Kommunikation eher klein geschrieben
Seiko ist Phänomen, Mysterium und scheinbarer Widerspruch in sich zugleich. Im Land der aufgehenden Sonne ist diese Uhrenfabrik wie Uhrenmanufaktur seit ihrer Gründung im Jahre 1881 eine echte Institution. Japan verdankt ihr nicht nur viele Arbeitsplätze, sondern auch zahlreiche Pionierleistungen auf dem Gebiet der Zeitmessung. Demgegenüber verknüpfen viele europäische Uhrenliebhaber Seiko vor allem mit innovativer Elektronik und aufwendigen, hochwertig verarbeiteten Uhren der Linie Gand Seiko. Und damit liegen sie auch gar nicht so falsch.
Immerhin lancierte das Unternehmen 1969 mit der „Astron“ eine echte Quarz-Pionierleistung. In der eigenen Firmenbiographie genießt diese Kreation einen hohen Stellenwert. Ein anderes Ereignis aus dem Jahr 1969 fand hingegen kaum Erwähnung. Gemeint sind die Chronographenkaliber 6139 und 6138 mit Rotor-Selbstaufzug. Auch das Streben nach höchster Uhrmacherkunst und offiziell geprüfter Präzision war in Europa kein wirkliches Thema.
Präzision groß geschrieben
Ganz anders in Japan. Seinen Heimatmarkt hatte Seiko schon in den 1950-er Jahren bei verschiedenen Genauigkeitswettbewerben dominiert. Der Grund: intensive und kontinuierliche Verbesserung der Qualität eigener Handaufzugskaliber. In diesem Sinne belegte eine Seiko „Marvel“ von 1956 beim Test des Central Inspection Insitute of Weights an Measures of Japan problemlos die ersten neun Plätze.
Das verwendete Handaufzugskaliber mit Zentralsekunde musste sich in technischer Sicht keinesfalls hinter einem Omega 30T2, Peseux 260 oder Zenith 135 verstecken. Mehr noch: Seine außerordentliche Qualität führte es in optimierter Form als Kaliber 3180 in die ersten „Grand Seiko“ Chronometer. Selbige erblickten just in jenem Jahr 1960 das Licht der Welt, als die japanischen Genauigkeitswettbewerbe bedauerlicher Weise endeten.
Auszeichnung in den Wettbewerben
Als genialer Vater der „Marvel“ und „Grand Seiko“-Armbanduhren brauchte Tsuneya Nakamura jedoch adäquate Vergleichsmöglichkeiten mit eidgenössischen Erzeugnissen. In dieser misslichen Situation entdeckte der spätere Seiko Epson-Präsident die jährlichen Chronometerwettbewerbe des Neuenburger Observatoriums. Der weltgewandte Japaner beschäftigte sich intensiv mit dem Reglement und brachte so die Erzeugnisse aus Suwa als echte Mitbewerber ins Spiel. Allerdings war die Ausbeute des Jahres 1964 mehr als enttäuschend. Über einen 144. Platz kamen die Produkte aus dem Fernen Osten nicht hinaus. Aber Nakamura handelte nach der Devise „jetzt erst recht.“ Konsequent begannen er und seinen Team mit der Erforschung und Ausmerzung ausgemachter Fehlerquellen wie etwa den unpräzisen, weil magnetisch beeinflussten Unruhspiralen. Darüber hinaus stieg für eine Erhöhung der Gangpräzision die Unruhfrequenz auf vier oder gar fünf Hertz.
Wegen seiner ungewöhnlichen Form erhielt das Seiko Präzisionskaliber 052 den Spitznamen Kartoffel. Die Oberfläche von 702 mm² war exakt auf die Schweizer Wettbewerbsbedingungen zugeschnitten.
Die Summe aller Maßnahmen führte zu außerordentlich guten Resultaten in Neuenburg und dazu auch in Genf. Beflügelnd wirkte ein hausinterner Wettbewerb zwischen den Ateliers in Suwa und Kameido. Beide entwickelten jeweils eigene Uhren spezieller Bauweise.
Den Vogel schoss das wegen seiner spezifischen Form so genannte „Kartoffel“-Kaliber von Osamu Sugawara ab. Innerhalb von nur fünf Jahren katapultierte sich Seiko bei den Schweizer Chronometerwettbewerben auf einen ersten Platz. Grund genug, in vielen Zeitungsinseraten auf die Leistungen in punkto Präzision aufmerksam zu machen. Trotzdem hielten sich die internationalen Verkäufe u.a. der „Grand Seiko“ über Jahrzehnte hinweg in engen Grenzen.
Grand Seiko für hohe Ansprüche
Die Frage nach dem Warum verlangt nach mehreren Antworten. Dabei darf man das breite Produktspektrum nicht aus den Augen verlieren. Bei Seiko reicht es von recht einfachen Zeitmessern für wenige Euro bis hin zu Top-Kreationen wie der Edellinie Grand Seiko und der 1974 vorgestellten Seiko Credor. Und das ist ein Grund, warum das Unternehmen bei vielen Europäern als Massenfabrikant gilt. Seine Fabriken verlassen jährlich mehr als 350 Millionen Uhrwerke und über 16 Millionen Fertiguhren. In diesem Umfeld gerät gerne in Vergessenheit, dass Seiko alle benötigten Komponenten von der winzigen Unruhspirale bis hin zu den Zeigern, Zifferblättern, Gehäusen, Saphirgläsern und Schmiermitteln selber produziert.
In den 1970-er Jahren erlebte das Spitzenprodukt Grand Seiko die Abkehr von der traditionellen Mechanik. Infolge der Quarzrevolution schlug Seiko eine völlig andere Richtung ein. Der Stellenwert hochrangiger mechanischer Uhrmacherei nahm immer weiter ab. 1975 brachte sogar eine vorübergehende Einstellung dieser Uhrenlinie. In Japan besaß sie fast schon den gleichen Stellenwert wie eine Patek Philippe. Dementsprechend hoch waren auch die Preise. Sie und die völlig unterentwickelte Vertriebsstruktur schmälerten die Erfolge der „Grand Seiko“ in der Alten Welt. Freaks brachten ihr Exemplar aus Japan mit.
Mehr Grand Seiko Uhren
An dieser Tatsache änderte sich auch nach 1988 nur wenig, als steigende Nachfrage in Japan zur Renaissance der Grand Seiko führte. Zehn Jahre lieferten hauptsächlich oszillierende Quarze den Zeittakt.
Erst dann kehrte überlieferte Mechanik zurück. An Verkaufspunkte in Europa dachte das Management nicht. Die relative geringe Stückzahl, welche sich traditionsgemäß im Promille-Bereich der Gesamtproduktion des Hauses Seiko bewegte, reichte gerade einmal zur Versorgung des Heimatmarktes.
Somit konnte konnte die Präzisions-Ikone den überragenden Ruf, welche sie im Land der aufgehenden Sonne genoss, internation kaum entfalten. Die kostspielige „Grand Seiko“ war primär ein japanisches Thema. Und sie blieb es auch noch etliche Jahre.
Sprung nach Europa
Seit 2015 und dem 55. Geburtstag der Grand Seiko, welche die japanische Traditionsmanufaktur als eigene Marke führt, sind Armbanduhren mit dieser Signatur auch auf dem europäischen Kontinent präsent.
Freilich braucht gut Ding Weile. Nur wenige der potenziellen Kunden begreifen den Spagat zwischen preisgünstig und angemessen teuer. Schließlich tragen die Zifferblätter da wie dort den Namen Seiko. Die Bedeutung des zusätzlichen Wortes Grand und die dadurch erzeugte Verknüpfung mit höchster Uhrmacherkunst ist in den Köpfen noch nicht angekommen.
Zu den Unbenannten zählt auch, dass Seiko in Morioka, 500 Kilometer nordöstlich von Tokio eine spezielle Fabrikationsstätte unterhält. Dort haben Schweizer Spezialisten japanische Uhrmacher intensiv trainiert. Das Shizukuishi Watch Studio mit etwa 60 Angestellten, darunter rund zwanzig Spitzenuhrmacher, bringt in der Tat das Feinste hervor, was Japans Uhrenindustrie zu bieten hat.
Die Uhrwerke, man höre und staune, sind in einem Ausmaß handgefertigt, welches man in der Schweiz vielerorts nicht mehr findet. Die Gehäuse bestechen durch aufwändige Zaratsu–Handpolitur. Und die Amtliche Schweizer Chronometernorm wird von jenen Uhrwerken, welche sich in den neuen Grand Seiko-Modellen finden, sogar noch unterboten. Die akzeptierte Toleranz bewegt sich im statischen Zustand zwischen minus drei und plus fünf Sekunden täglich.
Daher verdient die Grand Seiko 60 Jahre nach ihrem Lancement ein gerüttelt Maß an Beachtung. Fürs verlangte Geld bieten die solcherart signierten Armbanduhren nämlich außerordentlich viel.
Grand Seiko 60th Anniversary Limited Edition
Aus Anlass der Feierlichkeiten zum runden 60. Geburtstag präsentiert Grand Seiko unter anderem ein neues Automatikmodell mit der Referenznummer SBGH281.

Gewissermaßen Vater und Sohn: Links die Grand Seiko Self Dater von 1964 und rechts die neue Grand Seiko 60th Anniversary Limited Edition, Referenz SBGH281
Bei ihm stechen sofort das blaue Zifferblatt, der rote Sekundenzeiger und eine gleichfarbige Beschriftung ins Auge. Letztere weist unmissverständlich darauf hin, dass die Unruh des im Gehäuseinneren verbauten Automatikkalibers 9S85 hochfrequent oszilliert. Konkret vollzieht der Gangregler stündlich 36.000 Halbschwingungen. Die Vorteile der fünf-Hertz-Frequenz, darunter eine geringe Empfindlichkeit gegenüber Stößen und Langeveränderungen, entdeckten die Japaner bereits in den 1960-er Jahren. 1966 gelangte das solcherart tickende Handaufzugskaliber 5740C auf den Markt.
Die vergleichsweise kleine Unruh des Grand Seiko Hi-Beat–Kalibers 9S85 oszilliert mit flotten fünf Hertz.
2010 gab das 9S85 seinen Einstand in der damals exakt 50 Jahre jungen Grand Seiko-Kollektion. Eine neuartige Zugfeder, entwickelt während sechs Jahren zusammen mit dem Metal Material Laboratory der Tohoku Universität, gewährleistet 55 Stunden Gangautonomie. Die moderne, hinsichtlich ihrer thermischen, magnetischen und schockresistenten Eigenschaften deutlich optimierte und selbstverständlich unter dem eigenen Dach gefertigte Unruhspirale nennt sich Spron 530.
Anker und Ankerrad entstehen im fotolithographischen MEMS-Verfahren („Micro Electro Mechanical Systems“), welches der LIGA-Technologie ähnelt. Die Verwendung von Silizium lehnt Seiko unter anderem wegen der inhärenten Bruchgefahr derzeit noch konsequent ab.
Dieses Uhrwerk mit Fensterdatum umfängt ein 40 Millimeter großes und 13,3 Millimeter hoch bauendes Sichtboden-Stahlgehäuse mir Schraubkrone. Bis zu zehn bar Druck bleibt Wasser außen vor. Nach 1.500 Exemplaren zum Stückpreis von 6.200 Euro endet die Produktion.
Vorder- und Rückseite der Grand Seiko 60th Anniversary Limited Editions, Referenz SBGH281
Interview über Grand Seiko mit dem Deutschland Geschäftsführer von Seiko Frank Deckert anlässlich der Baselworld über Grand Seiko und ihre Philosophie
Uhrenkosmos Modell-Steckbrief
Hersteller |
Seiko |
Name |
Grand Seiko 60th Anniversary Limited Editions |
Referenz |
SBGH281 |
Premiere |
Januar 2020 |
Uhrwerk |
Kaliber 9S85 |
Aufzug |
automatisch durch Kugellagerrotor |
Durchmesser |
28,4 Millimeter |
Bauhöhe |
5,9 Millimeter |
Gangautonomie |
55 Stunden |
Unruhfrequenz |
fünf Hertz |
Anzeige |
Stunden, Minuten, Sekunden, Datum |
Besonderheit |
geprüfte Ganggenauigkeit -3/+5 Sekunden/Tag (statisch) |
Gehäuse |
Stahl |
Durchmesser |
40 Millimeter |
Höhe |
13,3 Millimeter |
Wasserdichte |
zehn bar |
Armband |
Edelstahl mit Faltschließe |
Preis |
6.200 Euro |
Limitierung |
1.500 Stück |
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