Genese der Wiener Uhrmacherkunst
Bislang fokussierten sich die Aktivitäten von Robert Punkenhofer und seinem kleinen Team auf Armbanduhren mit Namen Waltz. Über die wiederbelebte Uhrenmarke Carl Suchy & Söhne hat der Uhrenkosmos an dieser Stelle ja bereits ausgiebig berichtet. Mit Blick auf die bald 200-jährige Geschichte gibt es mit der Carl Suchy & Söhne Table Waltz Tischuhr nun jedoch eine spannende Neuheit, die für den einstigen Firmengründer Carl Suchy ein wichtiges Thema war. Schließlich richtete er ab 1822 sein Augenmerk ganz zeitgemäß auf den Verkauf von Taschen- und Großuhren.
Bis 1451 reicht sie übrigens zurück, die Geschichte des Wiener Uhrmacherhandwerks. In besagtem Jahr rief Kaiser Friedrich III. eine erste Zunftordnung aus, in der die Uhrmacherei als eigenständiges Handwerk Erwähnung findet. 1596 fand diese ihre Bestätigung durch Kaiser Rudolf II. Auch sein Nachfolger, der Kaiser Mathias schloss sich dem an. In ganz besonderer Weise förderte Joseph II. (1741 – 1790) die Herstellung von Sackuhren und Komponenten für Zeitmesser. Dem Sohn Maria-Theresias ist ferner die Übersiedlung der Genfer Uhrmacherkolonie nach Wien zu verdanken. Während der Französischen Revolution war diese ins damals noch österreichische Konstanz geflüchtet.
Der „nützliche Kaiser“ gestand den Uhrmachern zahlreiche Privilegien zu. Außerdem offerierte er in Gestalt des Piaristenhauses ein Gebäude zur Unterbringung der Arbeiterschaft. Auf Staatskosten erfolgte auch die Einrichtung der nötigen Werkstatt. Zollfrei nach Österreich eingeführt werden durften Werkzeuge und andere Handseligkeiten der Uhrmacher. Der aufgeschlossene Regent subventionierte die Übersiedlungskosten und gewährte zinslose Kredite. Diese Aktivitäten rund um die Schweizer Kolonisten führten u.a. zur Gründung der Uhrenfabrik Frère Genthon mit Niederlassungen auch in Budapest und Prag.
Großuhren aus der Hauptstadt
Als Carl Suchy 1822 an den Start ging, zählte Wien 40 bürgerliche und 108 befugte Kleinuhrmacher sowie 80 bürgerliche und 24 befugte Großuhrmacher. Deren Aktivitäten inklusive des Handels mit anderen Ländern stuften die Behörden als „erheblich“ ein.
Durch arbeitsteilige und ökonomisch ausgerichtete Vorgehensweise leistete besagte Uhrmacherkolonie wichtige Grundlagenarbeit für das heimische Gewerbe. Daraus entwickelte sich ab der Mitte des 19. Jahrhunderts die Kompetenz, qualitativ hochwertige und ganggenaue Uhrwerke konstruieren und herstellen zu können. Die zeitmessende Mechanik Wiener Provenienz musste keinen Vergleich mit den internationalen Mitbewerbern scheuen.
Bei Carl Suchy & Söhne umfasste der illustre Kundenkreis hochgestellte Persönlichkeiten wie Kaiser Franz-Joseph I. und dessen Gemahlin Elisabeth, genannt Sisi. Auch Sigmund Freud oder auch Adolf Loos kauften dort Uhren ein. 1902 gestaltete der durchaus umstrittene Wiener Architekt eine Tischuhr mit Kupfer- und Messinggehäuse. Wer das Uhrwerk beisteuerte, ist nicht bekannt. Es könnte aber durchaus sein, dass Carl Suchy & Söhne als Lieferanten fungierten.
In dieser Ära entwarfen auch andere Architekten wie Hans Prutscher und Joseph Urban Wohnraumuhren für ihre Auftraggeber. Deren optischer Auftritt entsprach dem von der 1897 gegründeten Wiener Secession beeinflussten Stil.
Im Gegensatz dazu suchte Carl Suchy & Söhne das geschäftliche Heil wohl eher in den deutlich populäreren Regulatoren mit teilweise recht schwülstigen Holzgehäusen.
Tischuhren
Bekanntlich endete die Geschichte dieser Wiener Traditionsfirma in der Epoche des Ersten Weltkriegs. Knapp 100 Jahre später belebt nun Carl Suchy & Söhne die hohe Kunst edler Tischuhren aufs Neue.
Carl Suchy & Söhne Table Waltz
Optisch geschieht das bei der Table Waltz allerdings nicht in überlieferter Weise, sondern ausgerichtet an einem sachlichen Stil unserer Tage. Für den beindruckenden Auftritt auf einer wie auch immer gearteten Tanzbühne zeichnet der mittlerweile in Wien ansässige Industriedesigner Rainer Mutsch verantwortlich.
An die uhrmacherische Vergangenheit von Carl Suchy & Söhne knüpft das Innenleben des rund drei Kilogramm schweren Zeitmessers. Das während zwei Jahren entwickelte Stabwerk mit sieben Tagen Gangautonomie stammt von Therese Wibmer. Bei der Wiener Uhrmachermeisterin ist der Apfel nicht weit vom Stamm gefallen, denn ihr Vater ist kein Geringerer als der Österreicher Peter Wibmer, Mitglied der angesehenen Akademie unabhängiger Uhrenkreateure (AHCI).
Das passgenau angefertigte Uhrwerk verfügt über ein so genanntes Echappement mit Ankerhemmung. Die Schraubenunruh oszillierte senkrecht mit 2,5 Hertz. Manuell erfolgt der Energienachschub im Wochentakt. Damit im Eifer des Aufzugs-Gefechts die Zugfeder nicht abreißt, gibt es einen Schleppzaum, wie man ihn von Automatik-Armbanduhren kennt. Ab einem bestimmten Drehmoment rutscht das äußere Ende des metallenen Speichers an der inneren Wandung des Federhauses.
Als kleine Komplikation bietet das Uhrwerk auch einen, selbstverständlich abschaltbaren, Stundenschlag auf einer Glocke aus massivem Silber. Aus Messing fertigt Therese Wibmer die massiven Platinen und die durchbrochen gestalteten Zahnräder. In guter alter Tradition sind die Stahlschrauben gebläut.
Schutz bietet ein schnörkelloses, mit Nickel veredeltes Gehäuse in den Dimensionen 25,5 x 14,5 x 8,5 (Tiefe) Zentimeter. Auch bei den manuell gravierten Gläsern vorne und hinten kommt gute alte Wiener Handwerkskunst zur Anwendung. 1823, also ein Jahr nach Carl Suchy & Söhne schlug die Geburtsstunde von J. & L. Lobmeyr.
Weil Vorzügliches auch im 21. Jahrhundert selten ist, wird es von der Table Waltz lediglich zehn Stück geben. Ab Ende des dritten Quartals 2021 liefert Carl Suchy & Söhne die ersten drei Exemplare. Jedes davon kostet 27.700 Euro. Dieser Preis gilt auch für die restlichen sieben Tischuhren.
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