Von Chronoswiss Delphis zu Delphis Oracle
Chronoswiss feiert das 40. Firmenjubiläum und lässt aus diesem Anlass die Armbanduhr Delphis in limitierter Luxusedition wieder aufleben. Der Newcomer heißt Chronoswiss Delphis Oracle und bietet zugleich auch das Forum für ein neu entwickeltes Automatikwerk vom Kaliber C.6004.
Das Besondere an dem 1996 erstmals in der Öffentlichkeit gezeigten Zeitmesser ist die Anzeige-Trilogie: retrograd, digital und auch noch analog. Das wiederum trägt dem durchaus mysteriösen Charakter der flüchtigen und deshalb kostbaren Zeit in außergewöhnlicher Weise Rechnung. Kein Wunder, dass die Chronoswiss Delphis schon damals ganz spontan mehrere Preise einheimsen konnte.
Der Uhrenkosmos nutzt die Renaissance während der diesjährigen Watches & Wonders zu einem Rückblick. Damals begeisterte mich dieses Modell so sehr, dass ich mir sofort ein Exemplar kaufte. Und ich besitze es immer noch. Der Blick aufs Zifferblatt erinnert mich immer an ein Postulat von Albert Einstein: „Zeit ist das, was man an der Uhr abliest.“ Welche Art Zeitmesser ist dabei völlig egal, denn prinzipiell bestehen alle Uhren aus den gleichen Komponenten: Gehäuse, Werk, Zeitanzeige.

Frühe mechanische Räderuhren huldigten ausnahmslos der Erkenntnis, dass Zeit ein unendlicher Kreislauf des Kommens und Gehens ist. In diesem Sinne ließen die Uhrmacher einen oder mehrere Zeiger vor dem Zifferblatt kreisen. Aus ihrer Stellung ergab und ergibt sich die Zeit. Hier spricht man von jener analogen Indikation, welche der Sekundenzeiger im Süden des Zifferblatts zum Ausdruck bringt.
Manche Handwerker gingen einen Schritt weiter und ersetzten den Stundenzeiger durch eine kleine Scheibe, welche hinter dem Zifferblatt nach jeweils sechzig Minuten um eine Position weiter springt. Die aktuelle Stundenziffer erscheint in einem kleinen Fenster. Bei der digitalen Stundenindikation der Delphis verlangt das Ablesen allerdings mehr als nur einen beiläufigen Blick.
Zu den später entwickelten Zeit-Gesichtern gehören auch retrograden Anzeigen. Bei ihnen wandert der Zeiger über ein Kreissegment. Am Ende der Skala angekommen, springt er blitzartig zurück in seine Ausgangsposition.

Von einer Idee zur Uhr
Das so genannte Sector-Prinzip mit kunstvollen Luftsprüngen faszinierte auch Gerd-Rüdiger Lang, der 1983 in München seine Uhrenmarke Chronoswiss gegründet und durch seinen Regulateur mit Leben erfüllt hatte. Als Perfektionist wollte der 2023 Verstorbene jedoch eine rückspringende Anzeige, welche einerseits zum klassisch runden Chronoswiss-Gehäuse passt und darüber hinaus bei Armbanduhren eine Premiere verkörperte.
Anfang 1995 startete die Entwicklungsarbeit eines entsprechenden Zeit-Moduls zur Montage auf der Vorderseite des Basisuhrwerks. Neben der retrograden Minutenindikation setzten die Konstrukteure auf eine digitale Stundenanzeige.

Damit das neue Modell seine ganz erstaunlichen Sprünge wirklich simultan und augenblicklich vollziehen kann, entnahm die rund 60 Teilen assemblierte bestehende und später auch zum Patent angemeldete Kadratur dem Enicar-basierten Automatikkaliber CH.124 kontinuierlich ein wenig, die Amplitude der Unruhschwingungen und die Präzision nicht beeinträchtigende Kraft. Diese Energie wird sukzessive in kleinen Federn gespeichert und – nach der Auslösung durch den komplexen Mechanismus- für die jeweiligen Schaltvorgänge verwendet. Weil es vielen Menschen im täglichen Leben auch auf die Sekunde ankommt, dreht sich ein kleiner Zeiger ganz konventionell bei „6″.

Chronoswiss Delphis Premiere in Basel
Das Debüt erfolgte 1996 während der Basler Uhrenmesse. Von der von Gerd-Rüdiger Lang propagierten Qualität war die Delphis aber noch weit entfernt. Bis zum gleichen Ereignis 1997 erfolgten eine Optimierung der Kadratur und eine Umgestaltung des massivsilbernen Zifferblatts. Danach gelangte die Armbanduhr mit drei sehr unterschiedlichen Indikationen auf den Markt: „retrograd@ für die Minuten, „digital@ für die Stunden und klassisch für die Sekunden. Und diese Kombination hatte es damals bei Zeitmessern fürs Handgelenk noch nicht gegeben.
Bei der kniffligen Suche nach einem einprägsamen Namen hatte übrigens Genosse Zufall Hilfestellung geleistet. Und zwar des Nachts beim Flug über den Pazifik. Nach Sushi, Champagner und Cognac blätterten Gerd-Rüdiger und ich durch deutschsprachige Zeitschriften. Dabei fiel unser Blick auf eine Kolumne von Elke Heidenreich. Dort philosophierte die Autorin über große und kleine Sprünge im Leben, im Griechischen Delphis genannt.

Das 19-teilige, bis zu drei bar wasserdichte Gehäuse mit 38 mm Durchmesser sowie Saphirgläsern vorne und hinten gab es in unterschiedlichen Materialien von Stahl bis Platin. Die Preise begannen bei umgerechnet weniger als 3.000 Euro für die Stahl-Referenz CH 1423.
Hinsichtlich der Zuverlässigkeit der Ur-Delphis schieden sich danach die Geister. Reibung und übermäßige Abnutzung des unter dem Zifferblatt angeordneten Schaltwerks trübten immer wieder die Freude an der Delphis und verlangten Chronoswiss etliche Nachbesserungen ab.

Chronoswiss Delphis Oracle
2023 feiert Chronoswiss das 40-jährige Firmenjubiläum. Bei dieser Gelegenheit kehrt auch die außergewöhnliche Delphis zurück. Im Zuge dieses Comeback hat sich der Name gewandelt in Delphis Oracle. Die genannten technischen Probleme waren natürlich auch Oliver Ebstein, dem heutigen Schweizer Eigentümer nicht verborgen geblieben. In diesem Sinne erfolgte eine Neukonstruktion der Kadratur. Neu ist auch das Basis-Automatikwerk mit durchbrochen gestaltetem Kugellagerrotor. Entwickelt hat es der in La Chaux-de-Fonds beheimatete Spezialist La Joux-Perret speziell für Chronoswiss.

Das exklusive Kaliber C.6004 mit 55 Stunden Gangautonomie und vier Hertz Unruhfrequenz trägt eine Ruthenium-Beschichtung. Nichts geändert hat sich ganz bewusst an den drei unterschiedlichen Indikationen. Besonders augenfällig ist einmal mehr das aufwändige Zifferblatt. Es präsentiert sich in vier verschiedenen Farben. Dominant sind Schwarz und Blau. Weiß dient zum Drucken der Indexierung und Ziffern. Rotgold verwendet Chronowiss für die Rahmen und Zeiger. Aus letztgenanntem Edelmetall besteht auch die 18-teilige Sichtbodenschale, deren Wasserdichte nun bis zu zehn bar Druck reicht.

Als Augenweide und handwerklichen Kunstwerk zugleich kann mit Fug und Recht das Zifferblatt gelten. Es steht im Zeichen von manueller Guillochierung und Feueremail. Besonders anspruchsvolle erweist sich dabei die bombierte Ausführung. Als Trägermaterial für den transluzid emaillierten blauen Halbmond in der oberen Hälfte verwendet Chronoswiss für die Delphis Oracle massives Rotgold (mehr zu den verschiedenen Goldarten und Legierungen gibt es hier zu lesen). Gespart wurde also nicht.


Bemerkenswert ist die Kunst, dreidimensionale Objekte mit Hilfe einer mehr als hundert Jahre alten Maschine zu guillochieren. Massives Gold dient selbstverständlich auch dem schwarzen Teil des Zifferblatts als metallische Grundlage.

Angesichts dieses Aufwands verwundert es nicht, dass Chronoswiss lediglich 50 Exemplare von der Delphis Oracle fertigt. Die Rotgold-Referenz CH-1421.1E-BLBK kostet 41.800 Euro.


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