Gestärkt aus der Krise
Für die Schweizer Uhrenindustrie war 2021 ein wahrhaft erfolgreiches Jahr. Gegenüber dem von der Coronakrise geprägten Jahr 2020 legten der Umsatz der Schweizer Uhrenindustrie um phantastische 31 Prozent auf 22,3 Milliarden Schweizerfranken zu. Das jedenfalls gab der Branchenverband Fédération Horlogère (FHS) kürzlich bekannt. Doch damit nicht genug: Auch das Rekordjahr 2019 stellen die Zahlen für 2021 in den Schatten. 2,7 Prozent mehr können sich angesichts der pandemiegeprägten Situation durchaus sehen lassen. Auch diese Zahl bezieht sich auf den Wert der ausgeführten Ware.
Die Tatsache, dass sich der Durchschnittspreis exportierter Zeitmesser deutlich erhöhte, geht unmissverständlich aus den Stückzahlen hervor. Selbige lagen mit 15,7 Millionen Exemplaren um rund ein Viertel unter jenen des Jahres 2019. Konkret sackten die Quantitäten um 4,9 Millionen Stück ab.
Andererseits trifft es nicht ganz zu, eine Apple Watch als Armbanduhr zu bezeichnen. Besser ist es, von einem Mini-Computer mit Zeitanzeige zu reden. Schließlich überwiegen die zeitfernen Funktionen und hier speziell die gesundheits- sowie fitnessrelevanten Merkmale ganz erheblich. Dem Erfolg tut das keinerlei Abbruch. Im Aufwind befindet sich bekanntlich auch Garmin.
Umsatz der Schweizer Uhrenindustrie
Nachfolgend zeigen wir die Umsätze der großen Luxus-Marken der Schweizer Uhrenindustrie von 2006 bis 2021. Dabei beruhen die Zahlen auf einer Studie von Morgan Stanley und der Beratungsfirma LuxeConsult.
Umsatz Rolex
Als unangefochtene Nummer eins im weltweiten Uhrenbusiness dominiert Rolex das Geschehen rund um das Segment luxuriöses mechanischer Armbanduhren eidgenössischer Provenienz. Der Hype, denn die mit einer Rolex Krone gezierten Objekte gegenwärtig auslösen, spricht Bände. Über Zahlen schweigt sich die Manufaktur traditionsgemäß aus. Seitdem die COSC – wohl auch auf Drängen von Rolex – keine Jahresberichte mehr publiziert, heißt es ganz einfach schätzen. Dass die Fabrikationsstätten in Biel und Genf jährlich rund eine Million Stück verlassen, stellt kaum noch jemand in Frage.
Mit der Anzahl der verkauften Rolex Uhren verknüpft sich gemäß der Morgan Stanley / LuxeConsult Studie ein Rolex Umsatz von schätzungsweise acht Milliarden Schweizerfranken. Damit ist Rolex der Luxus-Konkurrenz inzwischen meilenweit voraus. Besagte Studie geht davon aus, dass der Marktanteil von Rolex auf 28,5 Prozent geklettert ist. 2020 lag er noch bei knapp 25 Prozent. Bekanntlich steht das bekannte Label weiterhin treu zum Fach-Einzelhandel, der auch die Markenboutiquen betreibt.
Sagenhafte 12,07 Milliarden Schweizerfranken Umsatz mit Endverbrauchern erlösen Konzessionäre rund um den Globus mit dem Verkauf von Rolex Uhren. Bei diesem Umsatz von Rolex handelt es sich allerdings auch um die Schätzung aus besagter Studie.
Umsatz Cartier
Etwas mit Vorsicht zu genießen ist der Kampf um Platz zwei. Hier heißen die Rivalen Omega und Cartier. Nachdem keiner von beiden offizielle Zahlen verlautbart, ist man ebenfalls auf Vermutungen angewiesen. Die Studie bescheinigt Cartier einen Netto-Umsatz von 2,39 Mrd. Schweizerfranken. Erzeugt durch rund 600.000 Uhren. 2020 waren es nur etwa 490.000. Die Steigerung des Ausstoßes um 22 Prozent ist einer deutlich stärkeren Fokussierung auf Mainstream-Produkten wie Cartier Santos und Cartier Tank sowie einer Reduzierung der Haute Horlogerie-Aktivitäten zu verdanken.
Speziell die in Konkurrenz zu Rolex und Omega positionierte Cartier Santos mit Manufaktur-Innenleben kommt in Mitteleuropa zum Glück auch bei Männern immer besser an. Alles richtig gemacht, Cyrille Vigneron. Seit 2016 steht der Franzose als CEO an der Spitze von Cartier. Von der anfänglichen Kritik ist inzwischen nichts mehr zu hören.
Umsatz Omega
Omega schraubte die Fertigung nur um 14 Prozent von rund 500.000 auf 570.000 Uhren hoch und erlöste damit etwa 2,2 Milliarden Schweizerfranken. Angesichts dieser Fakten rückt die zu seinem Amtsantritt von Raynald Aeschlimann geäußerte Perspektive, irgendwann zu Rolex aufzuschließen, in immer weitere Ferne.
Die eklatanten Unterschiede der ewigen Wettbewerber: Beide Marken zeigen in den Schaufenstern Uhren. Die meisten Zeitmesser von Omega sind jedoch sofort erwerbbar und teilweise sogar mit Nachlass erhältlich.
Umsatz Audemars Piguet
Gemäß besagter Studie haben im Milliardärs-Ranking inzwischen auch Patek Philippe und Audemars Piguet die Plätze gewechselt. Erstmals rangiert das Familienunternehmen aus dem Vallée de Joux mit geschätzten 1,58 Milliarden Schweizerfranken vor jenem des Genfer Luxus-Mitbewerbers, der 1,53 Milliarden verbuchte. Der Überholvorgang ist dem Faktum geschuldet, dass Audemars Piguet durch die zunehmende Loslösung von tradierten Fachhändlern und den Vertrieb über eigene Kanäle deutlich höhere Margen für sich selbst erzielt.
Umsatz Patek Philippe
Indessen Indes liegt Patek Philippe beim Endkunden-Geschäft auf dem Weg über Konzessionäre mit 2,02 Milliarden Schweizerfranken deutlich vor AP (1,76 Milliarden Franken). Allerdings sinkt durch das stärkere Wachstum anderer Marken der Anteil von Patek Philippe am Umsatz der Schweizer Uhrenindustrie.
Umsatz Longines
Da Longines seine Uhrenfertigung um 20 Prozent von 1,5 auf 1,8 Millionen Stück im Jahr 2021 heraufschraubte und damit geschätzte 1,54 Mrd. Schweizerfranken Nettoumsatz erzielte, rutschte Patek Philippe im Ranking womöglich sogar auf Platz sechs ab.
Umsatz Richard Mille
Angekommen im Club der Umsatzmilliardäre ist mittlerweile auch Richard Mille. Das 21 Jahre jungen Unternehmen, welches nur extrem Hochpreisiges in kleinen Quantitäten produziert, gebührt ein ehrenvoller Platz sieben im luxuriösen Geschehen rund um die Uhr. Mit preisgünstigen Massenprodukten erzielt schließlich auch Tissot einen siebenstelligen Schweizerfranken-Umsatz.
Umsatz Van Cleef & Arperls
Einen erstaunlichen Uhren-Sprung von Platz 26 auf 17 machte Van Cleef and Arpels durch die Steigerung des Umsatzes von 153 auf 404 Millionen Franken. Das vorwiegend schmückende Mitglied des Richemont-Konzern stellte 2021 knapp 40 Prozent mehr Uhren her als im Vorjahr und ließ den durchschnittliche Verkaufspreis um sagenhafte 75 Prozent von knapp 35.000 auf gut 60.000 Franken in die Höhe schnellen.
Zu den Absteigern zählt einmal die Marke Swatch. Auf dem Gebiet der Smartwatches hat sie schlichtweg nichts zu bieten. Aus den Top 20 herausgefallen sind auch Breguet und Blancpain. Flache sportliche Eleganz in Edelstahl sucht man bei den beiden Swatch Group-Marken vergebens. Chopard hingegen punktet mit der Alpine Eagle. Und La Montre Hermès dürfte vom ungebrochenen Boom unter anderem der Taschen des Pariser Luxus-Labels profitieren.
Umsätze 2022: Aus der Krise in die Krise?
Bekanntlich ist nach der Krise stets auch vor der Krise. In diesem Sinne bleibt abzuwarten, wie sich das Kriegsgeschehen in der Ukraine und die Aussetzung der Lieferungen nach Russland auf den Umsatz der Schweizer Uhrenindustrie 2022 auswirken wird. Allerdings spielt dieser Markt mit etwa einem Prozent Anteil am Schweizer Exportgeschehen keine wirklich störende Rolle.
Deutlich anders sähen die Dinge bei Wirtschaftssanktionen für den größten, sprich chinesischen Markt inklusive Hongkong aus. Dann, so steht zu befürchten, werden einige Luxus-Player nämlich richtig leiden. Aber so weit ist es glücklicher Weise noch nicht. Um die besonders begehrten Manufakturen und die Exportzahlen der Schweizer Uhrenindustrie muss man sich allerdings auch dann wohl keine Gedanken machen. Sie werden ihre Produkte ohne Schwierigkeiten im Rest der Welt los.
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