Jede Abweichung von der exakten Unruh‑Frequenz ist eine Ungenauigkeit und bewirkt letztendlich, dass die Uhr nicht genau geht. Die Kunst der Uhrmacher beim Regulieren oder Feinstellen eines Uhrwerks besteht also darin, dessen Gang möglichst konstant zu halten. Dem stehen zum einen größere Temperaturschwankungen entgegen, weil sie das Elastizitätsmodul einer Stahl‑Spiralfeder verändern. Steigende Temperaturen verursachen ein Nachgehen, sinkende hingegen ein Vorgehen der Uhr. Diese Temperaturfehler auszuschalten, war von jeher eine wesentliche Zielsetzung in der Präzisionsuhrmacherei und gleiche Vorgabe gilt auch für die Patek Philippe Gyromax Unruh.
Bereits vor mehr als 200 Jahren wurde zu diesem Zweck der bimetallische Kompensations‑Unruhreif erfunden. Die metallurgischen Forschungen des Schweizer Physikers Charles‑Edouard Guillaume führten im Jahre 1919 zur autokompensierenden Spiralfeder aus einer Nickel‑Stahl‑Legierung. Sie machte die aufwendig aus zwei unterschiedlichen Metallreifen zusammengelötete Kompensationsunruh überflüssig. Ab 1933 war schließlich die aus mehreren Metallen legierte Nivarox Spiralfeder verfügbar. Neben einer vorzüglichen Temperaturkompensation besaß sie auch gute antimagnetische Eigenschaften.
In Verbindung mit dem 1935 eingeführten monometallischen Glucydur Unruhreif aus gehärteter Berylliumbronze stellt die Nivarox Spirale ein beinahe ideales Regulierorgan dar, das in guten mechanischen Armbanduhren bis in die Gegenwart Verwendung findet und bei entsprechender sauberer Ausführung des Uhrwerks zu einer hohen Ganggenauigkeit führt.
Manchmal ist weniger mehr
Bei den meisten Armbanduhren werden Gangkorrekturen durch Verschieben des sogenannten Rückers vorgenommen. Dabei verändert sich die aktive Länge der Spiralfeder. Ferner kann bei Schraubenunruhn das Trägheitsmoment mit Hilfe der Masseschrauben gesteigert oder verringert werden. Gegen 1950 erkannten die Patek Philippe-Uhrmacher, dass bei einer neuen Glucydur‑Unruh die Eliminierung der radial eingesetzten Masse‑ und Regulierschrauben eine Vergrößerung des Radius und damit eine Erhöhung des Trägheitsmoments der Unruh bei annähernd gleichem Gewicht bewirken würde ‑ mit der Folge besserer Gangleistungen. Mit Elan machten sie sich an eine Umkonstruktion der im Prinzip jahrhundertelang nahezu unverändert benützten Schraubenunruh.
Gyromax Unruh
Am 31.12.1951 war es dann soweit und ihre neue Gyromax Unruh erlangte patentrechtlichen Schutz. Bei dieser Unruh wurden acht scheibenförmige und geschlitzte Regulierelemente auf axial am Unruhreif angeordneten Stiften drehbar gelagert. Diese interessante Entwicklung findet man auch heute noch in den mechanischen Patek Philippe-Uhren. Damit gehörte der altbekannte Rückermechanismus samt eleganter Schwanenhals-Feinreguliervorrichtung bei Patek Philippe endgültig der Vergangenheit an.
Ganz schön genau
Die hohe Genauigkeit guter mechanischer Armbanduhren belegt folgendes Rechenexempel: Eine Uhr mit einer täglichen Gangabweichung von 30 Sekunden wird von vielen Menschen als ungenau bezeichnet. Bezogen auf die 86.400 Sekunden eines Tages ergibt sich freilich eine Fehlerquote von nur 0,035 % oder ein Genauigkeitsgrad von 99,965 Prozent. Diese Leistung ist an sich schon äußerst respektabel. Uhren von Patek Philippe leisten jedoch nicht zuletzt dank Gyromax‑ Unruh in aller Regel eine noch höhere Präzision.
Doppelt genäht hält bekanntlich jedoch besser. Deshalb besitzt die abgebildetete Patek Philippe mit dem Kaliber 10″-200 neben der damals neuen Gyromax-Unruh noch den altbekannten Rückerzeiger samt eleganter Schwanenhals-Feinregulierung. So entstanden während einer Übergangszeit bei Patek Philippe nämlich recht liebenswürdige Zwitter.
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