Glückwunsch zum Jubiläum
Mit 60 verabschieden sich viele langsam aber sicher in den Ruhestand. Nicht so die neuen spannenden TAG Heuer Carrera 39 und 42 mm Modelle. Zum runden Geburtstag der Chronographen-Legende bringt TAG Heuer gleich mehrere Jubiläumsmodelle mit Stoppfunktion auf den Markt. Dem Original von 1963, von dem später ausgiebig die Rede sein wird, erweisen die beiden Referenzen CBS2210.FC6534 mit schwarzem und CBS2212.FC6535 mit blauem Zifferblatt die ihm gebührende Ehre.
Ihre Edelstahlschalen besitzen den mittlerweile sehr populären Unisex-Durchmesser von 39 Millimetern. Über dem wannenförmigen Zifferblatt mit, wie einst, leicht versenkt angeordneten Feldern für die beiden Totalisatoren wölbt sich zeitgemäßes, beidseitig bombiertes Saphirglas. TAG Heuer spricht in diesem Zusammenhang von Glasbox-Design.
Um das Zifferblatt herum windet sich eine Tachymeterskala zum unkomplizierten Erfassen von Durchschnittsgeschwindigkeiten über einen Kilometer oder eine Meile hinweg. Selbstverständlich verfügt auch der Boden des bis zu zehn bar druckdichten Gehäuses über ein Saphirglas-Sichtfenster.
Im Inneren geht eine neue Generation des selbst entwickelten und gefertigten Chronographenkalibers mit Selbstaufzug an den Start. Am TH20-00 zeigt sich die Handschrift der von Cartier zu TAG Heuer gewechselten Carole Forestier. Die Werkechefin hat das Heuer 02 Automatik mit 80 Stunden Gangautonomie, Achtelsekunden-Stoppgenauigkeit, Schaltradsteuerung und Schwingtrieb-Kupplung des Chronographen gründlich unter die Lupe genommen.
Dabei ist ihr trotz genialer, weitestgehend von Schrauben befreiter Konstruktion dieses Mikrokosmos eine Schwachstelle aufgefallen. Gemeint ist der nur einseitig und deshalb offenbar nicht effizient genug wirkende Kugellagerrotor. Nach Änderung der Automatik-Baugruppe und Ergänzung eines Wechselgetriebes ist dieses Manko nun beseitigt. Geblieben ist die hohe Gangautonomie.
Unabhängig von der Zifferblattfarbe ruft die Manufaktur für den unlimitiert erhältlichen Stopper mit Kalbslederband und Faltschließe 6.500 Euro auf.
Carrera Wirbelwind
Besagte Zweiseitigkeit beim Rotoraufzug hält ihren Einzug auch beim Automatikkaliber TH20-09. Dahinter verbirgt sich das TH20-00 mit fliegend gelagertem Minutentourbillon. Dessen Geschichte reicht zurück bis 2016, als TAG Heuer seine Carrera Calibre Heuer 02T präsentierte. Geistiger Vater war Guy Sémon. Der damalige Generaldirektor und Technik-Chef von TAG Heuer ersetzte das konventionelle Schwing- und Hemmungssystems durch einen Drehgang.
Uhrmacherisch war das wegen des begrenzten Kräftehaushalts jedoch leichter gesagt als getan. Ein klassisches Metall-Drehgestell, welches dem Mechanismus etliche Leistung abverlangt, schied damals definitiv aus. Zum Einsatz kam sehr leichte, trotzdem jedoch hoch stabile Karbonfaser.
Für Tourbillons alles andere als selbstverständlich war (und ist) ein offizielles Chronometerzertifikat der eidgenössischen Kontrollinstitution COSC.
Neben unlimitierten Ausführungen offerierte TAG Heuer die auf 250 Exemplare begrenzte Black Phantom-Version mit geschwärztem Uhrwerk und schwarzem Titangehäuse für 19.500 Euro. Dieser Preis gilt für den Jubiläums Carrera-Chronograph Tourbillon, Referenz CBS5010.FC6543, nicht mehr.
Ausgestattet mit 42 Millimeter messendem Stahlgehäuse und besagtem Automatikkaliber TH20-09 werden nun natürlich unverbindliche 23.000 Euro fällig. Für eine Armbanduhr mit dieser Kombination von Zusatzfunktionen ist das jedoch weiterhin günstig.
Carrera 42 Millimeter
Von Farbigkeit geprägt sind die beiden Zifferblätter der TAG Heuer Carrera Chronographen mit 42 Millimeter großem Sichtboden-Stahlgehäuse. Korrekter Weise haben die Produktgestalter bei den Zeigern auf das Zusammenspiel geachtet. Das für die Stoppfunktion zuständige Trio sticht durch knalliges Rot hervor. Wie zu Beginn trägt der Höhenring die Sekundenskalierung.
Nicht ganz erschließ sich, warum in den Referenzen CBN201C.FC6542 und CBN201D.FC6543 weiterhin das Automatikkaliber Heuer 02 mit Rotoraufzug in einer Drehrichtung mit vier Hertz tickt. Vielleicht ist es eine Frage des Preises gewesen.
Dieses bis zehn bar wasserdichte Modell ist nämlich mit Lederband und Faltschließe für weniger als 6.000 Euro erhältlich. Konkret sind es unverbindliche 5.800 Euro. Einen Einfluss auf die Preisgestaltung dürfte freilich auch das Fehlen der bombierten Glasbox haben.
Retrospektive
Natürlich darf an dieser Stelle eine kurze Rückblende in den Lebenslauf dieser stoppenden Ikone nicht fehlen. In den Ohren autobegeisterter Zeitgenossen klingt Carrera wie Musik. Der Name verknüpft sich spontan mit sportiven Fahrzeugen aus Zuffenhausen. Den Grund, warum auch Uhren so heißen, findet an ihn in Mittelamerika, wo die berühmte Carretera Panamericana die USA mit Südamerika verbindet.
Ab 1950 begeisterte in Mexiko ein gleichnamiges Straßenrennen über neun Etappen und eine Distanz von 3436 km die Mengen. Nur Besten der Besten brachten ihre Fahrzeuge unbeschadet als Ziel. Unfälle, mitunter auch tödliche, waren an der Tagesordnung. Nicht zuletzt deshalb endete 1954 das spektakuläre Straßensport-Ereignis. Seine Renaissance startete 1988 als gezähmte Oldtimer-Rallye namens Carrera Panamericana. Zurück zu Porsche: Nach mehreren Siegen in kleineren Klassen taufte die deutsche Sportwagenschmiede den jeweils leistungsstärksten 911er einer Baureihe schlicht und einfach Carrera.
Mit dem halsbrecherischen Etappenrennen quer durch Mexico hatten Jack W. Heuer, der schnelle Autos über alles liebte, und seine Schweizer Traditions-Uhrenmarke Heuer absolut nichts zu tun. Das Thema Automobile hatten sich seine Vorfahren schon im frühen 20. Jahrhundert an ihre Fahnen geheftet hatte.
1911 präsentierte das 1860 von Edouard Heuer gegründete Unternehmen mit Time of Trip einen ersten Bord-Zeitmesser. Auf Initiative seiner Enkel Charles-Edouard und Hubert entstand 1933 die Autavia. Ein einprägsames Kürzel aus Automobil und Aviatik kennzeichnete das funktionale Dashboard-Instrument. Dass sich Urenkel Jack W. Heuer Anfang der 1960er-Jahre für diesen klangvollen Namen begeisterte, wundert nicht. 1962 lancierte er den ersten Autavia genannten Armband-Chronographen.
Carrera 1963
Im Folgejahr betrat ein zeitschreibender Bruder die Bühne der Zeitmesskunst. Dessen Entwicklungsgeschichte hatte bereits in den frühen 1960er-Jahren begonnen. Der Juniorchef beherrschte das Thema Kurzzeitmessung ebenfalls virtuos. Eine überragende Rolle spielte das Outfit. Passende Innenleben mit Stoppfunktion lieferte Valjoux aus dem Jouxtal zu. 36 Millimeter Gehäusedurchmesser galten bei Chronographen als Standard, denn sie passten ideal zu den Dimensionen der gängigen Handaufzugswerke. Luft oder große Werkhalteringe hatten in den Schalen nichts verloren. Neben der Bedien-Ergonomie spielte die Ablesbarkeit eine wichtige Rolle.
Im Gegensatz zu heute besaß diese Art von Armbanduhr noch einen echten Alltagsnutzen. Folglich strebte der agile Patron ein gestalterisch reduziertes, sowie möglichst großes Zifferblatt an. Über diesem wölbte sich damals zur Steigerung der Wasserdichtigkeit ein armiertes Plexiglas. Die schräge, dem Zifferblatt zugewandte Fläche des metallenen Spannrings eignete sich ideal für die Sekundenskala samt den zur Unruhfrequenz passenden Fünftel-Bruchteilen. Diese zündende Idee vergrößerte das Zifferblatt um beinahe zwei Millimeter, was die Optik ganz entscheidend beeinflusste.
Leicht vertiefte Nebenzifferblätter für Permanentsekunde und Totalisatoren bescherten dem sonst schnörkellosen Zifferblatt bemerkenswerte Dreidimensionalität.
Namensfindung
Bei der Namensfindung für diesen Newcomer kam Genosse Zufall zu Hilfe. Persönlich hatte sich Jack W. Heuer nie als Rennfahrer betätigt, aber gelegentlich als Copilot agiert. Zur Verkaufsförderung stellte den vom Sport Car Club of America (SCCA) organisierten Zwölf Stunden von Sebring einige Stoppuhren zur Verfügung. In seiner Eigenschaft als Offizieller Zeitnehmer weilte Jack W. Heuer 1963 höchstpersönlich in Sebring.
Dort lernte ich den jungen mexikanischen Autorennfahrer Pedro Rodriguez kennen, der die Carrera Panamericana gefahren war und mir in begeisterten Worten davon erzählte. Mir gefiel das spanische Wort Carrera, das ja nichts anderes als Rennen bedeutet. Daher haben wir den Namen Heuer Carrera für diese neue Uhr markenrechtlich schützen lassen.
Nach seiner Rückkehr in die Schweiz und dem Lancement der Carrera erwies sich die Verbindung zwischen Armbandchronograph und Motorsport schnell als richtungs- und zukunftsweisende Entscheidung. Obwohl die erste Kollektion noch recht bescheiden auftrat, erfreute sie sich beachtlicher Erfolge. Mitte der 1960er-Jahre gab es die Modelle Carrera 12 (30-Minuten- und 12-Stunden-Zähler), Carrera 45 (45-Minuten-Zähler zum Beispiel für Fußballspiele), Carrera 12 oder 45 Tachy (mit Tachymeterskala), Carrera 12 oder 45 Deci (Dezimalskala) und Carrera 12 oder 45 Black (schwarzes Zifferblatt.
Hinzu gesellte sich 1965 noch eine Carrera- Weltpremiere: Dato, Referenz 3147, der erste Chronograph mit digitaler Datumsanzeige durch nur einen Ring.
Abgesang und Wiederkehr
1969 fand das Modulkaliber 11 mit Mikrorotor-Selbstaufzug auch ins Carrera Gehäuse. Die darauffolgende Quarz-Revolution bewirkte nicht nur Stille, sondern 1982 eine Zäsur in der Firmenbiographie. Nolens volens musste sich die Familie Heuer aus der Firma verabschieden.
In aller Munde gelangte TAG Heuer zehn Jahre später durch die Übernahme der Offiziellen Zeitnahme aller Formel-1-Rennen. 1997 kehrte Jack W. Heuer (mehr über das bemerkenswerte Wirken von Jack W. Heuer im Motorsport gibt es hier zu lesen) ich allen Ehren zurück. Er öffnete das umfassende Firmenarchiv für eine großformatige, Marc Sich und mir verfasste Heuer Biographie mit dem Titel „Die Beherrschung der Zeit“. Der in diesem Zusammenhang überfällige Carrera-Relaunch erwies sich als voller Erfolg.
Allerdings verbot sich der Name anfangs noch aus rechtlichen Gründen. Der heutige Partner Porsche hatte etwas dagegen. Längst haben sich diese Wogen jedoch geglättet. Carrera gehört nun zu TAG Heuer wie das Salz zum Meer, wie die beschriebenen Jubiläumsmodelle belegen.
0 Kommentare
Trackbacks/Pingbacks