügelte die enge Zusammenarbeit mit Rolex auf dem Gebiet der Certified Pre Owned (CPO) Uhren (wir hatten auch darüber berichtet) die schwelenden Vermutungen.
Nun also durfte der schon vor Monaten oder gar Jahren behutsam eingefädelte und ausgehandelte Kauf ans Licht der Öffentlichkeit. Sofern die Kartellbehörden zustimmen, woran nicht zu zweifeln ist, übernimmt die Rolex Gruppe das altehrwürdige Haus Bucherer mit geschätzten 1,8 Milliarden Schweizerfranken Jahresumsatz, rund 2.400 Mitarbeitenden und mehr als 100 Verkaufsstellen rund um den Globus. 53 von diesen vertreiben Uhren der Marke Rolex und 48 solche mit der Signatur Tudor.
Natürlich herrscht eisernes Stillschweigen über den Kaufpreis. Rolex und Bucherer sind verschlossen wie Austern. Also kann ich nur mutmaßen. Denkbar sind drei bis vier Milliarden Schweizerfranken, die Rolex wegen der nun regelmäßig zu vereinnahmenden Einzelhandelsmarge in wenigen Jahren wieder hereingespielt haben dürfte.
Neben den Ladengeschäften spielt der Serviceaspekt eine ebenso wichtige Rolle. Bucherer unterhält ein großes, offizielles Kundendienstzentrum für die Produkte beider Marken. Zertifizierte Uhrmacher verfügen über einschlägige Qualifikationen zur Wartung und Reparatur der Zeitmesser Genfer Provenienz. Und genau das braucht es auch bei jährlich circa 1,2 Millionen Rolex Uhren, die in regelmäßigen Abständen gewartet werden wollen.
Blick zurück
Der Blick in die Geschichtsbücher zeigt, dass Bucherer genau 20 Jahre älter ist als die 1908 geschützte Marke Rolex. 1888 schritt Carl F. Bucherer in Luzern zur Tat. 1924, als Hans Wilsdorf von England nach Genf übersiedelt war, nahm die für beide Seiten ertragreiche Kooperation ihren Anfang. Wie mir Jörg Gerold Bucherer anlässlich der Eröffnung des noblen Hamburger Standorts erzählte, war Hans Wilsdorf gelegentlich Gast bei den Bucherers.
Im Rahmen eines Besuchs durfte der 20-Jährige dem alleinigen Inhaber der Genfer Montres Rolex SA seine Aufwartung machen. Diese Begegnung, erfuhr ich an der Binnenalster, habe das Bewusstsein in puncto traditionsbezogener Unternehmensführung, behutsamer Evolution und Streben nach unbedingter Qualität sehr stark geprägt.
Die Kalender zeigten 1976, als der eher öffentlichkeitsscheue Jörg G. Bucherer in dritter Generation die Leitung des Familienunternehmens von Vater und Onkel übernahm. Alleiniger Inhaber wurde er durch den Erwerb der Anteile seines Cousins und den Kauf einiger börsennotierter Anteilscheine. 2001 gehörte dem betont konservativ agierenden Geschäftsmann mit einem gerüttelten Maß an Skepsis gegenüber Banken endlich alles.
Bei seinen zahlreichen Übernahmen und der Eröffnung neuer Geschäfte bevorzugte er Handeln aus eigener Finanzkraft. Unter seiner Ägide stießen unter anderem Haban in Wien, Huber in München, René Kern, die Kurz Gruppe, die Londoner Watch Gallery und, als größter Brocken, die US-amerikanische Tourneau-Kette mit nicht weniger als 28 Ladengeschäften zu Bucherer.
Anlaufschwierigkeiten wie beim riesigen, primär auf chinesische Touristen abzielenden Ladenlokal am Pariser Boulevard des Capucines brachten Jörg G. Bucherer nicht aus der Ruhe. Unter diesen und anderen Vorzeichen ist der nun vollzogene Milliarden-Deal zu betrachten. Die Rolex Gruppe begleicht ihn vermutlich aus der Portokasse und rückt damit im Geschäft mit Luxusuhren noch weiter nach oben.
Alles in allem dürfte der Rolex Jahresumsatz auf geschätzte 12 Milliarden Schweizerfranken klettern. Das sind 4,5 Milliarden Franken mehr, als die gesamte Swatch Group 2022 erwirtschaftete.
Marken und Boutiquen
Apropos Swatch Group: Rolex betont zwar, dass Bucherer auch künftig als eigenständiges Profitcenter agieren und nichts an seinen Lieferanten ändern wird. Omega, dem größten Rolex-Konkurrenten, wird jedoch nur der Rückzug bleiben, wenn man sich nicht in die Karten schauen lassen will. Ähnlich verhalten sich die Dinge mit Longines, denn diese Swatch Group Marke steht im Wettbewerb mit Tudor. Und bei TAG Heuer unter dem Dach des LVMH-Konzerns dürfte es ähnlich aussehen.
Spannend bleibt, wie sich die Dinge bei den Monobrand-Boutiquen unter dem Dach von Bucherer gestalten werden. Audemars Piguet dürfte sich beim Zürcher AP House wohl eher nicht an der Übernahme stören. Vom Kauf tangiert sein sollte auch Frankfurter Vacheron Boutique im Flagship-Store an der Kaiserstraße. In der Münchner Residenzstraße sind Rolex und Patek Philippe auf zwei Etagen unter einem Dach.
Dem Vernehmen nach hätten beide Marken das keineswegs opulente Ladengeschäft mit bestem Opernblick gerne für sich alleine. Hier könnte es durchaus sein, dass Rolex künftig beide Stockwerke belegt und sich Patek nach einem anderen Standort vielleicht zusammen mit Wempe umsieht. Ein derartiger Exodus würde Platz schaffen für Produkte aus Genf, obwohl Rolex großen Wert legt auf die Feststellung, dass sich am Kreis der wohl gelittenen Konzessionäre nichts ändern soll.
https://www.watches-of-switzerland.co.uk/Dass der Markt die Dinge anders sieht, belegt der Aktienkurs von Watches of Switzerland. Nach Verkündigung des Deals am 25. August stürzten die Papiere der internationalen Nummer 2 nach Bucherer um 20 Prozent von 7,5 auf 6 Euro, um sich dann wieder auf 6,5 Euro zu erholen. Immerhin generiert das an der Londoner Börse notierte Unternehmen etwa 50 Prozent seiner Erlöse mit Erzeugnissen der Rolex Gruppe. Will heißen: Angst geht um, dass sich künftig im Vertrieb der immens begehrten Rolex-Uhren doch etwa ändern könnte.
Derartige Entscheidungen, die in erster Linie den europäischen und US-amerikanischen Markt betreffen, wo Bucherer stark vertreten ist, werden aber noch einige Zeit auf sich warten lassen. Rolex handelt mit Bedacht und wird aus Gründen reiner Gewinnmaximierung nichts übereilt entscheiden. Kim-Eva Wempe wollte aus nachvollziehbaren Gründen keine Stellungnahme abgeben.
Rolex und Bucherer einen hohe gemeinsame Werte, welche die Übernahme logisch, sinnvoll und zukunftsweisend machen.
Heft des Handelns
Dem kann ich nur beipflichten. Mit dieser Aktion lässt sich das Haus Rolex, welches im Einzelhandel selbst bislang nur eine einzige Boutique in der Genfer Altstadt betreibt, das Heft des vertrieblichen Handelns nicht aus der Hand nehmen. So betrachtet ist davon auszugehen, dass die eines Tages weltgrößte Markenboutique im neu zu errichtenden Rolex Hochhaus an der New Yorker Fifth Avenue nicht mehr von Wempe, sondern via Bucherer selbst betrieben wird. Sollte es doch anders kommen, würde ich mich tief vor Rolex verbeugen und ehrfürchtig den Hut ziehen.
Die am Lebensabend des wohlhabenden Jörg G. Bucherer vollzogene Übernahme bewahrt Rolex vor unliebsamen Überraschungen. Alles wird in sehr geordneten Bahnen weiterlaufen. Sollte sich der Markt irgendwann ändern und die Begehrlichkeit der Uhren mit der Krone wider Erwarten sinken, behält Rolex die Kontrolle über einen wichtigen Teil seines Vertriebssystems und die Preise. Wirkungsvoll lassen sich damit nicht geschätzte Parallelmarkt-Aktivitäten unterbinden oder zumindest reduzieren.
Nicht minder wichtig sind tiefe und bislang womöglich ungekannte Einblicke in die Strukturen des Uhrenfachhandels. Obendrein erhält Rolex via Bucherer jede Menge Namen und Koordinaten zahlungskräftiger Kundschaft. Speziell darum werden zahlreiche Mitbewerber das Haus Rolex beneiden. Ein gewichtiger Grund für die Eröffnung hauseigener Monobrand-Boutiquen, besteht, wie mir einige Marken-CEOs mitgeteilt haben, nämlich auch im Gewinnen kostbaren Adressenmaterials.
Bleibt zum Schluss das Uhrenlabel Carl F. Bucherer. Es ist selbstverständlich im Übernahmepaket enthalten. Damit verknüpfen könnte sich eine Aufwertung etlicher Modelle durch Kaliber aus dem Kenissi-Portfolio. Und das wäre ein mehr als wünschenswerter Zug. Aber einen echten Konkurrenten zu Tudor wird Rolex dadurch sicher nicht heranzüchten.
Ganz nebenbei gäbe es nun eine recht einfache Möglichkeit, der bislang am Markt eher mäßig erfolgreichen Marke Carl F. Bucherer zu mehr Umsatz und größeren Stückzahlen zu verhelfen: Ganz subtil rät man jenen freien Rolex-Konzessionären, welche weiterhin mit der Krone kooperieren wollen, künftig auch Uhren und Schmuck von Carl F. Bucherer zu führen. Solches Gebaren kennt man ja auch von anderen Gruppen.
In diesem Sinne kann man Jörg G. Bucherer und Jean-Frederic Dufour beglückwünschen zu diesem genialen Schachzug, der den Markt nicht nur erschreckt, sondern auch wachgerüttelt hat.
Watch Angels: Design Type B-Uhr Chronograph
Die B-Uhren der Watch Angels kann man bei Juwelier Bucherer definitiv nicht kaufen. Sie sind nur im Internet bei den Watch Angels erhältlich. Hintergründiges zu diesen markanten Zeitmessern lässt sich hier im Uhrenkosmos nachlesen.
Kommen wir zu unserer Uhrenneuheit der Uhrenkosmos Wochenschau. Wer 2022 nicht zugegriffen hat, kann den aktuellen Design-Typ einer überlieferten Bobachtungsarmbanduhr weiterhin in Gestalt eines außergewöhnlichen Chronographen erwerben. Das gestalterische Kunststück bei diesem Zeitmesser besteht darin, seine ursprüngliche Ästhetik trotz der zeitschreibenden Zusatzfunktion zu erhalten.
Hierfür wendeten Guido Benedini und sein Team einen Trick an: Der Monopusher-Chronograph besitzt nur einen 30-Minuten-Totalisator bei „12“. Dadurch erfährt das ursprüngliche Baumuster B-Zifferblatt keine tiefgreifende Veränderung. Bei angehaltenem Stopper liegen der Chronographenzeiger und der 30-Minuten-Zählerzeiger exakt übereinander.
Ferner gestattet dieser 44 Millimeter messende Bolide die Kontrolle eines vordefinierten Zeitraums. Zu diesem Zweck verbindet ein ausgeklügeltes mechanisches System den geriffelten Glasrand mit einer Scheibe im Feld des Minutenzählers. Durch Drehen lässt sich die rote Markierung auf einen Wert zwischen 1 und 30 einstellen. Wenn der Zählzeiger dort ankommt, sind beispielsweise die Spaghetti al dente gekocht.
Weil eine Permanentsekunde bei „9“ ebenfalls nicht zum Outfit dieser Armbanduhr gepasst hätte, gibt es im kleinen linken Guckloch lediglich eine gut wahrnehmbare Funktionskontrolle.
Traditionsgemäß finden sich hinten die zur Identifikation notwendigen militärischen Kennzeichnungen. Das jedoch auf ungewöhnliche Art und Weise. Die Daten sind nicht am Gehäuseboden festgehalten, sondern auf der Rückseite des Weicheisenkäfigs, der das Automatikwerk zusätzlich vor Magnetfeldern schützt. Ablesen lassen sie sich durch ein Saphirglas-Sichtfenster.
Im Verborgenen tickt hingegen das COSC-zertifizierte Automatikwerk vom Kaliber Sellita SW500 MPC b. Es verfügt über Nockenschaltung, Schwingtrieb-Kupplung und ca. 62 Stunden Gangautonomie. Vier Hertz Unruhfrequenz gestatten Achtelsekunden-Stoppungen.
Die Lieferung erfolgt mit Lederband und stählerner Dornschließe. Zur Wahl stehen Gehäuse aus puristischem Edelstahl oder solche mit hochbelastbarer DLC-Beschichtung.
Zu haben sind die durchgestylten Watch Angels B-Uhr Chronograph Design Type Uhren nur online direkt beim Hersteller für 2.650 bzw. 2.950 Schweizerfranken inklusive aller Steuern und Versand beispielsweise nach Deutschland oder Österreich.
Uhrenkosmos Wochenschau
Wer die letzte Wochenschau verpasst hat, kann sie hier problemlos nachlesen. Wir hatten in unserer 4. Uhrenkosmos Wochenschau über 13 besondere Fortis Chronographen, die Carl F. Bucherer Uhr und den Manta Trust, die Tutima Segelyacht und eine Wohltätigkeitsauktion im Rahmen der Geneva Watch Days 2023 berichtet. Hier gibt es alle Details der Uhrenkosmos Wochenschau von letzter Woche.
Exzellente Beschreibung und Einordnung.
Besten Dank