Ewigkeitswerk
Zur Watches & Wonders 2024 wartete IWC mit einer komplizierten Portugieser auf. Die neue IWC Portugieser Eternal Calendar, Ref. IW505701, weiß, dass 2100, 2200 und 2300 keine Schaltjahre sein werden. Nach dem Motto gewusst wie hat die Schaffhauser Manufaktur die technische Umsetzung des Gregorianischen Kalenders für eine Armbanduhr in gewohnter Weise, mit erstaunlich wenigen Komponenten und sehr ingenieurmäßig, bewältigt. Das Resultat ist beeindruckend und, wie es scheint, auch sehr langlebig.
Allerdings werden die vorwiegend männlichen Eigentümer das Besondere des IWC Ewigen Kalender Newcomers in aller Regel nicht selbst erleben. Bis 2100, wenn die Mechanik erstmals so richtig zeigen kann, was in ihr steckt, vergehen schließlich noch 76 Jahre. Aber allein das Wissen um die Spezifika taugt trefflich zum Storytelling. Daher richtet sich der Blick des Uhrenkosmos zuerst einmal auf die kleinen, im Alltagsleben kaum relevanten Tücken unseres Kalendersystems.

Kalenderwissen in kurzen Zügen
Die Frage, was in Rom vom 5. bis 14. Oktober 1582 geschah, lässt sich mit sechs Buchstaben beantworten: nichts. Rein gar nichts, denn auf Geheiß Gregor XIII. mussten diese Tage ersatzlos ausfallen. Nach dieser Zwangsmaßnahme startete der nach ihm benannte Gregorianische Kalender am 15. Oktober 1582. Mit seinem Edikt hatte der reformfreudige Papst eine astronomisch bedingte Reform in Kraft gesetzt, welche einen winzigen, auf Dauer jedoch durchaus gravierenden Rechenfehler von Gaius Julius Caesar ausbügelte.
Gleichwohl lebt die Menschheit grundsätzlich nach dem Julianischen Kalender. Ihm zufolge dauert das Sonnenjahr 365,25 Tage. Auf drei normale Jahre mit jeweils 365 Tagen folgt ein um den 29. Februar verlängertes Schaltjahr. 45 vor Christus trat der vom römischen Staatsmann initiierte Kalender in Kraft. Beraten vom griechischen Astronomen Sosigenes hatte er die ganzen Verwerfungen des bis dahin geltenden altrömischen Kalenders aus der Welt geschafft.
Das regelkonforme Einfügen eines 30. Februars in den Jahren 41, 37, 33, 29, 25, 21 etc. sollten eigens bestellte Kalenderpriester überwachen. Als gebührende Ehre für diese Leistung benannte der römische Senat Caesars Geburtsmonat Quintilis in Julius, seinen Geschlechtsnamen um. Und der besaß 31 Tage.
Nach der Ermordung des Herrschers in den Iden des März 44 gestanden die ungeduldigen Pontifex Minor bereits jedem dritten Jahr einen Schalttag zu. Und damit kam die kalendarische Welt erneut in Unordnung. Im Jahr 8 nach Christi Geburt schritt Kaiser Augustus zur Tat. Er startete den Julianischen Kalender neu. Zufall oder nicht: Seitdem lassen sich die Schaltjahre bequem per Division durch vier ermitteln. Übrigens bedankte sich der römische Senat auch bei Caesars Adoptivsohn. Und zwar für die Eroberung Alexandrias und die Unterwerfung von Antonius und Kleopatra im Sextilis des Jahres 31 v. Chr.
Weil der in Augustus umbenannte Monat nach alter Rechnung lediglich 30 Tage besaß, fühlte sich der Herrscher benachteiligt. Ergo mussten der August um einen Tag verlängert, die Folgemonate entsprechend umgeordnet sowie der Februar auf 28 oder – in Schaltjahren – auf 29 Tage verkürzt werden.
Von nun an hätte alles so schön sein können, wenn Caesar, der am 2.8.47 v. Chr. bei Zela „kam, sah und siegte“, und Sosigenes das Jahr nicht um 11 Minuten und 14 Sekunden oder 0,0078 Tage zu lange berechnet hätten. Im Laufe von gut 1600 Jahren summierte sich der winzige Betrag zu den eingangs erwähnten zehn Tagen.

Um solches künftig zu verhindern, erhielten Gregor XIII. zufolge von den Säkularjahren 1600, 1700, 1800 ff künftig nur noch die durch 400 teilbaren einen Schalttag. Folglich fehlte und fehlt der 29. Februar trotz des üblichen 4-Jahres-Zyklus in den Jahren 1700, 1800, 1900, 2100, 2200, 2300 usw.
So betrachtet tangiert die Ende Februar 2100 fällige Korrektur im Sinne des beispielsweise 1700 in Deutschland, 1752 in Großbritannien, 1873 in Japan oder 1949 in China eingeführten Gregorianischen Kalenders den überwiegenden Teil der gegenwärtig lebenden Menschheit nicht.

Ewige Kalender in Uhren
Eine Taschenuhr die den Vorgaben den Julianischen Kalenders folgt, also einen so genannten ewigen Kalender besitzt, fertigte der Engländer Thomas Mudge schon 1764. Die erste Armbanduhr dieses Typs lancierte Patek Philippe 1925.

Ewiger Kalender
Zeit-Genossen, die es am Handgelenk genauer wollen, verhalf der Genfer Uhrmacher Svend Andersen schon 1993 zu wirklich immerwährendem Kalenderglück. Die Kadratur des Chronomètre Perpétuel weiß, dass 2100, 2200 und 2300 keine Schaltjahre sein werden.
Deutlich komplizierter ist die 2006 lancierte Franck Muller Aeternitas 4. Für diese Armbanduhr entwickelte der 1935 geborene Schweizer Meister-Uhrmacher Pierre Michel Golay einen intelligenten Mechanismus mit zwei zusätzlichen Kalender-Räderwerken. Das erste der beiden beinhaltet je ein Rad für 10, 100 und 1000 Jahre.
Dieses Ensemble gestattet die Indikation der Jahreszahl auch über einen Jahrtausendzyklus hinaus. Mit Hilfe entsprechend berechneter und geformter Nocken bewirkt das zweite Rad ein Entfallen der Schalttage in allen nicht durch 400 teilbaren Säkularjahren. Ihm ist aber auch geläufig, dass 2400, 2800, 3200 etc. einen 29. Februar aufweisen werden. Durch das kleine Fenster im Zifferblatt-Zentrum lassen sich die Jahreszahlen zunächst bis (2)999 ablesen. Dann springt die Indikation auf (3)000. Der Lauf durchs nächste Jahrtausend kann beginnen.

Aus 838 Komponenten besteht das tonneauförmige Automatikkaliber mit acht Tagen Gangautonomie. Das alles ist wahrhaft genial, in unserem Alltagsleben aber nicht wirklich nötig.
Im Grunde genommen waren die Limitierungen des Ewigen Kalenders für uns immer eine Herausforderung. Dahinter steht unser Engineering-Anspruch. Die Frage ist immer, zu welcher Zeit haben wir die Kapazität, eine wirkliche Optimierung anzupacken. Als die Grundsatzidee eines Eternal Calendar und Lösungsansätze für die damit verknüpften Probleme auf dem Tisch lagen, haben wir diese deutliche Aufwertung für unsere Portugieser auch tatsächlich ins Auge gefasst. Das führt irgendwann zur Realität, egal wie lange es am Ende dauert. Bei uns war das nach viereinhalb Jahren der Fall

IWC Portugieser Eternal Calendar
Wesentlich pragmatischer ist IWC beim neuen Portugieser Eternal Calendar ans Werk gegangen. Hier endet die Jahreszahl-Indikation schon 2399. Entgegen dem uhrmacherisch geprägten Ansatz von Pierre Michel Golay setzt die Schaffhauser Manufaktur auf reinrassige Ingenieurleistung. Diese gründet sich auf das, was Kurt Klaus in den frühen 1980-er Jahren für den 1985 vorgestellten Da Vinci Chronographen mit ewigem Kalender entwickelt hatte.
In diesem Fall trägt das Basiskaliber Valjoux 7750 eine Kadratur mit Anzeige der Jahreszahl bis 2100. Per Krone lassen sich alle Indikationen inklusive Datum, Wochentag und Monat vorwärts bewegen. Drücker sind entbehrlich. Wer beim Einstellen über das Ziel hinausschießt, muss allerdings seine Uhr solange liegen lassen, bis das Kalendarium wieder stimmt.

Beim Automatikkaliber 52640 des Portugieser Eternal Calendar haben die Techniker ein Modul hinzugefügt. Alle vier Jahre Ende Februar liefert es dem eigentlichen Kalenderwerk die Information, ob es einen 29. Tag gibt oder nicht. Logischer Weise dreht das zugehörige Säkularrad während 400 Jahren einmal um seine Achse. Die Tatsache, dass in diesem Zeitraum drei Schaltjahre entfallen müssen, ist durch drei Öffnungen programmiert. Hinzu gesellen sich ein spezielles Malteserrad und einige weitere technische Kniffe.




In Liga-Technologie angefertigte Teile verhindern Spiel. Weil sie eine extrem glatte Oberfläche besitzen und außerdem langsam drehen, braucht es kein Öl. Eine Zwangssteuerung verhindert der Verlust der Synchronisierung. Sprich: Das durchdachte System kann nur so und nicht anders. Wer meint, dass diese zusätzliche Ebene von hochkomplexer Natur ist, irrt gewaltig. Ganz nach dem altbewährten Ingenieur-Motto, dass nicht kaputtgehen kann, was gar nicht erst vorhanden ist, verlangt sie nach lediglich acht Komponenten.

Genauer geht es nicht
Natürlich gehört zu dieser sehr speziellen IWC Portugieser auch eine Mondphasenanzeige. Und die geht deutlich genauer als jene in den Vorgängermodellen. Mehr noch: Der patentierte Doppelmond mit Indikation der Lichtphasen über der nördlichen und südlichen Hemisphäre verkörpert einen Weltrekord.
Dazu muss man wissen, dass eine Lunation, also der Zyklus von Neumond zu Neumond astronomisch korrekt 29 Tage, 12 Stunden, 44 Minuten und etwa 2,88 Sekunden dauert. Bei seiner Wanderung um die Erde folgt der Mond übrigens keinem exakten täglichen Rhythmus. Einfache Mondphasenindikationen runden großzügig auf 29,5 Tage ab.


Die mit zwei Monden bedruckte Scheibe besitzt 59 Zähne und wird täglich um eine Position weitergeschaltet. Infolge derart simpler Technik gehen sie rund alle drei Jahre um einen Tag falsch. Das Groß der gegenwärtig am Markt vertretenen Präzisionsanzeigen verlängert diesen Zeitraum auf 122 Jahre. Der 2003 vorgestellte Portugieser Perpetual Calendar, Referenz IW5021, brachte es auf 577,5 Jahre. Schon derartige Mond-Präzision verlangt nach einem ausgeklügelten Untersetzungsgetriebe zwischen dem Basiswerk und der mit zwei Monden bedruckten Scheibe.
Die Anzeigegenauigkeit höherwertiger Mondphasenanzeigen hängt von drei Faktoren ab:
- Quantum der verwendeten Räder,
- Durchmesser dieser Räder
- und die Zahl der in den Umfang gefrästen Zähne.


Im Fall der Portugieser Eternal Calendar haben die Techniker Computer mehr als 22 Billionen verschiedene Kombinationen durchrechnen lassen. Das Resultat bestand in einem Untersetzungsgetriebe mit drei Zwischenrädern. Anschließend ging es darum, diese Getriebekette so in die vorderseitige Kalender-Kadratur einzufügen, dass der Doppelmond wie gewohnt bei “12” zu sehen ist.
Für die Indikation verwendet der IWC Portugieser Ewiger Kalender zwei übereinanderliegende Scheiben: Über einer unbeweglichen unteren Titanscheibe mit guillochierter Fläche und zwei kreisrunden Feldern rotiert eine Himmelsscheibe aus Glas mit ebenso vielen runden Öffnungen. Diese umgekehrte Art der Darstellung erzeugt den Eindruck zweier zu- und abnehmender Monde.


Werk und Verpackung
Das gesamte Mechanik-Oeuvre mit beidseitig wirkendem Rotor-Selbstaufzug à la Pellaton nennt sich Kaliber 52640 und entstammt eigener Manufaktur. Zwei Federhäuser speichern Kraft für sieben Tage Gangautonomie. Besonders stark beanspruchte Komponenten des Aufzugssystems bestehen aus Zirkonoxid-Keramik (Mehr zu Keramik wie Keramikgehäusen und ihrer Herstellung gibt es hier auf Uhrenkosmos zu lesen). Das ist zwar ein wenig lauter, dafür jedoch nahezu verschleißfrei.
Mit vier Hertz oszilliert der Gangregler. Die Vorderseite des Automatikwerks trägt ein aufwändig hergestelltes Glaszifferblatt. Schutz bis zu fünf bar Wasserdruck bietet ein 44,4 mm großes und 15 mm hoch bauendes Platingehäuse mit Sichtboden. Eine Platin-Faltschließe besitzt das Alligator-Lederband des italienischen Lederspezialisten Santoni in den italienischen Marken. Eine Armbanduhr wie die IWC Portugieser Eternal Calendar hat natürlich auch ihren Preis. Und der liegt bei ca. 170.000 Euro



Vielen Dank für den Artikel.
Wie auf dem Bild zu sehen ist, geht der Jahrhundertschieber, wie bei IWC gehabt, bis 22XX.
Da die Uhr bis 3999 funktionieren soll, liegen dann entsprechende Jahrhundertschieber der Uhr bei?