Armbanduhren mit römischen Wurzeln
Die Bulgari Octo Finissimo hat es zunächst nicht leicht. Denn quasi spontan weckt der Name Bulgari Assoziationen an hochrangige römische Juwelierskunst, Accessoires und berauschende Düfte. Uhrmacherei der Extraklasse kommt hingegen erst danach in den Sinn. Und genau das wird den Italienern mit eidgenössischem Zeit-Standbein keineswegs gerecht. Schließlich prangen die sieben markanten Buchstaben schon seit den 1930-er Jahren auf Uhren-Zifferblättern. Erste Damenarmbanduhren mit flexiblem Schlangenband gelangten im anschließenden Jahrzehnt auf den Markt.
Prägende und dadurch auch entscheidende Schritte in die chronometrische Zukunft erfolgten 1975 zunächst mit der „Bulgari Roma“. Zwei Jahre später folgte die „Bulgari-Bulgari„. Rasch einsetzende Erfolge führten 1980 zur Gründung der Bulgari Time S.A. in Neuchâtel. 2000 gelangten mit Daniel Roth und Gérald Genta zwei kompetente, im abgeschiedenen Vallée de Joux beheimatete Spezialisten für komplexe mechanische Uhrwerke unter das Dach der Bulgari-Gruppe. Apropos Gérald Genta: Vom 2011 verstorbenen Design-Guru mit italienischen Wurzeln stammen die Entwürfe zu besagter „Bulgari-Bulgari“.
In den 1980-er Jahren kreierte er mit der „Octo“ getauften Armbanduhr einen achteckigen, von der römischen Maxentiusbasilika inspirierten Klassiker nach dem von Genta gepflegten, zweifellos bewährten und daher erfolgreichen Motto klarer, unprätentiöser Linienführung.
In dieser Zeit war es ein Phänomen, Uhren zu kreieren, die an das Handgelenk angepasst und gleichzeitig angenehm zu tragen waren. Meine Entwürfe weisen stets sehr fließende, ästhetische Linien auf und sind für die menschliche Anatomie maßgeschneidert. Mein typisches Achteck ist kein Oktogon mit geraden, sondern eines mit anatomischen Linien.
Bulgaris Ultraflache Superlative OCto
Dem von Gérald Genta zu Lebzeiten postulierten Credo folgt seit 2014 die Uhrenlinie „Octo Finissimo“. Der Beiname symbolisiert nicht nur einen besonders flachen Auftritt am Handgelenk, sondern auch jede Menge uhrmacherische Kompetenz. Diese wiederum bringt macht Bulgari zunehmend in die Köpfe anspruchsvoller Männer.
„Octo Finissimo“ steht nämlich nicht nur für ultraflache Eleganz mit ausgeprägtem sportlichen Touch, sondern auch für hochrangige mechanische Komplikationen. In diesem Sinne beginnt die „Finissimo“-Biographie auch mit dem nur 1,95 Millimeter hoch bauenden Tourbillon-Kaliber BVL 268. Bei diesem Superlativ sorgt eine peripher drehende Schwungmasse für selbsttätigen Energienachschub. Auf Wunsch klangvoll präsentiert sich die Minutenrepetition mit dem 3,12 Millimeter flachen, aus 362 Teilen assemblierten Handaufzugskaliber BVL 363.
Als zeitschreibender Hauch betrat 2019 das Chronographenkaliber BVL 318 die Bühne der Zeitmesskunst. Das Automatikwerk mit Außenrotor, 55 Stunden Gangautonomie, Schaltradsteuerung und Zeitzonendispositiv misst 3,3 Millimeter hoch. Ergo kann man auch hier mit Fug und Recht von einem Weltrekord sprechen.
Weltrekord mit Mikrorotor
Einen solchen brachte für Bulgari auch das Jahr 2017. Erneut ultraflach, diesmal jedoch ohne Zusatzfunktion. Obwohl, und das gilt es bei dieser Gelegenheit zu konstatieren, besonders kleine oder flache Bauweise an sich schon eine Komplikation verkörpert. Mit jedem Zehntelmillimeter weniger sinken nämlich die Toleranzen. Und damit steigt der uhrmacherische Anspruch auch ohne komplexe Zusatzfunktion. Der technische Hintergrund des Automatikkalibers Bulgari BVL 138, von dem hier die Rede ist, reicht zurück bis in die 1950-er Jahre. Damals boten konventionelle Konstruktionen, bei denen die Schwungmasse über der ganzen Werksfläche dreht, so gut wie keinen Spielraum in Richtung flacher Bauweise. Bei 5,5 Millimetern Höhe endeten die uhrmacherischen Möglichkeiten.
Einen bemerkenswerten, wenn auch mehrfach gescholtenen Ausweg zeigte die Büren Watch SA im Juli 1954 mit dem in die Werksebene integrierten Mikrorotor. Durch diesen uhrmacherischen Kunstgriff baute das patentierte Kaliber 1000 (Abbildung links) mit dem Beinamen „Super-Slender“ (zu deutsch ultraflach) nur noch 4,2 mm hoch.
Mit dem ähnlich konzipierten Uhrwerk namens 12P stellte Piaget 1960 einen 2,3 mm flachen Weltrekord auf. Zu dessen 50. Geburtstag debütierte der Nachfolger 1208 P (siehe rechts). Er war zwar 0,05 Millimeter dicker, blieb aber dennoch so lange weiterhin Champion, bis ihn das BVL 138 in der „Octo Finissimo Automatic“ ablöste.
Das von Bulgari selber entwickelte und gefertigte Manufakturkaliber besticht durch minimalistische Gesamthöhe von nur noch 2,23 Millimeter. Der kugelgelagerte Planetenrotor aus Platin agiert in der Ebene des Millimeter großen Oeuvres mit drei Hertz Unruhfrequenz. Er spannt die Zugfeder in einer Drehrichtung. Nach Vollaufzug stehen 60 Stunden Gangautonomie zur Verfügung.
Schutz vor Wasser bis zu fünf bar Druck bot anfangs ein natürlich ebenfalls ultraflach ausgeführtes Titangehäuse mit Saphirglas-Sichtboden.
Vor dem Zifferblatt drehen Zeiger für Stunden, Minuten sowie, als untrügliches Kennzeichen, zwischen „7“ und „8“ für die Sekunden.
Zusammen mit dem geschmeidigen Titan-Gliederband kann man diese „Graue Eminenz“ zurecht als mechanisches Fliegengewicht bezeichnen.
Als angestammter Juwelier besteht unsere Zielrichtung darin, Dinge immer schöner zu gestalten. Wenn ich diese Philosophie auf Männer übertragen möchte, muss ich größtmögliche Eleganz in Blickfeld haben. Und das ist bei der Octo Finissimo-Linie geschehen, jedoch analog zur Juwelierskunst gepaart mit einem starken Charakter. Nicht ausgedrückt durch Farben, sondern durch die Gestalt der Uhr. Eleganz bedeutet in diesem Zusammenhang auch flach. Dazu die besten italienischen Designelemente und unübersehbare Ausdruckstärke, welche der Octo-Linie zu eigen ist. Für uns bedeutete das eine fantastische Gelegenheit.
Vom Wert edlen Stahls
Trotz seiner Leichtigkeit und Härte sowie der antiallergischen Eigenschaften ist Titan nicht jedermanns Sache. Dieses Sachverhalts waren sich im Hause Bulgari auch Jean-Christophe Babin, Fabrizio Buonamassa und Antoine Pin bewusst. Das Triumvirat, bestehend aus CEO, Chef-Designer und Uhrenverantwortlichem kennt den Markt aus dem ff. Viele Uhrenliebhaber schwören auf Stahl als das puristische Gehäuse- und Bandmaterial schlechthin. Stahl mit handwerklicher Perfektion verarbeitet und daher in den Rang eines Edelmetalls wie Gold oder Platin erhoben.
Eine solche Armbanduhr gab es zwar als „Octo Roma“, aber bislang noch nicht in der Version einer „Finissimo Automatic“. Und exakt diese Lücke schließt Bulgari zu Beginn des Jahres 2020 während der LVMH Watch Week in Dubai.
Vielleicht ist nicht bekannt, dass die stählerne Octo Finissimo Automatic sehr nach der Ausführung in Titan geboren wurde. Mir war nämlich bewusst, dass wir nicht jahrelang nur auf die sandgestrahlte Titan-Version mit einer einzigen Farbe für Gehäuse, Armband und Zifferblatt setzen konnten. Das wäre ein großer Fehler gewesen. Diese Armbanduhr ist eine echte Gelegenheit für Bulgari, in den Bereich des Mainstream vorzudringen. Daher meinte ich, dass spätestens in vier bis fünf Jahren etwas geschehen müsse. Hätte ich das sofort nach dem großen Erfolg der ultraflachen Automatic während der Baselworld 2017 gesagt, wäre ich vermutlich gefeuert worden. Also ließ ich still und leise einen stählernen Prototyp fertigen. Nach einigen Wochen am Handgelenk bekam ich zu hören, dass das eine tolle Uhr sei.
Mit einem Preis von 11.500 Euro ergänzt diese neue Armbanduhr allerdings nicht nur die hauseigene Finissimo-Kollektion, sondern sie bereichert definitiv das Spektrum luxuriöser Stahl-Armbanduhren mit Automatikwerk. Unterhalb 10.000 Euro dominiert hier ganz zweifellos Rolex. In der Region ab 18.000 Euro sind Audemars Piguet mit der „Royal Oak“, Vacheron Constantin mit der „Overseas“, Patek Philippe mit der „Nautilus“ und, neu, A. Lange & Söhne mit der Odysseus zu Hause. In der gewählten Preis-Liga konkurriert Bulgari mit Chopard, Piaget und Girard-Perregaux. Allerdings kann die stählerne „Octo Finissimo“ im Vergleich mit „Alpine Eagle“ bzw. „Polo S“ und „Laureato“ mit besagtem Weltrekord bei Mikrorotor-Automatikwerken punkten.
Erstmals unterstreicht eine Schraubkrone mit Keramik-Inlay die sportliche Attitüde. Sie und andere konstruktive Details tragen dazu bei, dass die Wasserdichte von fünf auf nunmehr zehn bar klettert. Rein theoretisch könnte man also bis zu 100 Meter abtauchen, was mit dieser „Octo Finissimo“ aber vermutlich niemand tun wird. Derzeit ist sie nur mit schwarzem Zifferblatt erhältlich, vor dem farblich stark kontrastierende Zeiger optimale Ablesbarkeit selbst bei mäßigen Lichtverhältnissen gewährleisten. Es steht aber zu erwarten, dass ein Modell mit blauem Zifferblatt in absehbarer Zeit folgen wird.
Für uns ist es eine wichtige Aufgabe, die Kompetenz als Uhrmacher immer wieder unter Beweis zu stellen. Nicht zuletzt auch durch den Erwerb von Daniel Roth und Gérald Genta sind wir seit langer Zeit herausragende Uhrmacher. Aber wir werden von vielen noch nicht als solche wahrgenommen. Das muss und wird sich ändern. Auf dem Gebiet der Uhrmacherei besitzt Bulgari ausgeprägte Kompetenzfelder, zu denen ganz klar die die wie auch immer geartete Miniaturisierung gehört
Zahl Uhrenkosmos Modell-Steckbrief
Hersteller |
Bulgari |
Name |
Octo Finissimo Automatic |
Referenz |
103297 |
Premiere |
Januar 2020 |
Uhrwerk |
Manufakturkaliber BVL138 |
Aufzug |
Mikrorotor-Automatik, einseitig aufziehend |
Durchmesser |
36,6 Millimeter |
Bauhöhe |
2,23 Millimeter |
Komponenten |
Zahl unbekannt |
Unruhfrequenz |
drei Hertz |
Gangautonomie |
ca. 60 Stunden |
Anzeige |
Stunden, Minuten, kleine Sekunde zwischen „7“ und „8“ |
Zusatzfunktionen |
keine |
Gehäuse |
Edelstahl mit Sichtboden |
Durchmesser |
40 Millimeter |
Höhe |
5,25 Millimeter |
Wasserdichte |
zehn bar |
Armband |
satiniertes Stahlband mit polierten Zwischengliedern und Dreifach-Faltschließe |
Preis |
circa 11.500 Euro |
Limitierung |
keine |
Was Bulgari da macht ist absolut höchste Uhrmacherkunst. Das ist noch nicht verstanden worden, aber es wird sich aufdrängen…..
…. wobei es uns scheint, dass die Bulgari Qualität und das besondere Design im Markt durchaus positiv ankommt 🙂