Gentlemen Choice
Nachdem wir bereits im ersten Teil der Besprechung der Genfer Herbstauktionen eine ganze Reihe an wunderschönen Rolex, Patek Philippe, Omega oder Breguet Modellen vorgestellt haben, sollte man meinen, dass uns der Stoff für die Vorstellung besonderer Modelle ausgehen sollte. Weit gefehlt. Es ist vielmehr so, dass uns die Fülle an herausragenden Modellen zwingt, uns auf eine kleine Auswahl von Marken und Modellen zu beschränken. Das sind die Sammlerstücke, die wir uns herausgepickt haben.
Genfer Herbstauktionen
Die Referenz 1463 nimmt in der Vintage Kollektion von Patek Philippe mit ihrem verschraubten Gehäuse einen besonderen Platz ein. Sie war aber weder der erste, noch der einzige Chronograph des Hauses. Schließlich sind Chronographen Uhrwerke kompliziert und damit eindeutig das Territorium der Marke. Zudem ging man davon aus, dass sich die wohlhabende Klientel an Polofeldern, auf Tennisplätzen oder Pferderennbahnen tummelte, wo ein Chronograph von Nutzen sein konnte, dieser aber gleichzeitig kleidsam sein musste. Genau hierhin passt das Los 113 bei Phillips mit der Patek Philippe Referenz 530.
Patek Philippe Referenz 530
Im klassischen Calatrava Case aus Roségold mit eckigen Drückern ist diese Referenz 530 mit Ihrem passenden kupferfarbenen Zifferblatt (‚Pink on Pink‘) kaum an Eleganz zu übertreffen. Schon auf den Fotos fasziniert die Schönheit der Uhr und macht mich auf ihre Ausstrahlung gespannt.
Nicht mehr als 15 roségoldene Referenzen 530 sind bisher aufgetaucht und diese ist die bislang einzige mit einem solchen Zifferblatt. Sie ist mit ihren 36,5 mm Durchmesser noch heute sehr tragbar, ohne ostentativ zu wirken. Man könnte sie sich gut zu einem meerseitigen Dinner bei Chez Camille an der Cote D’Azur mit Bouillabaisse und einem Glas Chardonnay vorstellen.
Der Preis der Fischsuppe erscheint im Vergleich zum Wert dieser Uhr als Sonderangebot. Wem aber Beides zu viel ist und wer dennoch dem Reiz von Chronographen als ‚Dresswatch‘ verfallen ist, dem bieten sich Alternativen. Mit den Losen 356 und 357 bietet Antiquorum 2 sehr schöne goldene Chronographen an, die auch für weniger betuchte Enthusiasten erschwinglich erscheinen.
Rolex Deep Dive
Die Genfer Herbstauktionen wären ohne Rolex Submariner Vintage Armbanduhren nicht komplett. Auch in den kommenden Tagen gibt es eine interessante Auswahl an Rolex Vintage Modellen zu bewundern. Chronologisch muss man mit dem Los 910 bei Phillips beginnen. Zwar kommt die Uhr erst am 28./ 29. November in Hongkong zur Versteigerung, mit etwas Glück lässt sie sich aber bereits diese Woche beim Preview im La Reserve Hotel bewundern. Es ist ein Model 6204 mit einer Seriennummer knapp unter 1 Mio. und damit eine der frühesten Submariners aus dem Jahr 1953.
Solche Uhren sind schon an sich sehr selten. Absolut spektakulär ist es aber eine zu finden, die in allen ihren Submariner Ausstattungselementen – Krone, Lünette, Zeiger und Zifferblatt mit Leuchtmasse – korrekt ist und sich dazu noch in einem ansehnlichen Zustand befindet. Es wäre wenig verwunderlich, wenn die entsprechende Schätzung von 100.000 bis 200.000 Euro noch übertroffen werden würde.
Der heute charakteristische Submariner Kronenschutz wurde erst viel später, im Jahr 1959 erstmalig eingesetzt. Wie bei Rolex üblich war es ein gradueller Prozess, der sich in diesem Fall über 4 Generationen erstreckte.
Die ersten Modelle mit der Referenz 5512 sind die seltensten und auch hier ist es ein Ereignis, ein Vintagemodell in originaler Ausstattung mit gutem Erhaltungszustand zu finden. Experten bezeichnen diese Variante mit ‚Square Crown Guards‘. Auf diese Version folgte das sogenannte ‚Eagle Beak‘ Design, bei dem spekuliert wird, es handle sich um heruntergefeilte ‚Square Crownguards‘
Die dritte Rolex Submariner Generation trägt den Namen ‚Cornino‘ und war etwa von 1961 an mit der Referenzen 5512 (SCOC) und Referenz 5513 in Produktion. Hier fällt der Kronenschutz deutlich spitzer aus als bei der ersten Generation und es wurden weiterhin schöne Zifferblätter im Negativdruck mit lackierter Oberfläche und Radium Leuchtmasse eingesetzt (‚Gilt Dial‘)
Die folgende Iteration erhielt dann den finalen Kronenschutz, mit dem alle Submariner Modelle bis zur Einführung der Keramiklünette ausgestattet waren. Frühe Exemplare verfügen noch über Laquer Dials mit Negativdruck, allerdings entfällt die ‚Railway‘ Minuterie und die Leuchtmasse wechselt zu Tritium. Mitte der 1960er Jahre endete dann die Ära der Gilt Dials, zum Bedauern vieler Vintage Liebhaber.
Das zunehmend populäre Modell 1680 der Rolex Submariner mit Datumsanzeige wurde erst Ende der 1960er Jahre eingeführt.
Werkzeug-Uhren
Nicht weniger aufregend als frühe Submariners sind Rolex Milgauss Exemplare mit der Modellnummer 6541 aus den 1950er Jahren. Die Milgauss ist eine Uhr, die generell in geringen Auflagen produziert wurde und das auch nur dann, wenn genügend Bestellungen vorlagen, um eine neue Charge zu rechtfertigen. Das hielt Rolex aber nicht davon ab, an dem Konzept festzuhalten und mit der Rolex Milgauss Referenz 1019 im Jahr 1964 eine zweite Generation zu bringen.
Als man die Produktion dann Ende der 1980er Jahre schließlich doch einstellte, kam die Nachfrage in Schwung und man entschied sich im Jahr 2007 mit einer Neuauflage zurückzukehren. Diese Uhren sind heute populäre Klassiker. Die ursprünglichen Milgauss sind wie die Submariners in ihrer originalen Konfiguration selten in einem akzeptablen Zustand zu finden. Das macht die Lose 79 bei Phillips und 481 bei Antiquorum und zu begehrten Sammler Trophäen.
Traditionell unterbewertet ist die Rolex Explorer 2. Sie stand schon immer im Schatten der GMT Master und der Submariner. Dabei ist das Modell aufgrund seines hohen Tragekomforts bei guter Präsenz am Handgelenk und aufgrund der zweiten Zeitzone ein Geheimtipp. Das Los 111 der Christies Rare Watches Auktion bei den Genfer Herbstauktionen 2022 bietet zusätzlich eine fantastische Optik, die sicher nie an Wert verlieren wird.
Uhren-Highlights der Genfer Herbstauktionen
Meine Reiseplanung will ich mit einer letzten Rolex und zwei Pateks abschließen. Die Rolex Referenz 3933 aus dem Phillips Los 101 ist eine Uhr, wie sie mir trotz hingebungsvollem Studium während der letzten 30 Jahre noch nicht begegnet ist. Sie belegt, dass es bei Rolex kaum etwas gibt, was es nicht gibt.
Ein Stein des Anstoßes, in dem nicht immer ungetrübten Verhältnis zwischen Rolex in Genf und Rolex in Biel (mehr zu den Anfängen der Rolex Herstellung in Biel gibt es hier) war über lange Zeit das Fehlen eines eigenen Chronographen Uhrwerks. Der Druck nahm gegen Ende der 1930er Jahre zu, als die Produktion von Uhren mit Stoppfunktion allgemein zunahm und sich eine weitere Steigerung des Bedarfs für militärische Zwecke abzeichnete.
Während man bei Rolex in Genf auf Ebauches von Valjoux zur Realisierung des Oyster Chronographen Konzeptes setzte, arbeitete man in Biel an einem Modul, das es erlaubte, die zentrale Sekunde der bewährten 10,5 Linien Basiswerke per Knopfdruck auf Null zu stellen und durch Entspannung wieder in Betrieb zu nehmen. Diese Uhrwerke wurden dann in Gehäuse, ähnlich denen von Bubble Backs eingesetzt und unter verschiedenen Referenzen als ‚Centregraphe‘ oder ‚Zerographe‘ angeboten.
Der offenbare Nachteil gegenüber den, ab der zweiten Hälfte der 1930er Jahre verfügbaren ‚Start Stop Reset‘ Modellen mit zwei Drückern verurteilte das Modell zur Erfolglosigkeit. Und das obwohl verschiedene Varianten mit und ohne (für Rolex erstmalige), drehbare Lünette zur Verfügung standen. Allen bisher bekannten Modellen war jedoch ein Oyster Gehäuse in Stahl gemein.
Mit dem Los 101 bei Phillips taucht nun erstmals öffentlich eine Variante auf, die über ein gestuftes, goldenes ‚Dresswatch‘ Gehäuse verfügt und zusätzlich noch den Aufdruck der renommierten Chronometrie Beyer in Zürich trägt.
Bei Patek Philippe ist kein Modell von höherer Symbolkraft für die Dominanz des Segmentes für komplizierte Armbanduhren als der Patek Philippe Chronograph mit ewiger Kalenderfunktion. Mit der ab 1945 serienmäßig produzierten Referenz 1518 katapultierte man sich dem Wettbewerb gegenüber um Jahre voraus, der solch komplizierte Uhren nur als Einzelstücke bieten konnte.
Gut erhaltene Exemplare erzielen trotz ihrer vergleichsweisen geringen Abmessungen regelmäßig astronomische Preise. Das dürfte auch der Fall für das Christies Los 92 werden, bei dem es sich um ein ‚fresh to market‘ Exemplar mit belegter Cartier Provenienz und zugehörigem Zifferblattaufdruck handelt.
Die 1518 wurde vom Modell 2499 abgelöst, das über ein großzügigeres Gehäuse verfügt und das heute zu den gefragtesten Vintage Uhren von Patek Philippe überhaupt zählt.
Phillips Los 20 überrascht mit einem ungewöhnlichen schwarzen Zifferblatt, das im Gegensatz zur Patek-üblichen, versilberten Grainée-Oberfläche mit emaillierten Zeichen, über einen Negativdruck (‚gilt‘) mit Lackfinish verfügt. Das beiliegende Papierwerk beweist, dass diese Uhr das einzige bisher bekannte Exemplar ist, das nachweislich in dieser Konfiguration an seinen ersten Besitzer ausgeliefert wurde.
Es gibt noch viele weitere beeindruckende Vintage Uhren und einzigartige ‚Timepieces‘ zu bewundern. Dabei muss jede Auswahl subjektiv bleiben, zumal die Prüfung beim ‚Preview‘ ja noch bevorsteht.
Also auf nach Genf, die Vorfreude ist groß!
Ihr
Oliver Knop
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