Keramik für die Royal Oak
Die neue Audemars Piguet Royal Oak 34 mm Automatic mit weißem Keramikgehäuse und -band ist nicht die erste ihrer Art bei AP. Vom 1972 lancierten Klassiker entstanden seit dem Debüt nahezu unzählige Varianten, darunter auch solche in Keramik. Besonderes Aufsehen erregte 2017 eine komplett schwarze Royal Oak mit ewigem Kalender, bei der Keramik das gesamte äußere Erscheinungsbild prägt.
Im Vergleich zu Edelstahl, dem Ur-Material dieses Modells, dauert allein die Herstellung des Keramik-Gliederbands fünf Mal so lange. Insofern verwunderte der Preis von 91.800 Euro für die Referenz 26579CE.OO.1225CE.01 nicht. Der Clou: Wer ein Exemplar zum offiziellen Ladenpreis ergattern konnte, bekommt heute das Doppelte und sogar mehr für diese technisch komplexe Black Beauty.
Als Noch-CEO François Bennahmias (der in einem bemerkenswerten Uhrenkosmos-Interview die erfolgreiche AP Strategie bestens erklärt) hat diese Armbanduhr vorstellte, betonten Jasmine und Olivier Audemars, dass diese Uhr definitiv nicht ins neue Firmenmuseum käme. Die Verwaltungsräte glaubten zunächst nicht wirklich daran, dass Keramik ein Erfolg werden würde. Außerdem erachteten sie Keramik für Gehäuse und Band als nicht edel genug.
Dank der Details und der Veredelungen, die wir auf dieses Material angewandt haben, konnte Audemars Piguet Keramik auf ein ganz anderes Niveau bringen. Auf diese Weise hoben wir uns deutlich von dem ab, was auf diesem Gebiet bis dahin gemacht wurde.
Inzwischen hat sich der Sturm gelegt. Zurecht hat die schwarze Keramik Royal Oak hat einen ehrenvollen Platz in der ständigen Ausstellung von Audemars Piguet erhalten.
Royal Oak 34
2021 gelangte eine 34 Millimeter messende Royal Oak mit Automatikwerk und schwarzem Outfit aus schwarzer Keramik und kontrastierenden Rotgold-Akzenten für 45.200 Euro auf den Markt. Ausgestattet ist die Referenz 77350CE-OO-1266CE-01 mit dem 23,3 Millimeter messenden und exakt vier Millimeter hoch bauenden Automatikkaliber 5800. Selbiges entstammt nicht eigener Konstruktion, sondern basiert auf dem VMF 3002 der in Fleurier beheimateten Vaucher SA. Nach Vollaufzug stehen rund 50 Stunden Gangautonomie zur Verfügung.
Dieses Automatikkaliber 5800, dessen Unruh stündlich 21.600 Halbschwingungen vollzieht, verbaut Audemars Piguet logischer Weise auch in der weißen Schwester des Jahres 2023. Im Fall der am Handgelenk 8,8 Millimeter auftragenden Referenz 77350CB.OO.1266CB.01 gesellen sich zur einfarbigen Keramik roségoldene Akzente. Beim Zifferblatt sticht das 2022 anlässlich des 50. Royal Oak Geburtstags aktualisierte Design mit schimmerndem Grande Tapisserie-Motiv ins Auge.
Intensiviert wird die Leuchtkraft der Royal Oak 34 mm aus weißer Keramik durch weitere Roségold-Akzente bei den Leuchtindexen und den drei mittig drehenden Zeigern. Das Duo für Stunden und Minuten ist ebenfalls mit Leuchtmasse befüllt. Im gleichen Farbton ist die galvanisch aufgebaute Signatur ausgeführt.
Dreht man die Rückseite des bis fünf bar drucksichten Gehäuses nach vorne, entdeckt man eine breite Roségold-Lünette um das Saphirglas, hinter dem das Uhrwerk mit Roségold-Kugellager tickt. In Stahl ausgeführt und DLC-beschichtet ist die schwarze und deshalb stark kontrastierende Faltschließe.
Heutzutage adressieren sich 34 Millimeter Gehäusedurchmesser primär an Frauen. Bei dieser Gelegenheit darf jedoch darauf hingewiesen werden, dass 1972, als die Royal Oak im so genannten Jumboformat auf der Bildfläche erschien, 34 Millimeter eine gängige Dimension für Herrenuhren ohne Zusatzfunktion waren. Nachdem Audemars Piguet mit dem Mehrmarken-Fachhandel nicht mehr zusammenarbeitet, gibt es die weiße Keramik Royal Oak nur ein AP-Boutiquen und AP-Houses zum Preis von 51.900 Euro.
Keramik-Wissen
Die Vorzüge von technischer Keramik liegen auf der Hand oder in diesem Fall besser gesagt am Handgelenk. Im Vergleich zu Metallen wie Stahl, Gold oder Platin ist dieser Werkstoff angenehm leicht. Zum Spektrum seiner positiven Eigenschaften gehören Biokompatibilität ebenso wie Formstabilität, Korrosionsbeständigkeit sowie Abtriebs- und Verschleißfestigkeit. Besonders hervorzuheben ist natürlich die Oberflächenhärte. Die Widerstandsfähigkeit gegenüber allem, was Kratzer machen möchte, hängt von der Art der verwendeten Keramik ab.
Im Fall der weißen Royal Oak 34 mm verwendet Audemars Piguet einen Mix aus Aluminiumoxid (Al2O3) und Zirkoniumoxid (ZrO2), welcher besondere Härte verspricht. In aller Regel entstehen Uhrengehäuse und -bänder zunächst bei Raumtemperatur in einer entsprechenden Form. Befüllt wird diese mit einer Rohmasse aus Keramikpulver, organischem Binder und Flüssigkeit. Von Härte ist in diesem Stadium noch nichts zu spüren. Diese und die anderen Materialeigenschaften stellen sich erst durch das Sintern bei hohen Temperaturen ein. Durch die Hitze schrumpft der Werkstoff um einen exakt definierbaren Prozentsatz, den es bei der Konstruktion selbstverständlich akribisch zu beachten gilt. Anderenfalls passt beispielsweise das vorgesehene Uhrwerk nicht mehr in die Schale oder die unverzichtbaren Schrauben durch die Löcher
Die immens wichtige Ingenieurleistung besteht indes in einer adäquaten Verfahrenstechnik. Sie nimmt Einfluss auf die Mikrostrukturen beim unverzichtbaren Brennen. Sichtbare Poren oder Mikrorisse gehen bei Gehäuse und Band einer luxuriösen Armbanduhr beispielsweise von Audemars Piguet ganz und gar nicht. Maßgeblich für perfekte Produkte sind exakt auf den Grundwerkstoff und die Korngröße abgestimmte Parameter. Das Brennverfahren, die Brennatmosphäre und -temperatur können bei gleichem Grundmaterialgemisch ganz unterschiedlichen Eigenschaften bewirken.
Mit anderen Worten: Der Umgang mit Keramik ist deutlich diffiziler als viele glauben. Einschlägiges Knowhow ist das A und O (mehr über Keramik und die korrekte Einschätzung gibt es hier zu lesen). Übrigens steigt die technische Herausforderung mit der Größe und Form keramischer Komponenten. Obwohl die Wärmezufuhr beim Sintern naturgemäß nur von außen möglich ist, muss durchgängig ein homogenes Gefüge erhalten bleiben. Fällt eine Uhr vom Tisch auf einen Steinboden, kann ein irreparabler Schaden am Gehäuse oder Armband die Folge sein.
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