Ein Besuch bei Breguet in L’Orient

In der Breguet Manufaktur trifft kluge Innovation auf Tradition

Die Renaissance einer Marke: Für die 1775 von Abraham-Louis Breguet gegründete Marke war das Jahr 1999 ein echter Segen. Da nämlich erwarb die Swatch Group das darbende Label. Unter Nicolas G. Hayek fanden Vergangenheit und Zukunft zum Miteinander. Uhrmacherische Höhenflüge sind seitdem keine Illusion mehr.

von | 20.08.2018

Der Niedergang

Von Manufaktur war zum Zeitpunkt, als 1999 die Swatch Group Breguet übernahm, längst keine Rede. Stammten doch alle Uhrwerke von der Schwester Nouvelle Lémania. Auch den einstigen Glanz der Marke spürte man nur noch hier und da. Eine kurze Retrospektive belegt diese Behauptung: Bereits nach dem Tod des Firmengründers im Jahr 1823 ging es bei Breguet kontinuierlich bergab, denn die Nachfahren besaßen kaum etwas vom Genie des Vaters. Oder sie hatten einfach andere Interessen.

Mit Krisen kennt man sich aus

Ab 1870 hieß der neue Eigentümer Edward Brown. Mit ihren Produkten faszinierten der versierte Werkstattmeister und drei Nachfolge-Generationen zwar die internationale Upperclass, aber nachhaltige uhrmacherische Innovationen blieben weitestgehend aus. Außer einer rechteckigen Automatik, einem tonneauförmigen ewigen Kalender und den „Type XX reour-en-vol“-Chronographen mit zugekauften Uhrwerken war da nichts wirklich Berichtenswertes. Gleiches gilt auch für Jacques und Pierre Chaumet. Das Brüderpaar aus Paris erwarb die Marke 1970 von Georges Brown und lenkte sie 1987 in einen spektakulären Konkurs. Dann kam die Investors Corporation, welche den Firmensitz zunächst ins Geburtsland des Abraham-Louis Breguet und dort ins abgeschiedene Vallée de Joux verlegte.

Man braucht eine Vision – Hayek hat sie

Im „Tal der Tüftler“ sind uhrmacherische Komplikationen natürlich traditionsgemäß zu Hause. 1992 erweiterte dann die saudiarabisch-amerikanische Bank ihre Groupe Horloger Breguet um den erfahrenen Rohwerkefabrikanten Nouvelle Lémania, der bis 1981 zur Société suisse pour l’industrie horlogère gehört hatte. Und damit schließt sich der Kreis: Besagte SSIH mit den Marken Omega und Tissot war eine jener Säulen, aus denen Nicolas G. Hayek ab 1983 sukzessive die heutige Swatch Group formte. Im Jahre 2001, während der Basler Uhrenmesse konstatierte der gleichermaßen visionäre wie kunstsinnige Nicolas G. Hayek eine wahrhaft krasse Diskrepanz zwischen dem Namen der vorherigen Besitzer und ihrer Investitionsbereitschaft speziell in die Nouvelle Lémania.

Mit Breguet den Schritt in die Zukunft wagen

In L’Orient war die Zeit irgendwie stehen geblieben. Der Maschinenpark stammte noch größtenteils aus den 1950er und 1960er Jahren. Durchs Dach tropfte da und dort der Regen und manche Fenster vernebelte ein dünner Ölfilm. Die fast schon trostlose Situation veranlasste Nicolas G. Hayek zu einem millionenschweren Investitionsprogramm in Gebäude, Produktion und vor allem das Breguet-Kaliberportfolio. Das erklärte Ziel war die Verschmelzung von Breguet und Lémania zur Breguet Manufaktur. Die Grundsteinlegung für neue, lichtdurchflutete Räumlichkeiten erfolgte schließlich am 28. September 2001.

Roboter, Computer und Hightech in L’Orient   

Inzwischen erstrahlt die Produktionsstätte für Breguet-Uhren in neuem Glanz. Das, was sich den Besuchern in der Ortschaft am Westufer des langgesteckten Jouxsees präsentiert, ist definitiv nicht mehr wiederzuerkennen. In den hellen, lichtdurchfluteten Räumlichkeiten, welche rund 850 gewerbliche Arbeitskräfte beherbergen, gehen inzwischen Tradition und Innovation wie einst schon in den Ateliers von Abraham-Louis Breguet, Hand in Hand. Computergesteuerte Fertigungszentren, Dreh- und Fräsroboter, Drahterosionsmaschinen, Stanzen und andere exklusive Gerätschaft produzieren die Komponenten für 20 Basiskaliber und etwa 30 exklusive Komplikationsmodule. Ein Teil der High-Tech-Gerätschaft arbeitet in zwei Schichten hintereinander. Natürlich hinterlässt das Auf und Ab der Märkte auch bei Breguet seine Spuren. Aber die Zeichen stehen auf weiteres Wachstum, was nicht zuletzt einerseits der durchdachten Philosophie und ansprechenden Zeitmessern und andererseits den für die gebotene Technik relativ günstigen Preisen zu verdanken ist.

Heute: Ein Haus der Generationen

An die Leistungen des Firmengründers erinnern vor allem „Classique“, „Héritage“, „Marine“ und insbesondere die „Tradition“.

Für jemanden, der sich auf Mechanik versteht, ist eine Breguet-Uhr tatsächlich ein Gemälde.
Sir David Lionel Salomons

berühmter Breguet-Sammler

Jenes besagte Gemälde lebt ganz speziell in der „Tradition“. Die Ära Brown und dort speziell die 1940-er und 1950-er Jahre leben fort in sportiven Chronographen Type XX, XXI und XXII. Der ovalen „Reine de Naples“ verdankt Breguet hingegen seine Erfolge beim zarten Geschlecht. Immerhin finden heute ca. 40% aller Uhren mit dieser Signatur an weiblichen Handgelenken.

Für den Breguet Nachwuchs ist gesorgt

Besonders beeindruckend ist das Atelier mit den mehr als dreißig Guillochiermaschinen. Ein Teil stammt noch aus den 1920er, ein weiterer aus den 1950-er Jahren. Die dritte Generation hat Breguet darüber hinaus selbst entwickelt. Marc A. Hayek, der Breguet ganz im Sinne seines Großvaters leitet, legt ebenfalls größten Wert auf die Pflege dieser althergebrachten Handwerkskunst. Mangels Ausbildungsstätten für Guillocheure muss Breguet jedoch den unverzichtbaren Nachwuchs selber schulen. Schließlich machen handguillochierte Zifferblätter oder Rotoren einen beträchtlichen Teil der Marken-DNA aus.

Von selbst verstehen mag sich die Tatsache, dass überlieferte Handarbeit bei der Komponenten-Finissage und der Assemblage dominiert. So werden komplizierte Kaliber wie das Automatikkaliber 565 DR mit Minutenrepetition und Tourbillon zunächst funktionsfähig vormontiert. Danach gehen die Feinbearbeitung und Remontage der sage und schreibe 782 Teile Hand in Hand. Für das Stimmen der an ein B erinnernden Tonfedern, welche kleine Hämmer von unten anschlagen, steht zudem ein schalltoter Raum zur Verfügung. Ankerpaletten, Ankerrad und Unruhspirale mit einzigartiger hochgebogener Endkurve bestehen, wie mittlerweile bei 90 Prozent aller Breguet-Kaliber aus dem in Uhren neuartigen Werkstoff Silizium.

„Gebt mir das richtige Öl und ich baue die perfekte Uhr“

Um die Produktion besagter Assortiments kümmern sich des Weiteren eigene Werkstätten bei der Schwester Nivarox-FAR in Villeret. Mittelfristig möchte Marc A. Hayek übrigens „alle Uhrwerke mit den bewährten Silizium-Komponenten ausstatten, an deren Entwicklung die Swatch Group zu Beginn des 21. Jahrhunderts auch maßgeblich beteiligt war. Ohne den völlig amagnetischen Werkstoff wäre nämlich eine der innovativsten Armbanduhren unserer Zeit völlig unmöglich. Im patentierten Handaufzugskaliber 574 DR, welches in der „Classique Chronométrie“ mit sehr flotten zehn Hertz tickt, rotieren die Zapfen der Unruhwelle nahezu berührungsfrei in einem genau berechneten Magnetfeld. Reibung, gegen die der Firmengründer einst mit Verve ankämpfte, ist damit endlich kein Thema mehr. Womit zum Schluss auch bewiesen wäre, dass Breguet unter Ägide der Familie Hayek sogar elementare Probleme löst, die Abraham-Louis nolens volens in Kauf nehmen musste. „Gebt mir das richtige Öl und ich baue die perfekte Uhr“, pflegte der Meister seinerzeit schon zu sagen.

Reisende tragen eine „Hora Mundi“

Einige seiner Kunden pflegten schon damals viel zu reisen. Die klassischen 24 Zeitzonen waren freilich noch nicht erfunden. Trotzdem hätten sie vermutlich ihre wahre Freude an der „Hora Mundi“ gehabt. Als Hommage an den Firmengründer hatte Breguet bereits 1990, folglich also noch vor der Übernahme durch die Swatch Group eine erste „Hora Mundi“ in der Kollektion Marine vorgestellt. Dabei handelte es sich zunächst um eine klassische Weltzeit-Armbanduhr vom Typ „Heure Universelle“. Demgegenüber bieten die Versionen von 2011 und 2016 sehr viel hilfreichere Funktionen.

Wer viel rund um den Globus unterwegs ist, schätzt ein sinnvolles Zeitzonen-Dispositiv. Selbiges brachte Breguet 2011 mit der „Hora Mundi 5717“ als Weltpremiere auf den Markt. Die „Classique Hora Mundi 5727“ von 2016 besitzt die gleichen Funktionen, darüber hinaus jedoch ein klassisches und selbstverständlich handguillochiertes Zifferblatt. Das 43 Millimeter große und bis drei bar wasserdichte Gehäuse gibt es entweder in Rot- oder dezentem Weißgold. Nach dem Ping-Pong-Prinzip hingegen funktioniert die praktische Zonenzeit-Indikation. Will heißen: Ein Drücker gestattet das Hin- und Herschalten zwischen den Stunden zweier frei vorwählbarer Zeitzonen. Den Minutenzeiger tangiert dieses Geschehen logischer Weise nicht.

Uhrmacherische Details bei Breguet

Zur rein mechanischen Sprunghaftigkeit gehört eine Tag-/Nacht-Anzeige (zwischen „3“ und „4“) für die entfernte Referenzzeit. Anstelle von Sonne und Mond bei der „5717“ verwendet Breguet bei der „5727“ einen Zeiger. Die komplexe Datumsanzeige bei „12“ bezieht sich logischer Weise auf die jeweilige Ortszeit. Der Ausschnitt ist breit genug für jeweils drei aufeinanderfolgende Daten. Die jeweils aktuelle der drei dort sichtbaren Zahlen umrahmt ein kleiner, an der Spitze eines Zeigers befestigter Ring. Im Laufe eines Tages begleitet der Rahmen das Datum von links nach rechts durch den Zifferblattausschnitt. Um Mitternacht springt er zurück, um die Zahl des folgenden Tags in Empfang zu nehmen.

Innovation und Tradition gehen Hand in Hand

Als mechanische Basis dient das Automatikkaliber 777 mit Silizium-Hemmung. Das durch einen Zusatzmechanismus aufgewertete Ensemble heißt 77F0. Für die Unruhspirale und Teile des Ankers findet amagnetisches Silizium Verwendung. Und die Unruh vollzieht stündlich 28.800 Halbschwingungen. Nach Vollaufzug durch den Rotor stehen 55 Stunden Gangautonomie zur Verfügung. Patente hält Breguet übrigens für den innovativen Zeitzonenmechanismus, die Umschaltmöglichkeit, das Programmrad als mechanisches Gedächtnis und die außergewöhnliche Datumsindikation.

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