Die Marke Oris hat ja durchaus bewegte Zeiten hinter sich und trotzdem war das abgelaufene Jahr 2020 für Rolf Studer, den Co-CEO Oris kein einfaches Jahr, insbesondere keines, das in seinen Irrungen und Wirrungen so vorhersehbar war. Gleiches gilt für das junge Jahr 2021. Der neuerliche Lockdown in weiten Teilen Europas lässt das Jahr recht schwierig beginnen und niemand weiß, was noch kommen wird, bzw. wann sich die Situation wieder normalisiert. Aber jede Veränderung ist jedoch auch eine Chance. Entsprechend haben wir Rolf Studer gefragt, wie er das Jahr 2020 erlebt hat und welche Ziele er sich für Oris gemeinsam mit dem Team für das kommende Jahr 2021 gesetzt hat.
Uhrenkosmos:
Das Jahr 2020 hatte keiner so erwartet. Wie haben sich die durch Corona verursachten disruptiven Veränderungen auf Oris ausgewirkt?
Rolf Studer:
Wir sind noch näher an den Konsumenten gerückt. Als Team und als Marke haben wir in kurzer Zeit neue Ideen und Kommunikationsweisen entwickelt und umgesetzt – diese Zeit fühlte sich sehr lebendig an! Wichtig war natürlich auch, die Kosten im Griff zu behalten und die Ausgaben entsprechend anzupassen.
Gibt es überhaupt noch Ziele aus dem Jahr 2019, die Sie unverändert verfolgen konnten?
Die Arbeit an der Marke bleibt grundsätzlich die gleiche. Corona änderte die Rahmenbedingungen der Kommunikation, das hatte jedoch keinen Einfluss auf unsere Botschaft.
Lockdowns, Werkschließungen, Produktionskürzungen, Homeoffice. Wie kommunizieren Sie mit Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Sachen Zukunft? Sehen Sie auf absehbare Zeit einen Weg zurück zum alten System?
Wir sind unabhängig und komplett eigenfinanziert. Wir haben in unserer Geschichte schon schwere Krisen überstanden. Wir werden auch diese überstehen. Entscheidend ist, wie wir die Krise nutzen und was wir tun, um die Situation zu gestalten. Auf Krisen schaut man immer zurück. Dann wird man sich daran messen lassen müssen, was man in dieser anspruchsvollen Zeit getan hat oder eben nicht. Schwierige Zeiten sind Chancen für die Mutigen.
Wie hat die Corona-Krise den Uhrenverkauf bei Oris verändert? Andere CEOs sprechen von 20 bis 30 Prozent Umsatzrückgang. Sind Sie in ähnlicher Weise betroffen?
Wir sind 12.7% hinter Vorjahr in den Verkäufen an Konsumenten.
Welche Möglichkeiten sehen Sie, die Corona-bedingten Probleme aus der Welt zu schaffen?
Wir sehen deutlich, wie wichtig Solidarität und Eigenverantwortung sind – Corona zeigt es uns durch das Brennglas. Wir alle wissen, was zu tun ist. Wenn wir uns daran halten, besiegen wir nicht nur Corona, sondern auch ein paar weitere, in den letzten Jahrzehnten selbstgemachte Probleme.
2020 hat den Uhrenhandel verändert. Haben sich im Umgang mit Ihren Konzessionären Veränderungen oder in puncto online-Verkauf auch sogar neue Möglichkeiten ergeben? Oder verschieben sich die Grenzen?
Natürlich war die Situation für den stationären Handel besonders schwierig. Wer online gut aufgestellt war, hat profitiert. Wir haben unsere online-Verkäufe letztes Jahr vervierfacht. Die Verschmelzung von online und analog hat sich stark beschleunigt. Noch mehr als früher erwartet der Kunde ein ganzheitliches Markenerlebnis über alle Kanäle. Es ist an uns und unseren Partnern im Handel, dies zu liefern.
Messen fallen bis auf weiteres aus. Auch andere Kontaktmöglichkeiten sind eingeschränkt. Welche Maßnahmen haben Sie hinsichtlich der Unternehmenskommunikation von Oris ergriffen? Und zwar hinsichtlich Ihres weltweiten Vertriebsnetzes, Ihrer Fachhandelspartner und auch der Presse. Wird die virtuelle digitale Kommunikation das Reisen und persönliche Begegnungen ersetzen?
Wir waren erstaunt, wie viel digital möglich ist. Mit gewissen Leuten hat sich der Kontakt sogar intensiviert. Ein Videoanruf ist oft einfacher als ein Besuch. Auf lange Zeit ist jedoch der persönliche Kontakt unabdingbar. Auch wenn es gelernt bleiben wird, am Bildschirm zu kommunizieren, ist der persönliche Kontakt doch unersetzlich. Er wird jedoch sicher selektiver, gezielter sein als bis anhin, und zwar über alle Anspruchsgruppen hinweg. Wir wussten ja schon vor Corona, dass Reisen für wenige Tage z.B. nach Asien wenig sinnvoll sind. Das wird man sich in Zukunft sicher zweimal überlegen.
Auch wenn es gelernt bleiben wird, am Bildschirm zu kommunizieren, ist der persönliche Kontakt doch unersetzlich.
Was waren Ihre größten Lernerfahrungen in diesem Jahr 2020? Für Oris, aber auch für Ihre Kompetenz in der Führung des Unternehmens?
Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Wenn die eigenen Werte eine Haltung und nicht nur eine Meinung sind, und vom ganzen Team geteilt werden, fällt es leichter, schnell kreative, außergewöhnliche Maßnahmen zu entwickeln. Es war enorm schön zu sehen, wie wir in einer schwierigen Zeit über uns hinauswuchsen und neue Wege fanden, mit unseren Ansprechpartnern auf der ganzen Welt in Kontakt zu bleiben.
Welche neuen Produkte und Strategien planen Sie für das kommende Jahr? Können Sie angesichts der unsicheren Lage noch einen klassischen Forecast vornehmen oder präsentieren Sie wie auch immer einige neue Uhren und fahren im Übrigen auf Sicht?
Wir haben einen Mehrjahresplan und einen Plan fürs Jahr, den wir regelmäßig den Gegebenheiten anpassen. Im letzten Jahr war das etwas häufiger der Fall als normalerweise. Ich rechne damit, dass dies auch für 2021 so sein wird.
Was werden Sie im kommenden Jahr wegen anderer Schwerpunktsetzungen ändern oder gar nicht mehr tun?
Die Dinge finden weiterhin stark digital statt – auch wenn wir ein Produkt haben, das von der physischen Interaktion lebt, werden auch 2021 die Mittel eher weg von Events und gedruckten Kommunikationsmitteln hin zu digitaler Kommunikation fließen.
Schauen Sie positiv in die Zukunft und sehen Sie den berühmten rosa Streifen am Horizont? Oder wird die Uhrenindustrie weiterhin stürmische Zeiten durchleben?
Produkte, Marken mit Substanz gehören zu den Gewinnern dieser anspruchsvollen Zeit. Insofern sehe ich für Oris eine gute Zukunft, auch wenn für uns und die ganze Branche die nächsten Monate sicher noch herausfordernd sein werden.
Bedingt durch die konsequente Mechanik-Strategie bietet Oris derzeit keine Smartwatches an. Sehen Sie diesbezüglich Handlungsbedarf oder sind Sie mit Ihrer aktuellen Kollektion zukunftssicher aufgestellt?
Wir glauben an die zeitlose Relevanz mechanischer Instrumente. Mit dem neu lancierten Cal. 400 haben wir unsere eigenen Grenzen soeben verschoben. Wir freuen uns auf unsere rein mechanische Zukunft.
Wie sind Sie persönlich durch das anstrengende Jahr 2020 gekommen? Hat sich das Miteinander beruflich oder privat verändert?
Ich habe noch nie so viel Zeit mit meiner Familie verbracht wie seit letztem März. Es war für uns alle eine sehr schöne Zeit. Beruflich war es ein anstrengendes, aber auch ein lehrreiches und erlebnisreiches Jahr – wir haben als Team viele Dinge in schneller Zeit neu erfunden, haben neue Rollen eingenommen, und waren in sehr engem Kontakt mit unserer Community. Das alles hat uns sehr bereichert.
Sie haben drei Wünsche für 2021. Welche sind das?
Gesundheit.
Freiheit.
Einsicht
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