Chronographen mit Dreh
Ein Jubiläum feiert die Reverso von Jaeger-LeCoultre im Jahr 2023 nicht. Gleichwohl lenkt die Traditionsmanufaktur mit dem neuen Reverso Tribute Chronograph das Augenmerk einmal mehr auf die rechteckige Marken-Ikone.
Wegen seines genialen Wendemechanismus eignet sich das 1931 vorgestellte Reverso-Gehäuse nämlich bestens für ein Uhrwerk mit doppelseitigem Nutzen. In diesem Fall also eine zusätzliche Stoppfunktion. An so etwas hatte René-Alfred Chauvot als Konstrukteur der Wendeschale Anfang der 1930-er Jahre allerdings noch nicht einmal im Traum gedacht. Sein Auftrag bestand darin, das empfindliche Glas durch den nach vorne gedrehten Boden vor Bruch zu schützen. Und dem wurde seine Kreation voll und ganz gerecht. Hier im Uhrenkosmos findet sich die Geschichte der Reverso.
Die Idee zu einem doppelseitigen Reverso-Chronographen stammt übrigens nicht von Jaeger-LeCoultre. 1939 präsentierte die für ungewöhnliche Werkskonstruktionen bekannte Manufaktur Movado in Le Locle eine derartige Armbanduhr. Wenger, der Genfer Gehäusefabrikant verkaufte die Reverso-Schale damals an alle Interessenten. Allerdings endete das uhrmacherisch anspruchsvolle Unterfangen wegen der prognostizierten hohen Kosten für die Serienproduktion mit nur einem Prototyp.
Im Goldgehäuse tickt ein 8-liniges Form-Handaufzugswerk mit 19 Steinen, bimetallischer Kompensationsunruh, Breguetspirale und 2,5 Hertz Unruhfrequenz. Eine seiner Seiten stellt die Stunden, Minuten und Sekunden dar. Die andere Seite bleibt allein dem Chronographen samt 30-Minuten-Totalisator vorbehalten. Der Schieber unterhalb der Krone dient Start, Stopp und Nullstellung des Chronographen, das obere Pendant dem Blockieren der Funktion.
Dieses 24 x 44 Millimeter messende Weiß-/Gelbgold-Unikat gelangte am 14. November 1989 bei Sotheby’s als Los 220 erstmals unter den Hammer. Als Schätzpreis standen 18.000 bis 20.000 Schweizerfranken im Katalog. Inklusive Aufgeld blätterte ein italienischer Industrieller am Ende 170.500 Schweizerfranken auf den Tisch des Auktionators.
Gut ein Jahr später, am 16. Dezember 1990 tauchte das Einzelstück erneut auf. Diesmal bei Habsburg-Antiquorum in Tokio als Los 314. Nun erwarb der japanische Händler Segawa das auf 120.000 bis 150.000 CHF geschätzte Stück für 18.000.000 Yen, umgerechnet rund 155.000 Schweizerfranken plus Aufgeld. Nach Abzug der Provision für das Auktionshaus war das also ein ausgesprochen schlechter Deal für den Italiener.
Reverso Chronograph erste Generation
Nach Movado passierte 57 Jahre lang gar nichts mehr auf dem Gebiet der Reverso Chronographen. Erst unter der Ägide von Günter Blümlein und Henri-John Belmont präsentierte Jaeger-LeCoultre in den 1990-er Jahren eine ganze Serie limitierter Reverso Armbanduhren mit zwei funktionalen Gesichtern. Zu ihnen gehörte 1996 der durchaus spektakuläre Jaeger-LeCoultre Duoface-Chronograph mit dem innovativen, aus 317 Komponenten assemblierten Formkaliber 829 in den Dimensionen 26,8 x 23,3 x 4,5 Millimeter.
Seine manuell zu spannende Zugfeder speichert Kraft für circa 44 Stunden Gangautonomie. Vier Hertz Unruhfrequenz gestatten das Stoppen auf die Achtelsekunde genau. Die Verbindung zwischen dem eigentlichen Uhrwerk und dem Stoppmechanismus stellt eine horizontale Räderkupplung her. Natürlich verfügt das Oeuvre über ein klassisches Schaltrad zur Steuerung der chronographischen Funktionen. Dieses, die Unruh, der Chronographenzeiger sowie der retrograde 30-Minuten-Totalisator zeigen sich sehr offenherzig nach dem Wenden des Containers.
Die Zeit-Seite reduzierte Jaeger-LeCoultre auf Zeiger für Stunden und Minuten, Fensterdatum sowie eine eher unscheinbare Indikation bei „5“. Letztere signalisiert den jeweiligen Schaltzustand des rückwärtigen Chronographen: an oder aus. Mit Rotgoldgehäuse fertigte Jaeger-LeCoultre exakt 500 Exemplare.
Reverso Gran’Sport Chronograph
2001 ging bei Jaeger-LeCoultre eine sportliche Reverso an den Start. Ihr Name: Gran’Sport. Sofort wahrnehmbare Kennzeichen sind leicht bauchige Gehäuseflanken sowie oben und unten jeweils gleich vier Hörner zur Befestigung des Kautschuk- oder Gliederbands. Nachhaltiger Erfolg war der 38 x 28 Millimeter messenden und hinsichtlich der technischen Leistung leider etwas unterschätzten Armbanduhr allerdings nicht beschieden. Ein Chronograph durfte in diesem Zusammenhang natürlich nicht fehlen.
Auf der Basis des bereits erwähnten 829 entstand hierfür das wiederum rechteckige Handaufzugskaliber 859 mit rund 45 Stunden Gangautonomie, Dimensionen 28,75 x 23,3 x 4,62 Millimeter. An den technischen Merkmalen änderte sich nichts Grundsätzliches. Die Zahl der funktionalen Steine kletterte von 36 auf 38.
Bis zu fünf bar Wasserdruck schützt die in Stahl oder Gelbgold erhältliche Schale dieses Uhrwerk. Bei 9.200 Euro lag der Preis in Stahl. Die goldene Ausführung mit Kautschukband kostete dagegen 15.200 Euro.
Reverso Tribute Chronograph
So günstig gibt es den Reverso Tribute Chronograph des Jahres 2023 nicht mehr. In Stahl schlägt er mit 23.800 Euro zu Buche. Rotgold verlangt ein Investment von 41.700 Euro. Dafür liefert Jaeger-LeCoultre von Hause aus zwei Armbänder mit. Eines aus Kalbsleder und Canvas sowie eine Alternative aus reinem Kalbsleder.
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Natürlich haben die Techniker und Uhrmacher das mit vier Hertz tickende und daher auf die Achtelsekunde genau stoppende Innenleben weiterentwickelt. Ihr neues Handaufzugskaliber 860 läuft nach Vollaufzug nunmehr etwa 52 Stunden am Stück. Im Gegensatz zu seinen Vorläufern zeigt es die Zeit auf beiden Seiten an. Mit Krone und Drückern rechtsseitig bekommt man ein puristisches Reverso-Gesicht zu sehen.
Mehr zur Entstehung und Geschichte der Jaeger-LeCoultre Reverso-Uhr finden Sie übrigens hier.
Vor dem klassisch ausgeführten Stabindex-Zifferblatt drehen Dauphin-Zeiger für Stunden und Minuten. Wegen der beidseitigen Zeitanzeige konnte die Funktionsindikation wegfallen.
Nach dem Wenden präsentiert sich die wie beim Kaliber 829 durchbrochen ausgeführte Chronographenseite mit Genfer Streifenschliff. Hier stechen sofort Unruh, Schaltrad und Teile der Räderkupplung ins Auge. Geblieben ist der retrograd agierende und bis zu 30 Minuten reichende Totalisator, welcher die Umläufe des eigentlichen Chronographen erfasst. Insgesamt benötigen die Uhrmacher für den Bau eines der Uhrwerke 300 Teile.
Das schützende Gehäuse besitzt die Maße 49,4 x 29,9 x 11,14 Millimeter. Letzte Zahl bezieht sich auf die Bauhöhe der Wendegehäuseschale, die sich dem Druck des nassen Elements bis zu drei bar widersetzt. Kratzfeste Saphirgläser auf Vorder- und Rückseite sind dabei selbstverständlich.
Besonders attraktiv tritt die stählerne Ausführung des Reverso Tribute Chronograph in Erscheinung. Das liegt an der Kombination des grauen Gehäusematerials mit einem blaugrauen Zifferblatt. Diese Hingucker-Farbe entsteht durch den Auftrag hauchdünner Titanoxid-Schichten im Atomic-Layer-Deposit-Verfahren, kurz ADL genannt.
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