Zentral- oder Mikrorotor, das ist hier die Frage
Zum Wesen mechanischer Uhrwerke gehört Bewegung. Nicht ohne Grund heißen sie in der englischen Sprache Movement. Auf Kaliber mit Selbstaufzug wie etwa die Gucci 25H Automatik trifft diese Aussage in besonderer Weise zu. Dabei spielt die Gestaltung jenes Bauteils, welches die kinetische Energie des Handgelenks in ein Energiepotenzial zum Antrieb des Räderwerks umformt, eine wichtige Rolle. Über die ideale Form, Ausprägung, Lagerung und Positionierung der unverzichtbaren Schwungmasse diskutieren Uhrmacher schon seit der Erfindung des automatischen Aufzugs. Nichts zu rütteln gibt es am Faktum, dass die Schwerkraft nur in nicht waagrechter Lage eines Zeitmessers wirken kann. Unbegrenzt drehende Zentralrotoren sind seit Abraham-Louis Perrelet und dem späten 18. Jahrhundert bekannt.
Dank Rolex fanden sie 1931 auch ans Handgelenk. Zu scheiden begannen sich die Geister in den frühen 1950-er Jahren, als Kunden immer öfter nach flacheren Automatik-Armbanduhren verlangten. Überlieferten Zentralrotor-Konstruktionen widersetzten sich dem Bemühen geringere Bauhöhe. Weniger als 5,5 Millimeter erschien Fachleuten anfangs kaum realisierbar. Folglich verlangte ein sichtbares Weniger nach unkonventionellen, aus technischer Sicht sogar widersinnigen Lösungen.
1954 präsentierte die Uhrenmanufaktur Büren Watch ihren patentierten Mikrorotor. Drei Jahre später folgten die ersten mit dem 4,4 mm messenden Kaliber 1000 ausgestatteten Uhren. Möglicher Weise neidische Mitbewerber verwiesen auf die theoretischen Grundlagen, wonach das Drehmoment eines Rotors mit der dritten Potenz seines Radius ansteigt. Damit bemängelten sein die in die Werksebene integrierte Schwungmasse. Bewusst oder unbewusst unerwähnt blieb die Tatsache, dass die kleine Schwungmasse dicker ausfallen kann als der übliche Zentralrotor. Außerdem dreht sie mit weniger Verlusten. Unerwünschte Schwingungen erfahren eine rasche Dämpfung durch die Zugfeder.
Gleichwohl sind Mikrorotor-Kaliber weiterhin eher eine Ausnahme als die Regel. Aber nach Büren bewiesen und beweisen u.a. auch Universal Genève, Piaget, Patek Philippe, L.U. Chopard, Parmigiani Fleurier, Panerai oder Bulgari die Tatsache, dass klein beim Aufziehen nicht unbedingt weniger effizient sein muss.
Gucci 25H
Neuester Repräsentant der Spezies Mikrorotor-Automatik ist Gucci. 2021 steigen die Italiener in die Liga der Marken mit exklusiven Uhrwerken auf. Bekanntlich gehört das hochrangige Modelabel zum international agierenden Kering-Konzern. Unter dessen Dach sind die auch traditionsreichen Mechanik-Spezialisten Girard-Perregaux und Ulysse Nardin angesiedelt. Beide besitzen in La Chaux-de-Fonds Entwicklungs- und Fertigungskompetenz für hochrangige mechanische Uhrwerke. Daher steht zu vermuten, dass das 30 Millimeter große und 3.7 Millimeter hoch bauende Automatikkaliber GG727.25.A von einer der beiden Schwestern stammt. Der Uhrenkosmos tippt in diesem Zusammenhang auf Ulysse Nardin.
Ein Federhaus besitzt der flache aber nicht ultraflache Mikrokosmos. Selbiges speichert Energie für rund 60 Stunden Gangautonomie. Stündlich 21.600 Halbschwingungen vollzieht die Unruh mit variabler Trägheit. Und das entspricht drei Hertz. Für akkuraten Rückschwung sorgt eine flache Unruhspirale. Zwei Zeiger stellen die Stunden und Minuten dar. Eine Datumsindikation ist mit Blick auf die angestrebte flache Bauweise nicht vorhanden.
Gucci verbaut dieses Uhrwerk in einem dreiteiligen Sichtboden-Gehäuse aus Edelstahl. Sein Durchmesser beträgt 40 Millimeter. Am Handgelenk trägt der Zeitmesser mit integriertem Gliederband 7,2 Millimeter auf. Bis zu drei bar Druck reicht die Wasserdichte.
Zu haben ist diese neue, 25H getaufte Armbanduhr mit gestalterischen Wurzeln in Italien für 8.200 Euro. Gucci bietet sie nur in den eigenen Boutiquen an. Auf diese Weise lassen sich Parallelmarkt-Aktivitäten besser kontrollieren.
Für 10.500 Euro gibt es auch eine 25H-Version mit 82 Diamanten im Brillantschliff.
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Gucci 25H Tourbillon
Wer noch tiefer in die Taschen greifen will und kann, kommt beim Gucci 25H Tourbillon auf seine Kosten. Hier misst und bewahrt das Mikrorotor-Kaliber GG727.25.T die Zeit.
Der Drehgang ist „fliegend“, sprich nur rückwärtig gelagert ausgeführt. Nachdem die ebenfalls mit drei Hertz tickende Konstruktion zur Kompensation negativer Schwerkrafteinflüsse etwas höher baut, misst das Gehäuse acht Millimeter. Der Durchmesser ist gleich. Ebenfalls bei rund 60 Stunden liegt die Gangautonomie.
Die Version in massivem Gelbgold schlägt mit 120.000 Euro zu Buche.
50.000 Euro mehr, also 170.000 Euro muss man in einer Gucci-Boutique für das Platin-Tourbillon mit fünfreihigem Gliederband bezahlen.
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