Mechanik, sprunghafte Ziffern und Zahlen
Die zweite Generation der A. Lange & Söhne Zeitwerk ist in der Tat ein mächtiges Opus. 2009 läutete dieser auffallende Zeitmesser bei A. Lange & Söhne eine neue, von uhrmacherischer Andersartigkeit geprägte Epoche ein. Förmlich unübersehbar präsentiert sich eine neusilberne Zeitbrücke, welche das ganze Zifferblatt überspannt. Links bietet sie einen Rahmen für die Ziffern der digitalen Stundenanzeige. Rechts tut sie das Gleiche für die Minuten. Und in einem markanten kreisrunden Feld dreht der große kleine Sekundenzeiger unentwegt seine Runden.
Untypisch nach rechts oben und damit irgendwie auch in die Zukunft weisend in der rechten Gehäuseflanke angeordnet ist die griffige Aufzugskrone. Bleibt die markante Gangreserveanzeige. Unterhalb „12“ lässt sie wissen, wann es an der Zeit ist, dem Handaufzugswerk wieder frische Energie zuzuführen. Bislang war dies beim selbstverständlich in Glashütte entwickelten und gefertigten Handaufzugskaliber L043.1 spätestens nach 36 Stunden der Fall. Wegen des leichtgängigen Aufzugs und der haptischen Freude, den Energiespeicher durch einige Drehungen der Krone mit Kraft zu befüllen, ließ sich die relativ kurze Gangautonomie leicht verschmerzen.
Konstantkraft
Dem naturgemäß kontinuierlich nachlassenden Zugfeder-Drehmoment wirkt in diesem Fall ein patentiertes Nachspannwerk entgegen. Angeordnet zwischen Federhausrad und Unruh kommen ihm gleich zwei Funktionen zu: Einmal sorgt die ausgeklügelte Konstantkraft-Mechanik für Isochronismus und hohe Gangstabilität im Rahmen der jeweiligen Gangautonomie.
Zum anderen dient sie als Schrittmacherin für das blitzartige Springen der mächtigen digitalen Indikationen. Diesbezüglich muss der Mikrokosmos jene Kräfte im Griff haben, welche beim Beschleunigen und Abbremsen üppig dimensionierter Ziffernscheiben entstehen.
Zu diesem Zweck hat sich das Entwicklungsteam auf einen Windflügel besonnen. Der seiner Rotation entgegenwirkende Luftwiderstand absorbiert einen erheblichen Teil der Energie und sorgt so für gleichermaßen schnelle wie sanfte Schaltvorgänge. An diesen konstruktiven Prinzipien hat sich über 13 Jahre hinweg nichts geändert.
Lange & Söhne Zeitwerk Generation 2022
Unter dem Motto, dass Stillstand letzten Endes Rückschritt bedeutet, hat A. Lange & Söhne seinem Zeitwerk eine vordergründig wenig auffällige Evolution angedeihen lassen. Diese Weiterentwicklung zeigt sich primär im gekonnt weiterentwickelten Kaliber L043.6. Dass es nun 72 Stunden lang mit unveränderten 2,5 Hertz tickt, gibt die weiterhin verfügbare Gangreserveanzeige nicht preis. Ihr Zeiger bewegt sich beim manuellen Spannen der Zugfeder von „Ab“ zu „Auf“ und anschließend langsam zurück. Spätestens wenn der Zeiger der Gangreserveanzeige wieder im roten Reservefeld angekommen ist, heißt es Hand anlegen.
Geblieben sind die mit insgesamt drei Scheiben ausgestattete Stunden- und Minutenindikation und ihre gewollte Sprunghaftigkeit. Nach jeweils sechzig Sekunden tut sich etwas vor dem Auge des staunenden Betrachters. Besondere Dynamik ist zur vollen Stunde angesagt, wenn sich das Trio gleichzeitig nach vorne bewegt. 72 Mal in 72 Stunden braucht es logischerweise die meiste Schaltenergie. 360 Mal springen während dieser Zeitspanne zwei Scheiben, und 3.888 Mal bewegt sich die Einerscheibe der Minuten vorwärts.
Trotz oder gerade wegen der doppelten Gangautonomie (den Unterschied zwischen Gangreserve und Gangautonomie erklären wir hier) bleibt das Nachspannwerk Dreh- und Angelpunkt des neuen Handaufzugwerks. Die größere Ausdauer, welche es gestattet, den Boliden während eines sportlichen Wochenendes sicher im Tresor zu belassen, resultiert aus nunmehr zwei übereinander positionierten Federhäusern.
Damit sich die Höhe des 33,6 Millimeter messenden Manufakturkalibers in Grenzen hält, fallen die Federklingen schmaler aus. Insgesamt 8,9 Millimeter baut das aus 451 Teilen montierte Werk hoch. Summa summarum sind das 63 Komponenten mehr als beim Vorgängerkaliber L043.1.
A. Lange & Söhne Zeitwerk im Detail
Stundentaste und mehr
Das Plus ist einer Neuerung geschuldet, welche die Einstellung der Zeitanzeige deutlich erleichtert. Man erkennt sie am neuen Drücker bei „4“. Doch ganz so neu ist das zusätzliche Bedienelement nun auch wieder nicht. Erstmals kam es beim Zeitwerk Date zum Einsatz. In diesem Fall verknüpft sich mit der Möglichkeit, die Stunden per Knopfdruck justieren zu können, beträchtlicher technischer Aufwand. Chefkonstrukteur Tony de Haas und sein Team strebten eine Korrekturmöglichkeit unabhängig von den Schaltvorgängen der Zeitanzeige an. Und diese bedingte eine patentierte Vertikalkupplung, welche den Stundenring bei jedem Tastendruck vom Sprungziffermechanismus trennt. Die Fortschaltung der Anzeige erfolgt übrigens erst beim Loslassen der Taste.
Nichts geändert hat sich bei den Minuten, die weiterhin in beide Richtungen per Krone einstellbar sind. Beim Blick auf das Zifferblatt mit der mächtigen Neusilberbrücke fällt sofort das Fehlen einer Halteschraube links neben der Minutenindikation auf. An ihre Stelle tritt ein transparenter Saphir-Lagerstein für die Welle der digitalen Anzeige. Aber dieses Merkmal besaß auch schon die erste Zeitwerk-Generation.
A. Lange & Söhne Zeitwerk
Geübten Augen, die das Profil des in Platin oder Rotgold (mehr zur komplexen Herstellung der Goldgehäuse gibt es hier) erhältlichen Newcomers betrachten, entdecken schnell, dass die Schale etwas schlanker geworden ist. Ungeachtet der höheren Gangautonomie tragen die Sichtboden-Referenzen 142.025 bzw. 142.031 am Handgelenk nur noch 12,2 Millimeter auf. Unverändert sind 41,9 Millimeter Schalendurchmesser und die bis drei bar reichende Druckdichte.
In Schweigen hüllt sich A. Lange & Söhne hinsichtlich des Preises der unlimitiert erhältlichen Zeitwerke. 2009 schlug die auf 200 Exemplare limitierte Platinversion mit 58.500 Euro zu Buche. Es ist davon auszugehen, dass der Nachfolger mit Gehäuse aus dem gleichen Edelmetall einen sechsstelligen Betrag, sprich um 100.000 Euro kosten wird.
Entsprecht wird auch die Ausführung in Rotgold bepreist sein. 2009 gab es sie für 42.500 Euro. Gleichwohl wird sich CEO Wilhelm Schmid um den Absatz dieser neuen Armbanduhren keine Gedanken machen müssen. Die Nachfrage übersteigt das Angebot.
Ohne Uhrmacher keine Uhren
Apropos Wilhelm Schmid: Am 13. Oktober 2022 konnte der eloquente Firmenchef in Glashütte nicht ohne Stolz auf 25 Jahre Uhrmacherausbildung bei A. Lange & Söhne zurückblicken. Im Rahmen eine Feierstunde erhielt die hauseigene Ausbildungsstätte den Namen Walter Lange Aus- und Weiterbildungszentrum.
Walter Lange prägt bis heute die Kultur unseres Unternehmens. Seinen herausragenden und beispielhaften Einsatz würdigen wir nun mit der Umbenennung unserer Uhrmacherschule in Walter Lange Aus- und Weiterbildungszentrum. Damit wollen wir die Erinnerung an diesen großartigen Glashütter und seine Vision lebendig halten.
Der solcherart Geehrte konnte die Zeremonie leider nicht mehr erleben. Im Januar 2022 jährte sich sein Todestag zum fünften Mal. Die Ausbildung junger Talente zu dem Beruf, den er einstmals selbst erlernt hatte, war Walter Lange jedoch zeitlebens eine Herzensangelegenheit. Gerne traf er sich mit den jungen Menschen, mit Empathie hörte er sich ihre Gedanken an und erteilte von langer Erfahrung geprägte Ratschläge.
Erfolgsbilanz
Die Zahlen können sich in der Tat sehen lassen. Am 25. August 1997 startete der Ausbildungsbetrieb bei A. Lange & Söhne. Seitdem haben nicht weniger als 244 Azubis einen Abschluss erzielt. 228 davon sind Uhrmacher geworden. Weiterhin in den Diensten der einschlägig engagierten Firma steht Burkhard Geyer, einer der ersten beiden Azubis.
Aktuell durchlaufen 37 Personen eine Ausbildung. Von diesen wollen je 15 weiblichen und männlichen Geschlechts Uhrmacher werden. Insgesamt kümmern sich sechs Mitarbeitende bei A. Lange & Söhne um diese wichtige, die Zukunft prägende Aufgabe. Ohne kompetente Uhrmacherinnen und Uhrmacher, die sich im Anschluss an ihre Ausbildung noch für eine Arbeit an komplizierter Mechanik weiterqualifizieren müssen, gäbe es beispielsweise keinen Datograph, keine Minutenrepetition und natürlich auch kein A. Lange & Söhne Zeitwerk.
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