Prolog
Keine Frage: Jean Arnault begeistert sich für Uhren und da natürlich auch für die Louis Vuitton Tambour. Das wiederum merkt man dem jüngsten der fünf Kinder von LVMH-Patriarch Bernard Arnault bei jedem Wort an. Am 5. Juli präsentierte der 24-Jährige in Pariser Musée d’Orsay seine erste Kreation als aktueller Chef des Louis Vuitton Uhrendepartement.
Bis zum Lancement vor internationalem Publikum zogen nicht weniger als zwei Jahre durch die eidgenössischen und französischen Lande. Diese Zeitspanne hat der studierte Maschinenbauingenieur und Master der Finanzmathematik effizient genützt, um die 2002 auf den Markt gebrachte und inzwischen 21 Jahre alt gewordene Flagship-Uhrenlinie Louis Vuitton Tambour gründlich auf den Prüfstand zu stellen.
Ganz offensichtlich hat ihm bei intensiverer Beschäftigung mit der Vergangenheit einiges nicht ganz so gut gefallen. Nur so ist folgende Aussage während der Produktvorstellung zu erklären:
Ab sofort nehmen wir 80 Prozent unserer Uhren der Einstiegspreislage aus dem Sortiment. Dieser Launch ist für Louis Vuitton der bedeutendste der vergangenen 20 Jahre.
Louis Vuitton Tambour
Das Statement lässt in der Tat tief blicken. Mit wachem Auge hat Jean Arnault erkannt, dass die bisherige Tambour, zu Deutsch Trommel, unter anderem wegen ihrer bauchigen Gehäuseflanken und den speziell gestalteten Bandanstößen polarisiert. Nicht zuletzt deshalb haben die Produktgestalter der 2023-er Tambour einen völlig neuen Auftritt gegönnt. Mit 40 Millimetern Durchmesser passen die Newcomer Tambour Uhren gleichermaßen gut an weibliche wie männliche Handgelenke.
Einen wichtigen Beitrag zur eher zurückhaltenden, aber durchaus auch augenfälligen Optik leistet das integrierte Gliederband. Konkav geformt ist die Oberseite der Bandglieder. Ihre Unterseite ist so gewölbt, dass sich das Ensemble den Rundungen des Handgelenks anpasst. Erste eigene Eindrücke bestätigen einen hohen Tragekomfort.
Auch der Sichtboden des Stahlgehäuses ist in diesem Sinne nicht flach, sondern so ausgeführt, dass er mit der Oberseite des Unterarms harmoniert. Insgesamt nur 8,3 Millimeter trägt die Schale am Unterarm auf. Diese relativ geringe Bauhöhe kommt der Gehäuse-Silhouette sehr zugute. Erstaunlich dezent zeigt der Glasrand die Buchstaben des Herstellers, sprich den Namen Louis Vuitton.
Natürlich blickt man durch kratzfestes Saphirglas auf das ausdrucksstarke, rund einen Millimeter dicke Zifferblatt. Für die Stahlmodelle, Pendants in Gold sollen dem Vernehmen nach später folgen, offeriert das Label die Farbvarianten Blau und Grau. Anfangs schlug mein Herz für die erstgenannte Farbe. Nach längerem Betrachten des Duos fand ich das Grau jedoch deutlich besser.
Mit seiner dreidimensionalen Architektur, vier deutlich voneinander abgegrenzten Sektoren, applizierter Indexierung sowie dem geschliffenen Zentrum bieten sich beim Drehen des Zeitmessers ganz unterschiedliche Eindrücke. Das ist zwar auch beim blauen Blatt der Fall, aber Grau kann das einfach besser.
Zum besseren Ablesen bei Dunkelheit tragen die Stundenziffern sowie die beiden zentral rotierenden Zeiger reichlich Super-LumiNova Leuchtmasse. Den nostalgischen Look des Zifferblatts untermauert die kleine Sekunde bei „6“.
Neues Automatikwerk
Ums Messen und Anzeigen der Zeit kümmert sich das neue Automatikkaliber LFT023. Seine Architektur und die Ausstattung mit Mikrorotor rufen bei Kennern ein gewisses Déjà Vue hervor. Womit nicht gesagt sein soll, dass es dieses 4,2 Millimeter flache Uhrwerk so schon einmal gab. Aber der grundsätzliche Aufbau lässt darauf schließen, dass La Fabrique du Temps Louis Vuitton, der die Uhrenproduktion im Genfer Stadtteil Meyrin obliegt, mit dem einschlägig erfahrenen Spezialisten Le Cercle des Horlogers kooperierte.
Dem ist auch so, wie Michel Navas bestätigt. Der Verantwortliche für das Uhrenatelier der Fabrique du Temps verweist auf die fruchtbare Zusammenarbeit während der vergangenen Jahre, die sich nun eben auch im Kaliber LFT023 niederschlägt. Eine modifizierte Version mit kleiner Sekunde im oberen rechten Zifferblattquadranten verbaut Speake-Marin in seiner erfolgreichen Ripples Uhr. Christelle Rosnoblet, der Speake-Marin gehört, hat bekanntlich auch beim Cercle des Horlogers das Sagen. Mittelfristig möchte Louis Vuitton jedoch eigene Kaliber entwickeln und produzieren. So weit ist es aber noch nicht.
Aus 145 Komponenten montieren die Uhrmacher besagtes LFT023. Seine Schwungmasse aus 22-karätigem Roségold spannt den Federspeicher in beiden Drehrichtungen. Nach Vollaufzug stehen rund 50 Stunden Gangautonomie zur Verfügung. Stündlich 28.800 Halbschwingungen vollzieht der Gangregler.
Zertifizierte Ganggenauigkeit
Die Präzision der neuen Tambour bewegt sich im Bereich der Schweizer Chronometernorm. Folglich weicht sie pro Tag nicht mehr als -4 und +6 Sekunden von der astronomischen Norm ab. Hinsichtlich der Ganggenauigkeit ist erstmal bei einem Schweizer Uhrenhersteller das Genfer Observatoire Chronométrique+ an Bord.
Selbiges agiert unter der Schirmherrschaft der Stiftung Timelab, welche auch die Prüfungen zur Erlangung des Genfer Siegels überwacht. Logischer Weise steht das Ganze unter staatlicher Aufsicht. Schließlich besitzt das Zertifizierungslabel für die Schweizer Haute Horlogerie nur dann einen Wert, wenn die niedergeschriebenen Richtlinien konsequent befolgt werden. In diesem Fall setzen sich die Instanzen, welche über die Einhaltung dieser Regeln wachen, aus Legislative, Exekutive und Judikative zusammen, also einem gesetzgebenden, einem ausführenden und einem gerichtlichen Organ zusammen. Alle drei funktionieren unabhängig voneinander.
Oberste Instanz, ist der vom Genfer Staatsrat delegierte Stiftungsrat des Laboratoire d’Horlogerie et de Microtechnique de Genève. Er ist das gerichtliche Organ und einziger Garant dazu. Die technische Kommission des Observatoire Chronométrique+ tritt an die Stelle des legislativen Organs. Seine Aufgabe ist es, die Kriterien festzulegen und die Richtlinien entsprechend den technologischen Innovationen zu aktualisieren. Die Funktion des Exekutivorgans ist an das Büro des Observatoire Chronométrique+ delegiert. Über seine Homologations-, Zertifizierungs- und Audit-Zellen kontrolliert es ständig die Anwendung der Kriterien des Observatoire Chronométrique+ während der gesamten Herstellungsphase der Zeitmesser.
Die Kommission des Chronometrischen Observatoriums+ hingegen hat die Aufgabe, den Grad der Zuverlässigkeit zu bestimmen, welcher von den verschiedenen technischen Komponenten der Uhr erwartet wird. Sie legt die Richtlinien fest und sorgt hernach dafür, dass diese auch befolgt und eingehalten werden.
Der Zertifizierungsprozess
Das Observatoire Chronométrique+ zertifiziert Präzisionszeitmesser durch verschiedene Tests, wie z. B. die Wasserdichtigkeit, die Ganggenauigkeit des eingeschalten Werks und eine dynamische Phase beim Tragen. Analog zum Genfer Siegel kann die Zertifizierung kann vor Ort beim Einreicher durchgeführt werden. Um einen Gangschein zu erhalten, muss ein Chronometer bestimmte Bedingungen in unterschiedlichen Kategorien erfüllen.
Hier sind die drei Hauptkriterien:
Die mittlere oder durchschnittliche Abweichung vom Tagesgang. Diese entspricht dem arithmetischen Mittel aller Tagesgänge der ersten 10 Prüftage.
Die mittlere Abweichung von Periode zu Periode oder die durchschnittliche Abweichung bei der Positionsänderung. Diese Differenz errechnet sich dadurch, dass man vom Durchschnitt der Gänge in 6-h-Position am 1. und 2. Tag den Durchschnitt der Gänge in Zifferblatt-oben-Position am 9. und 10. Tag abzieht.
Der Kompensationsfehler für ein Grad Celsius errechnet sich dadurch, dass man vom Gang bei 38 °C den Gang bei 8 °C subtrahiert und das Resultat durch das in Grad Celsius ausgedrückte Temperaturintervall teilt.
Übrigens können Käuferinnen und Käufer die Authentizität ihrer Armbanduhr mit Hilfe eines Smartphones und dem QR-Code im Zertifikat auf der Webseite des Observatoire Chronométrique überprüfen.
Epilog
Erwerben lässt sich die stählerne Louis Vuitton Tambour ab September 2023 für 19.000 Euro ausschließlich in den eigenen Boutiquen der französischen Luxusmarke. Diese Exklusivität wirkt Graumarktaktivitäten und Discounts entgegen.
Die Lieferung einer Louis Vuitton Tambour erfolgt in einem Mini-Koffer aus der hauseigenen Manufaktur, der das Monogramm LV und natürlich die stilisierte Blume trägt. Mit dieser Verpackung schlägt der junge Chef die Brücke von der relativ kleinen Uhrenabteilung zum ganz Großen, dem seit 1854 erhältlichen Reisegepäck. Ein cleverer Zug. Chapeau Jean Arnault.
Die Louis Vuitton Tambour im LV Video:
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Infos über den Louis Vuitton Tambour Chronographen von 2022 gibt es hier.
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