Gut Ding braucht Weile
Nach und nach werden 2 verschiedene Armbanduhren der Grand Seiko Heritage Collection Calibre 9S 25th Anniversary Limited Edition lanciert. Auf deren nähere Details werden wir im weiteren Verlauf noch näher eingehen. Die illustren Jubiläumsmodelle bieten allerdings Anlass genug, zunächst einige Gedanken der Grand Seiko Manufaktur, ihrer Genese, ihrer Produkte und ihrem Status in der Alten Welt zu widmen.
Beim Verfassen dieser Zeilen kommt mir ein renommierter Schweizer Uhren-CEO in den Sinn. Obwohl er sich mittlerweile im Ruhestand befindet, möchte er seinen Namen in dieser Geschichte aber nicht lesen. Was er mir 2010 im Vertrauen sagte, erstaunte mich kurz, verwundert jedoch nicht wirklich.
Und damit kommen wird zu einem grundsätzlichen Problem rund um Grand Seiko: In der Uhr-Schweiz, aber auch in Ländern drumherum hält sich die Wertschätzung der Highend-Produkte japanischer Uhrmacherkunst teilweise noch in überschaubaren Grenzen. Einen Grund dafür hat das Traditionsunternehmen inzwischen glücklicher Weise aus der Welt geschafft. Gemeint ist die jahrzehntelang betriebene Verwässerung der Marken Seiko und Grand Seiko durch die Verwendung beider Signaturen auf einem Zifferblatt.
Unkundige fiel es somit schwer, die durchaus beträchtlichen Preisunterschiede zwischen einer normalen Seiko guter Qualität und der hinsichtlich des uhrmacherischen Anspruchs inklusive zertifizierter Ganggenauigkeit weit davon entfernten Grand Seiko richtig einzuordnen. Obwohl beide Erzeugnisse letzten Endes aus dem gleichen Hause kommen, trennen sie schlicht und einfach Welten.
Inzwischen agiert Grand Seiko zwar ganz bewusst als eigenständige Marke mit eigenem Management, aber in vielen Köpfen uhr-affiner Zeit-Genossen fehlt weiterhin das entsprechende Bewusstsein. Dieser Sachverhalt mag auch darin begründet sein, dass Grand Seiko u.a. auch wegen der geringen Stückzahlen bis 2014, also 54 Jahre lang in Europa gar nicht zu haben war. Den dringend gebotenen Wandel brachte erst 2015.
25 Jahre Kaliberfamilie Grand Seiko 9S
Lanciert am 18. Dezember 1960 in Tokio, wandte sich das schliche erste Grand Seiko-Modell mit dem Handaufzugskaliber 3180, dem Zifferblattaufdruck Chronometer und vergoldeter Schale ausschließlich an bessergestellte Japaner. Der Preis von 25.000 Yen entsprach seinerzeit zwei Monatsgehältern eines akademisch gebildeten Arbeitnehmers. Ausnahmslos alle Uhren mussten bessere Gangresultate aufweisen als von der Schweizer Chronometerprüfstelle COSC vorgegeben.
Am Anfang der tickenden Wiedergeburt stand das Automatikkaliber 9S5 in den Versionen 9S55 mit und 9S51 ohne Fensterdatum. Dabei handelte es sich um neue Uhrwerke mit beidseitig wirkendem Kugellagerrotor, Sekundenstopp, vier Hertz Unruhfrequenz und Fensterdatum, bei deren Entwicklung Grafikcomputer eine tragende Rolle spielten. Als konstruktive Basis diente das Kaliber 4S35, welches damals das erste moderne Highend-Produkt des Hauses Seiko repräsentierte. Bei 28,4 Millimetern Durchmesser betrug die Bauhöhe 5,3 Millimeter.
2001 gesellte sich das datumslose 9S54 mit manuellem Aufzug hinzu, 2002 das 9S56 Automatik ohne Datum jedoch mit GMT-Funktion. Eine Evolutionsstufe verkörperten ab 2006 die unterschiedlichen Ausführungen des Kalibers 9S6 mit 72 Stunden Gangautonomie. 2010 endete der Lebenszyklus des 9S5x.
Mehr zu den folgenden und aktuellen Mitgliedern der Grand Seiko Kaliberfamilie 9S samt Details und Fotos findet sich hier im Uhrenkosmos. Dort lässt sich auch nachlesen, wo und wie die Grand Seiko Armbanduhren heute immer noch in relativ kleinen Quantitäten entstehen. Technisch und preislich steht Grand Seiko im Wettbewerb mit Omega und Rolex. Während die beiden Schweizer Marken per annum eine Million Uhren oder mehr produzieren, dürften das Grand Seiko Studio Shizukuishi(das Studio in Morioka stellen wir hier vor) im gleichen Zeitraum schätzungsweise 25.000 Zeitmesser verlassen. Exklusivität ist also garantiert.
Grand Seiko Heritage Collection Calibre 9S 25th Anniversary
Connaisseurs, welche die beiden Modelle der 2023-er Geburtstags-Edition genau betrachten, werden sehr schnell feststellen, dass die Gehäuse sozusagen Klone jener aus dem Jahr 1998 sind. Schon damals inspirierte der bei klarem Wetter von Morioka auch sichtbare Mount Iwate die Produktgestalter bei Grand Seiko. Zu ihnen gehörte Chefdesigner Nobuhiro Kosugi, dem schlichter Auftritt und unbedingte Alltagstauglichkeit gepaart mit handwerklicher Perfektion sehr am Herzen lagen.
Eben jene Verschmelzung von optischer Anmut und Understatement, von uhrmacherischer Exzellenz ohne jegliche Show-Off-Attitüde kennzeichnet auch die beiden Retro-Newcomer. Zwei Referenzen offeriert die Grand Seiko Heritage Kollektion Kaliber 9S 25th Anniversary Limited Edition: SBGH311 und SBGR325. Das Duo unterscheidet sich einmal durchs Zifferblatt und dann auch durch das im Gehäuseinneren verbaute Uhrwerk.
Kaliber 9S 25th Anniversary Limited Edition Referenz SBGH311
Inspiriert vom Wolkenmeer des Mt. Iwate bei Tagesanbruch präsentieren sich die 1.200 Exemplare der für 7.200 Euro erhältlichen Referenz SBGH311. Ihr fein gemustertes Zifferblatt tritt aus jedem Blickwinkel subtil anders in Erscheinung. Hinter dem Sichtboden in der bis zu zehn bar druckdichten Edelstahlschale mit 37 Millimeter Durchmesser und 13,3 Millimeter Gesamthöhe zeigt sich das Schnellschwinger-Kaliber Kaliber 9S85. Stündlich vollzieht seine Unruh 36.000 Halbschwingungen. Und das 55 Stunden lang nach Vollaufzug durch die speziell gestaltete Titanschwungmasse mit integriertem Grand Seiko-Emblem.
Kaliber 9S 25th Anniversary Limited Edition Referenz SBGR325
Erst ab April 2023 lässt sich die ebenfalls auf 1.200 Exemplare limitierte Grand Seiko Referenz SBGR325 in den Grand Seiko Boutiquen sowie bei ausgesuchten Fachhändlern für 5.800 Euro erwerben. Das blaue Sonnenschliff-Zifferblatt bringt den Himmel über dem japanischen Berg Iwate ans Handgelenk. Blau angelassen ist einmal mehr der mittig drehende Sekundenzeiger.
Im 37-Millimeter-Stahlgehäuse tickt in diesem Fall das Grand Seiko Automatikkaliber 9S65 mit drei Tagen oder 72 Stunden Gangautonomie. Der Gangregler vollzieht jede Stunde 28.800 Halbschwingungen. Keinen Unterschied gibt es beim Kugellagerrotor. Seine blaue Farbe entsteht ebenfalls durch ein anodisches Oxidationsverfahren. Gleich sind des Weiteren die stählerne Sichtboden-Schale, das Gliederband mit Faltschließe, das bombierte Saphirglas sowie die mittlere Ganggenauigkeit im täglichen Spektrum von minus drei bis plus fünf Sekunden. Das ist jeweils eine Sekunde weniger, als die COSC toleriert.
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