Nomos Tangente zum 30.

Nomos Tangente: Die Handaufzugs-Armbanduhr wird 30

Roland Schwertner ist ein schlauer Kopf. Nach dem Fall der Mauer erkannte er sehr schnell das Potenzial neuer deutscher Armbanduhren aus dem sächsischen Glashütte. In diesem Sinne entwickelte der Unternehmer die Nomos Tangente. 1992 debütierte diese klassisch schlichte Armbanduhr ohne großes Aufsehen.

von | 05.02.2022

Ein Lob dem Handaufzug

Genau genommen handelt es bei mechanischen Uhren wie etwa der Nomos Tangente um mehr oder minder große Maschinen zum Messen der Zeit. Mechanische Uhren sind seit dem 13. Jahrhundert bekannt und im Jahr 1571 fand ein erstes Exemplar ans Handgelenk. Und zwar jene Uhr der englischen Königin Elizabeth I. Nachhaltige Fortschritte in der Konstruktion der Uhren sind in der Folgezeit dem Uhrmacher Christiaan Huygens zu verdanken. 1674 erfand der Holländer das gangregelnde Paar aus Unruh und Unruhspirale. Konsequente Materialforschung sowie ein breites Spektrum unterschiedlicher Optimierungen führten in den folgenden Jahrzehnten zu bemerkenswerter Zuverlässigkeit und Ganggenauigkeit. Übrigens haben schlaue Köpfe errechnet, dass zum Messen des kostbarsten Guts der Menschen ein Milliardstel PS völlig ausreicht.​

Explosionszeichnung eines Handaufzugswerks

Weniger als 100 Teile braucht es für ein zuverlässiges Handaufzugswerk

Der dafür nötige Kraftstoff lässt sich sozusagen im Handumdrehen ohne negative Auswirkungen auf die Umwelt erzeugen. Beim manuellen Aufzug von Armbanduhren scheiden sich die Geister. Manche lehnen ihn im Automatik-Zeitalter konsequent ab, andere lieben es, nach dem Aufwachen zu ihrer Armbanduhr greifen und lrdiglich durch ein paar Drehungen an der Krone Energie für 24 Stunden oder mehr erzeugen zu können.

Nomus Uhr Gesellschaft der Jahre 1906 bis 1910

Von 1906 bis 1910 existierte in Glashütte die Nomos-Uhr-Gesellschaft

Glashütter Signatur mit Vergangenheit

Zu den unbestrittenen Handaufzugs-Klassikern unserer Tage gehört jene puristische Nomos Tangente, welche 2022 ihren 30. Geburtstag feiern kann. Von kosmopolitischem Charme war Glashütte nach dem Fall der Deutschland jahrzehntelang trennenden Mauer weit entfernt. Daran hat in den anschließenden Jahren auch die Entwicklung zum Uhrenmekka nichts geändert. Weil West-Fernsehen nicht zu empfangen war, bezeichnete man das das Müglitztal, in dem die sächsische Kleinstadt liegt, sogar als „Tal der Ahnungslosen“. Genau dort bescherte Roland Schwertner 1991 der so genannten Piratenmarke Nomos Glashütte eine Renaissance.​

 

Nomos Gründer Roland Schwerter im Jahr 1992

Rolad Schwertner knüpfte 1991 ans Erbe der Nomos Uhr-Gesellschaft

Besagter Name reicht zurück bis ins Jahr 1906, als Clemens Guido Müller und sein Schwager Karl Nierbauer einen Import und Vertrieb Schweizer Uhren mit der imageträchtigen Zusatz-Signatur Glashütte starteten. Weil das dem alteingesessenen Uhr-Establishment überhaupt nicht passte, erhob es Klage. 1910 endete das erste Kapitel der Nomos-Biographie mit einem Vergleich.

 

Entwürfe für die Marke Nomos von Michael Margos für Nomos und die erste Nomos Tangente von 1992

Der nicht leichte Weg zum passenden Logo: Entwürfe von Michael Margos für Nomos. Die erste Tangente von 1992

Trotz holpriger Anfänge zum Erfolg

Mit ähnlichen Problemen musste anfangs auch der EDV-Spezialist Schwertner kämpfen. Gleichwohl entwickelte sich die optisch auf das unabdingbar Notwendige reduzierte Tangente ab 1992 zu einer Art Nomos-Synonym. Gestalterisch huldigt die Ikone dem 1922 formulierten Postulat des Bauhaus-Gründers Walter Gropius: „Kunst und Technik, eine neue Einheit“. Sie basiert auf einem Entwurf der Designerin Susanne Günther, welche sich ihrerseits an einer ähnlichen Armbanduhr aus den 1930er-Jahren orientiert hatte.​

 

Erste Nomos Tangente nach dem Entwurf von Susanne Guenther (C) Uhrenkosmos

Susanne Günther verdankt Nomos das Design der klassischen Tangente

Unzählige Auszeichnungen und schätzungsweise mehr als 35.000 verkaufte Nomos Tangente Exemplare belegen, dass alle Beteiligten irgendwie richtig lagen. Natürlich brauchte es für die tickende Debütantin ein passendes Uhrwerk. Nicht zu groß und nicht zu dick. Aber so etwas gab es in Sachsen nicht. Hingegen hatte die Schweizer Eta das 1971 lancierte und im Zuge der Quarz-Revolution vorübergehend eingestellte Peseux 7001 wieder im Programm. Für dessen Zuverlässigkeit sprach allein schon die Tatsache, dass das vom 10½-linigen Handaufzugswerk mit 23,3 mm Durchmesser und 2,5 mm Höhe bis dahin mehr als 2,2 Millionen Stück entstanden waren. Den intendierten Hauch Nostalgie brachte der kleine Sekundenzeiger bei „6” mit sich.​

Tangente Uhr mit dem Kaliber Peseux 7001

Millionenfach bewährte Handaufzugsmechanik in Gestalt des Kalibers Peseux 7001 beseelte anfangs die Nomos Tangente

Evolution mit manuellem Aufzug

Mit dem spontan einsetzenden Erfolg der 36 Millimeter messenden und für umgerechnet rund 500 Euro wohlfeilen Edelstahl-Tangente wuchsen verständlicher Weise auch die Ansprüche. Der eidgenössischen Standardware überdrüssig, entwickelte Nomos unter der Bezeichnung 1 T eine aufgewertete Version. Zu ihren Kennzeichen gehörten unter anderem matt vergoldete Platine, Brücke und Kloben. Aus unvernickeltem Stahl fertigte das sächsische Start-up die Schrauben. Als Zeichen ausgeprägter Liebe zum Detail präsentierten sich u.a. Kanten-Anglierung, Sonnenschliff auf Sperr- und Kronrad sowie Triovis-Feinregulierung. Eine spezielle Zugfeder für etwa 43 Stunden Gangautonomie rundete das Modifikationen-Spektrum ab.

 

Nomos Tangente Kaliber Peseux 7001 und 1T C Uhrenkosmos

Nomos Tangente Kaliber Peseux 7001 und 1 T

Der aus 99 Komponenten assemblierten Version 1 TS war auch ein Unruhstopp zu Eigen. Nach und nach folgten weitere Evolutionsstufen. 2001 ging das 1 TSD mit digitalem Fensterdatum auf separater Kadratur an den Start. 2003 brachte das in zwei Varianten hergestellte 1 TSP mit Glashütter Dreiviertelplatine. Sein Kronrad wurde entweder mit einer zentralen Schraube befestigt oder in Analogie zum alten Peseux 7001 von zwei Schrauben gehalten.

Tangente Kaliber TSC und TSP

Nomos Tangente Handaufzugskaliber TSD und TSP

2004 stand im Zeichen des 1 TS Super 30, welches neben einer individuellen Nummer erstmals den griechischen Buchstaben α für Alpha auf der nun von Nomos selbst gefertigten Platine trug. Ab dem Folgejahr 2005 glänzte Nomos durch die eigenständige Fertigung des gesamten Gestells inklusive der signifikanten Glashütter Dreiviertelplatine.

Montage bei Nomos in Glashütte im Jahr 1993

Blick zurück in die Anfangs-Periode: Montage der Nomos Tangente

Das seitdem erhältliche Einsteigerkaliber mit weiterhin drei Hertz Unruhfrequenz machte Nomos Glashütte endgültig zu einer Uhrenmanufaktur, die den Namen in jeder Hinsicht verdient. Mehr dazu findet sich hier im Uhrenkosmos.

 

Nomos Tangente

Mit Saphirglas-Sichtboden und dem Manufaktur-Handaufzugskaliber Alpha kostet die aktuelle Nomos Tangente, Referenz 139, unverbindliche 1.660 Euro

Nomos Tangente

Natürlich ging mit besagter Mechanik-Aufwertung auch eine Anpassung der Publikumspreise einher. Aktuell kostet die bis drei bar wasserdichte Nomos Tangente 101 mit 35 Millimetern Gehäusedurchmesser 1.460 Euro. Wer das feine Manufakturkaliber Alpha durch einen Saphirglas-Sichtboden betrachten möchte, bekommt für 1.660 Euro die Referenz 139. Das Schöne daran: Am fortentwickelten Innenleben erfreuen sich primär die glücklichen Besitzerinnen und Besitzer.​

 

Prüfung der Ganggenauigkeit im Jahr 1993

Nomos Tangente 1992. Heute schaut diese Armbanduhr gleich aus. Die Regulierung erfolgt jedoch in sechs Lagen.

Der Auftritt des weiterhin bezahlbaren Glashütter Klassikers am Handgelenk, also die Optik von Zifferblatt, Zeigern und Gehäuseform hat sich nämlich im Laufe von 30 Jahren nicht geändert. Die Nomos Tangente blieb und bleibt sich treu. Und sie wird es auch in den kommenden Jahren tun. Wer Nomos und die dort Verantwortlichen kennt, weiß um das dortige Traditionsbewusstsein.

Handaufzugs-Tangente Preisentwicklung von 1993 bis 2021

Für den mittlerweile fast dreifachen Preis gibt es bei Nomos inzwischen auch deutlich mehr Tangente. In der Referenz 101 für 1.460 Euro versteckt sich das Manufaktur-Handaufzugskaliber Alpha. Der Gehäuseboden aus Edelstahl besitzt nämlich kein Guckloch.

Glückskauf 2020

Vollends glücklich kann und darf sich schätzen, wer 2020 eine der auf dreimal 175 Exemplare limitierten Nomos Lambda 175 Jahre Uhrmacherei Glashütte, Referenz 960.S1, 960.S1 oder 960.S1 mit Stahlgehäuse und dem Handaufzugskaliber DUW 1001 für 5.800 Euro erworben hat. Der Uhrenkosmos berichtete ausführlich darüber.​

 

Nomos Lambda 175 Jahre Kaliber DUW 1001

Ausverkauft und inzwischen deutlich mehr wert: Nomos Lambda 175 Jahre Glashütter Uhrmacherkunst, Kaliber DUW 1001. Drei Versionen mit weißem, schwarzem oder blauem Zifferblatt. Damaliger Preis 5.800 Euro. Heute zahlt man rund 2.000 Euro mehr.

Innerhalb eines Jahres kletterte der Parallelmarkt-Preis für diese Armbanduhr auf mehr als 7.500 Euro. Aktuell steigt die Kurve sogar noch weiter nach oben. Trotzdem ist das Angebot beispielsweise auf Chrono24 extrem niedrig. Die Käuferinnen und Käufer wissen, dass sie viel Wert für ihr Geld bekommen haben.

Nomos Lambda 175 Jahre eBay Kleinanzeigen

Verkauft bei eBay Kleinanzeigen über dem ursprünglichen Ladenpreis: Nomos Lambda Edelstahl 175 Jahre Glashütter Uhrmacherkunst

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