Herzschlag der menschlichen Kultur
Vor gut 50 startete die quarzgesteuerte Elektronik ihre Invasion in die illustre Welt der Armbanduhr. Wegen des beträchtlichen Volumens spielte sich das Geschehen zunächst auf dem Gebiet der Herrenuhren ab. Mit zunehmender Miniaturisierung statteten die Uhrenmarken immer öfter auch Damenuhren mit Quarzwerken aus. Daran änderte sich auch nach der Renaissance der überlieferten Zeitmessung nichts. Ganz im Gegenteil: Bei der Neuentwicklung konventionell tickender Kaliber richteten Fabrikanten und Konstrukteure ihr Augenmerk primär auf das männliche Geschlecht. Größere Gehäuse boten schlichtweg mehr Spielraum. Aber Frauen von Welt erinerten sich sehr wohl an die Erkenntnis des amerikanischen Psychologen Robert V. Levine: „Das Ticken der mechanischen Uhr ist der Herzschlag der menschlichen Kultur.“
In diesem Sinne mochten sich selbstbewusste Repräsentantinnen ihres Geschlechts keineswegs mit lautloser Elektronik in verkleinerten Herrenuhren und jeder Menge Diamanten abzuspeisen lassen. Vor allem auch deshalb, weil Frauen die Geschichte der Armbanduhr bis in die 1930-er Jahre dominierte. Männer schworen auf Taschenuhren, während Frauen zum Ablesen der Zeit lieber diskret aufs Handgelenk blickten. Ab den 1990-er Jahren zeigten widerspenstige Zeit-Genossinnen ihren unverhohlenen Protest im Ausleben des Mottos: „Seine Uhr für mich“. Schließlich sind maskuline mechanische Armbanduhren an schmalen weiblichen Handgelenken keineswegs unschicklich.
Der Weckruf ließ die Uhrenindustrie den femininen Hedonismus entdecken. Und dazu das weibliche Verlangen, an besagtem „Herzschlag menschlicher Kultur“ in angemessener Form partizipieren zu können. Neben schlichten Modellen mit manuellem oder automatischem Aufzug drängte sich auch das Thema Komplikationen ins Bewusstsein der Produktverantwortlichen. Apropos. Auf seine liebste Komplikation angesprochen, antwortete der Präsident einer traditionsreichen Nobelmanufaktur schlicht und einfach: „meine Frau“. Wer es sich leisten kann, setzt auf Zusatzfunktionen wie unter anderem Chronographen oder Kalenderwerke. Mondphasenindikationen lassen den optimalen Zeitpunkt für einen Friseurbesuch wissen. Und selbst das bei Männern so beliebte Tourbillon zur Kompensation negativer Schwerkrafteinflüsse auf den Gang mechanischer Uhrwerke haben kunstfertige Handwerker mittlerweile speziell für anspruchsvolle Damen miniaturisiert.
Wer sagt, Frauen interessierten sich grundsätzlich nicht fürs mechanische Geschehen im Inneren eines Uhrengehäuses oder sie verstünden nichts, liegt völlig daneben. Sie lieben den Durchblick und können sich spontan für skelettierte Werke deshalb auch erwärmen. Übrigens arbeiten in den Uhrenmanufakturen so viele ausgebildete Uhrmacherinnen wie nie zuvor. Wie ihre männlichen Kollegen verstehen sie sich trefflich auf das Ineinandergreifen von Zahnrädern, Hebeln und Federn, also das, was den wahren Reiz im Umgang mit dem kostbarsten Gut der Menschheit ausmacht. Frauenpower kennt keine chronometrischen Grenzen. Hier sind neue mechanische Armbanduhren explizit für zarte Handgelenke:
Bulgari Serpenti Seduttori Tourbillon
Die Wurzeln der femininen „Serpenti“ mit Gehäuse in Gestalt eines Schlangenkopfs reichen zurück bis in die späten 1930-er Jahre. Speziell für diese signifikante Uhrenlinie hat Bulgari das Handaufzugskaliber BVL 150 entwickelt. Es misst 22 x 18 Mmm und baut gerade einmal 3,65 mm hoch. Durch seine Form nutzt es den Innenraum der 34 Millimeter breiten und bis drei bar wasserdichten Schale optimal aus. Die Besonderheit der mit drei Hertz tickenden Mikromechanik besteht in einem filigranen Minutentourbillon.
Das Bulgari Tourbillon in Aktion
Perfekten Durchblick gestattet die Verwendung von Saphirglas zur Lagerung des Drehgangs, dessen Unruh mit drei Hertz oszilliert.
Zeiger stellen die Stunden und Minuten dar. Nach manuellem Vollaufzug läuft das gegenwärtig kleinste Uhrwerk mit Tourbillon rund 40 Stunden am Stück.
Auf zu den Hamptons
Im Hause Baume & Mercier blickt die „Hampton“-Linie auf eine längere Geschichte zurück. Die 1994 lancierte und über Jahre hinweg sehr erfolgreiche Armbanduhr mit Rechteck-Schale basierte auf einem Modell von ca. 1942. Allerdings besaß der ursprüngliche Zeitmesser mit dem Handaufzugskaliber Eta 1000 noch keinen Namen. Neben der femininen Premieren-„Hampton Classic“ mit Stahlgehäuse, Quarzwerk und kleiner Sekunde erlebte die Produktlinie im Laufe der Jahre nach 1994 zahlreiche Metamorphosen. 2011 erfolgte ein Relaunch der „Hampton“ mit komplett neu gestaltetem Gehäuse.
Weil die Erfolge weit hinter denen des Vorgängermodells zurückblieben, stellt Baume & Mercier zur Watches & Wonders 2020 eine „Retro“-„Hampton“ vor. Gemeint ist die Rückbesinnung auf das Jahr 1994. Damen mit Faible für den kantigen Stil des Art Déco werden an der mittelgroßen Version ihre helle Freude haben. Ihr Stahlgehäuse misst 34 x 27,5 Millimeter. Durch den Sichtboden gibt sich das Automatikkaliber Eta 2671 mit Zentralsekunde zu erkennen. Das leicht auswechselbare Lederband besitzt eine Faltschließe. Dem nassen Element widersteht diese Armbanduhr bis zu fünf bar Druck.
Echt schräg – mit Tradition
Frau muss keineswegs schräg denken, oder einen schrägen Charakter besitzen, um an der „Tank Asymétrique“ aus dem Hause Cartier gefallen zu finden.
Die Biographie der „Tank“ reicht zurück bis 1917. Damals setzten englische Truppen erstmals die mit diesem Namen getarnten Kampfpanzer ein. Die martialischen Gefährte inspirierten den begnadeten Designer zur Kreation einer rechteckigen Armbanduhr.
Die bemerkenswert schräge Form einer Raute oder eines Parallelogramms erhielt sie 1936.
Zur dieses Jahr 2020 aus Gründen des neuartigen Coronavirus nur virtuell stattfindenden Uhrenmesse Watches & Wonders bringt Cartier die „Tank Asymétrique“ in der Kollektion Privé. Und zwar ausgestattet mit dem mit dem Manufaktur-Handaufzugskaliber 9623 MC.
Dank durchbrochener Konstruktion lassen sich die Funktionsabläufe vom Federhaus bei „12“ bis hinunter zum Schwing- und Hemmungssystem bei „6“ bis ins letzte Detail nachvollziehen. Infolge der streng limitierten Auflage wird es in warmem Roségold insgesamt jedoch nur 100 Exemplare geben.Wie bei Cartier üblich, trägt die Aufzugs- und Zeigerstellkrone einen Cabochon.
Mit dem im wahrsten Wortsinn schrägen Zeitmesser am Handgelenk outet sich Frau als echte Kennerin.
Doppelter Herzschlag
Den Herzschlag der menschlichen Kultur für die „Classic Ladies Automatik Double Heart Beat“ bei jedem Ablesen der Zeit vor Augen. In der Regel tun auch Frauen viel öfter als in den Spiegel zu blicken.
Weil sich Frédérique Constant dem erschwinglichen Luxus verschrieben hat, findet sich in dem 36 Millimeter großen Gehäuse das auf zugekaufte Sellita-Mechanik basierende Automatikkaliber FC-310. Nach Vollaufzug durch den beidseitig wirkenden Rotor läuft das zuverlässige Uhrwerk rund 38 Stunden am Stück. Durch die herzförmigen Fenster im Zifferblatt zeigt sich neben der Unruh auch die Seele des in mehreren Versionen erhältlichen Zeitmessers.
Der Große Knall am Handgelenk
Eine gehörige Portion Mut gehört schon dazu, wenn Frau diesen zeitschreibenden Boliden von Hublot zu nächtlicher Stunde allein am Handgelenk tragen will. Das Funkeln beinahe zahlloser Diamanten auf Gehäuse und Armband lässt sich schwerlich verbergen. Mit starker männlicher Begleitung sehen die Dinge dann allerdings schon wieder etwas anders aus.
Im Inneren des 42 Millimeter großen und 13,45 Millimeter hoch bauenden Gehäuses der „Big Bang Intergral“ mit Gliederband tickt das bewährte Unico-Manufakturkaliber HUB 1280. Das Uhrwerk mit Säulenrad-Chronograph besteht aus 354 Komponenten. Das offen gestaltete Zifferblatt zeigt die Kadratur des Stopp-Mechanismus. Nach dem Umdrehen der Schale zeigen sich durch den Saphirglas-Sichtboden unter anderem der beidseitig aufziehende Kugellagerrotor, die mit vier Hertz oszillierende Unruh, die zugehörige Spirale und das exklusive Feinreguliersystem für den Rücker.
Tourbillons mit individuellem Touch
Im Zuge der Feierlichkeiten zum 60. Jubiläum des ersten hauseigenen Handaufzugskalibers präsentierte Piaget im Jahr 2017 auch ein ultraflaches Tourbillon. Die Uhrmacher montieren das Uhrwerk, dessen filigranes Drehgestell sich in einem Zifferblattausschnitt bei „2“ präsentiert, aus 157 Komponenten. Einige Bauteile sind nicht dicker als ein menschliches Haar. Im Zuge der Uhrenmesse Watches & Wonders präsentiert die von einer Frau geleitete Uhrenmanufaktur unter dem Dach des Richemont-Konzerns drei außergewöhnliche „Altiplano“-Modelle.
An deren Design beteiligt waren Shiva Safai, ein iranisches Model, der chinesische Schauspieler und Sänger HuGe and sowie schließlich der amerikanische Schauspieler Michael B. Jordan.
Piaget ist jederzeit offen für persönliche Gestaltungswünsche. Zu deren Verwirklichung können sich anspruchsvolle Zeitgenossinnen mit dem nötigen Kleingeld vertraulich an die Genfer Manufaktur wenden.
1.344 Diamanten und keiner weniger
Bei der Vorstellung der neuen Modelle zur Watches and Wonders brachte Louis Ferla die Angelegenheit auf den Punkt: „Vacheron Constantin strebt nicht die Herstellung großer Stückzahlen an. Als Luxus-Uhrenmanufaktur wollen wir Menschen mit dem Wunsch für das in jeder Hinsicht Besondere ansprechen.“ Dem wird diese „Égérie Mondphase Joaillerie“ in jeder Hinsicht gerecht. Das tickende Schmuckstück ist mit summa summarum 1.344 Brillanten ausgefasst. Davon trägt die 37 Millimeter große Weißgoldschale deren 246 Brillanten. Das Gliederband aus dem gleichen Material ist mit 588 Brillanten besetzt. Schließlich finden sich auf dem Zifferblatt weitere 510 dieser Edelsteine.
Nicht nur mitternachts
Bei Zenith verknüpft sich die feminine “Defy Midnight” mit dem Slogan “It‘s time to reach your star.“ Auf gut Deutsch ist es also an der Zeit, nach deinem Stern zu greifen. Der Sternenhimmel kann blau sein, beim Sonnenaufgang ein wenig gräulich oder auch etwas dunstig. Und daraus resultieren die verschiedenen Zifferblätter dieser femininen Armbanduhr.
Das Design orientiert sich an gestalterisch Bewährtem, ohne die femininen Ansprüche des 21. Jahrhunderts außer Acht zu lassen. Exaltierte Optik ist ebenso ein Fremdwort wie einfallslose Reduktion auf aktuellen Mainstream. Durch drei Zifferblattfarben, jeweils elf Diamanten und ein Sternenmuster zielt die Manufaktur auf unterschiedliche Vorlieben. Noch höheren Ansprüchen wird die Version mit Diamant-Glasrand gerecht. Summa summarum 48 Brillanten bringen 1,38 Karat auf die Waage. Zur Befestigung am zarten Handgelenk birgt das luxuriös gestaltete Etui vier Armbänder. Drei Lederbänder teilen sich eine Faltschließe. Viertes im Bunde ist ein Gliederband. Der Sichtboden rückt das 3,88 Millimeter flache Manufakturkaliber 670 SK mit Rotor-Selbstaufzug in Szene.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass es viele wunderschöne Armbanduhren für Frauen gibt, die hochwertige mechanische Uhrwerke mit kleineren Gehäusegrößen, Komplikationen oder verzierten Lünetten und Gehäusen gibt. Diamanten wie hochwertige Uhren oder Edelmetalle bieten ja stets den Vorteil, von bleibendem Wert zu sein.
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