Titoni Seascoper 600
Die Geschichte der Titoni Seascoper 600 Taucheruhr beginnt bereits 1963. Allerdings fand sich damals neben dem Modellnamen am Zifferblatt des mit beidseitig drehbarem Glasrand und 20 bar druckdichten Stahlschale ausgestatteten Zeitmessers noch die Herstellersignatur Felca.

Gegen 1968 offerierte die Felca & Titoni S.A. ihre Titoni Seascoper II, Referenz A 10 304 1) mit tonneauförmigem Stahlgehäuse. Einmal mehr reichte die Wasserdichte bis zu 20 bar. Typisch für diese Ära sind die wuchtigen Block-Indexe. Zur Drehlünette gesellte sich auch eine verschraubte Krone. Die 1970-er Jahre brachten dann eine Seascoper III Version.

So weit das Vergangene. Was heute zählt, ist jedoch die Gegenwart und Zukunft. Mit dem Titoni Seascoper 600 m Chronometer ist man gut gewappnet. Der Tauch-Bolide aus Grenchen versteht sich keineswegs als Retromodell, sondern spricht Menschen mit einem Faible für aktuelles Design und zeitgemäße Mechanik an.
Wie schon geschrieben, wird so gut wie niemand wird im Alltagsleben eine Wasserdichte von 60 bar Druck benötigen. Ein Heliumventil braucht es deshalb auch nicht unbedingt. Aber diese Attribute machen nun einmal die stählerne Seascoper 600 Taucheruhr aus. Deshalb lässt sich die Drehlünette mit kratzfester Keramikeinlage, Merkpfeil und deutlich wahrnehmbarer Indexierung für die ersten 15 Minuten auch nur entgegen dem Uhrzeigersinn bewegen. Die Rasterung erfolgt dabei in Minutenschritten. Wegen der feinen Rändelung heißt es so fest Zupacken beim Verstellen der Lünette. Andererseits schont diese Gestaltung im Alltag die Manschetten.

Gute Ablesbarkeit entsprechend Taucheruhren-Normen (was eine Taucheruhr zu Taucheruhr macht, haben wir hier beschrieben) wird auch beim Zifferblatt groß geschrieben. Erfreulich ist ferner die Tatsache, dass Titoni die Länge der wuchtigen Leuchtzeiger für Stunden und Minuten sowie des schlanken Pendants für die Sekunden exakt aufs Zifferblatt abgestimmt hat. Beidseitig entspiegelt präsentiert sich das flache, wegen der hohen Wasserdichtigkeit naturgemäß dicke Saphirglas. Durchaus hilfreich ist ferner der Flankenschutz für die Schraubkrone mit Titoni-Blütenlogo.

Werkzeug nötig
Harmonisch verläuft der Übergang vom Gehäuse zum dreireihigen Gliederband vom Typ Rolex-Oyster. Gegen seine Haptik gibt es nichts einzuwenden. Dank recht großzügiger Abstände, die manche bemängeln mögen, klemmen auch keine Haare ein. Zu den Bandanstößen mit polierter innerer Fase passt die feine Satinierung. Wer da Stahlband gelegentlich gegen ein leichteres Textil- oder Lederband tauschen möchte, benötigt allerdings passendes Federsteg-Werkzeug.
Auch das Entfernen eines oder mehrerer Bandglieder verlangt nach einem dünnen Durchschlag. Schrauben sucht man hier vergebens. Stattdessen gibt es Stifte mit kleinen Halte-Röhrchen. Sofern man die Uhr beim Fachhandel erwirbt, gibt es dort den entsprechenden Service. Onlinekäufer hingegen können gleich die gewünschte Länge des Armbands angeben.

Die vergleichsweise simple Stift-Lösung mag in diesem Fall dem Preis geschuldet sein, findet man allerdings auch bei deutlich teureren Armbanduhren wie zum Beispiel Czapek Antarctique. Ein Déjà-Vue-Erlebnis stellt sich dann ein, wenn man das Armband fein justieren möchte. Hier hat mir gut gefallen, dass Titoni das gleiche, sehr angenehm zu handhabende System verwendet wie A. Lange & Söhne bei seiner luxuriösen Odysseus.
Verstellen des Stahlarmbands der Titoni Seascoper 600
Ganz einfach per Knopfdruck lassen sich acht Millimeter bewerkstelligen. Das reicht zwar nicht, um die Uhr über einem Taucheranzug tragen zu können. Vermutlich hatte Titoni aber wohl auch nicht die Absicht, eine professionelle Taucheruhr mit diesem Bandmerkmal zu offerieren.


Titoni inhouse Kaliber T10
Kommen wir zum Automatikwerk vom Kaliber T10, welches sich wie gesagt durch ein kleines Bullauge zeigt. Sein durchbrochen gestalteter Kugellagerrotor spannt die Zugfeder des Kalibers stets in einer Drehrichtung. Auf Nachfrage (siehe Kurzinterview) bestätigt Olivier Schluep, dass es sich bei dem zeitbewahrenden Mikrokosmos um eine Eigenentwicklung handelt, mit der sich Titoni zum 100. Geburtstag im Jahr 2019 quasi selbst feierte. Bei dessen Konstruktion achtete die Marke nicht zuletzt auf eine vernünftige Preis-Leistungs-Relation fernab exotischer Beigaben.


Hat er ganze Arbeit geleistet, tickt der 29,3 mm große und 4,10 hoch bauende, selbstverständlich mit Sekundenstopp ausgestattet Mikrokosmos mindestens 68 Stunden bei vier Hertz. Ungetragen blieb meine Uhr nach knapp 73 Stunden stehen. Rund 60 Stunden nach Vollaufzug sank die Unruh-Amplitude jedoch merklich ab. Im Alltagsbetrieb am Handgelenk fällt das freilich kaum auf. Pünktlich um 12 Uhr nachts springt das wegen des Werkdurchmessers großzügig dimensionierte Fensterdatum.

Stellt man die Zeiger bei Fernreisen in westlicher Richtung, also zum Beispiel nach New York um sechs Stunden zurück, folgt die Datumsanzeige nicht. Schnellkorrektoren sind nur per halb gezogener Krone aufwärts möglich.
Nichts zu kritisieren gibt es an der Ganggenauigkeit. Nach einer Phase gegenseitiger Gewöhnung erfüllte meine Seascoper die Genauigkeitsvorgaben der Prüfbehörde COSC problemlos. Die Präzision schwankte zwischen einer und vier Sekunden Vorgang täglich. Wegen des kleinen Sichtfensters lässt sich die Verarbeitung des T10 realiter nur partiell beurteilen. Beim Blick durch das bombierte, mit einem leichten Lupeneffekt versehene Saphirglas im Schraubboden zeigt sich indes ein respektabler Grad an Sorgfalt hinsichtlich der Oberflächenfinissierung.


Uhrenkosmos-Fazit
Ohne Zweifel lässt sich die Titoni Seascoper 600 als ernstzunehmende Alternative in der Palette eidgenössischer Taucheruhren titulieren. Nach mehr als zwei Monaten am Handgelenk sind keine größeren Kritikpunkte zu vermelden. Nach dem Kauf hat übrigens auch hier die überall grassierende Inflation zugeschlagen. Inklusive deutscher Umsatzsteuer ist der Preis für die Referenz 83600 S-BE-255 mit Stahlgehäuse, blauem Zifferblatt, blauer Keramikeinlage und roter Lünettenindexierung auf 1.985 Euro gestiegen. Gleichgeblieben ist hingegen die Garantie von zwei Jahren.

Weniger farbig, vielmehr mit schwarzem Blatt, gibt es zum gleichen Preis die Referenz 83600 S-BK-256. Ob die Optik des Ganzen gefällt, ist wie immer eine Frage des persönlichen Geschmacks. Eine gleiche Typographie auf Glasrand und Zifferblatt würde mir besser gefallen. Nachdem ich kein Taucher bin, lässt sich nicht beurteilen, wie gut das Ablesen tief unter der Wasseroberfläche gelingt. Bei Dunkelheit scheint die Leuchtkraft von Zifferblatt und Zeigern jedoch vergleichbarer Modelle mit Super-LumiNova-Ausstattung zu entsprechen.

Ein Screen der Konkurrenz eidgenössischer Provenienz fördert indessen schnell ans Tageslicht, dass es für das verlangte Geld keine Alternative mit Uhrwerk aus eigenem Hause gibt. 3.300 Euro kostet die Oris Aquis Date Calibre 400, 3.620 Euro die COSC-zertifizierte Tudor Black Bay Blue, Ref 79230 mit dem MT5602. Diese Taucheruhren entstammen deutlich bekannterer Provenienz und finden mit zehn bzw. fünf Jahren Garantie zum Kunden.
Wer unter 1.500 Euro bleiben und dennoch mechanische Manufaktur haben möchte, wird von Seiko bedient. Zum Beispiel mit der Prospex Automatic Diver’s Save the Ocean. In letztgenanntem Fall sind aber gewisse Abstriche beim Automatikwerk vom Kaliber 6R35 zu machen. Schließlich hat alles seinen Preis.
Mein Fazit: Ich habe den Kauf der Titoni Seascoper 600 keine Minute bereut. Und ich werde sie auch nicht mehr hergeben. Andererseits freue ich mich auch darauf, alternativ eine Oris, Seiko, Tudor oder, oder, oder ans Handgelenk zu legen. So etwa auch die neue Nomos Glashütte Club Sport neomatik 37, über die ich demnächst im Uhrenkosmos berichten werde. Sie hat ebenfalls ein Manufakturkaliber und ist ab 2.480 Euro erhältlich.

8 Fragen an Olivier Schluep, den Titoni Co-CEO
Uhrenkosmos: Was hat Sie bewogen, ein eigenes Automatikwerk zu entwickeln?
Olivier Schluep: Seit über 100 Jahren konzentrieren wir uns als unabhängiges Familienunternehmen auf die Produktion von mechanischen Uhren. Diese Spezialisierung durch die Entwicklung eines eigenen Uhrwerks weiter zu stärken, war schon immer ein großes Ziel. Die Entwicklung der letzten 10 Jahre hin zur Dezentralisierung der Werkproduktion war letztendlich sicher auch einer der Auslöser, diesen Traum zu verwirklichen. Mit der Entwicklung haben wir im Jahr 2013 begonnen und bis zur Lancierung sind letztendlich fast 6 Jahre vergangen.
Haben Sie das Pflichtenheft selber zusammengestellt?
Ja, denn wir wollten etwas Eigenständiges entwickeln. Natürlich konnten wir das Rad bzw. das mechanische Uhrwerk nicht neu erfinden, jedoch wollten wir auch keine Kopie von einem bestehenden Werk. Dabei haben wir uns drei Ziele gesetzt. Erstens wollten wir ein robustes Werk herstellen, welches unseren hohen Qualitätsstandards entspricht. Zweitens sollte es ein flaches Werk sein, und drittens soll es in einem Kostenbereich liegen, das unserem Preissegment entspricht. Die größte Herausforderung waren dabei klar die Kosten, denn ein Werk für EUR 1.000 oder mehr herzustellen, ist eines, ein Werk für Uhren in unserem Preissegment zu produzieren, etwas ganz anderes.


Gibt es Partner, welche Sie im Zusammenhang mit der Entwicklung nennen können oder möchten?
Nein, nicht im spezifischen. Wir haben mit diversen, zum Teil langjährigen Partnern und Lieferanten zusammengearbeitet. Dies ist für ein Unternehmen in unserer Größe auch zentral, denn obwohl man am liebsten alles selbst herstellen möchte, ist dies aus diversen Gründen unvernünftig.
Erfolgt die Herstellung der Platinen, Brücken, Kloben, Räder etc. in der Schweiz?
Ja, alle Teile unseres eigenen Uhrwerks T10 werden in der Schweiz hergestellt. Praktisch alle Lieferanten sind innerhalb von 2 Stunden Autofahrt ab unserem Hauptsitz in Grenchen erreichbar.
Montieren und Regulieren Sie die Uhrwerke im eigenen Haus?
Ja, alle Werke werden bei uns intern montiert und einreguliert.

Planen Sie Evolutionen oder Zusatzfunktionen für das Uhrwerk?
Das ist ein Thema, das bei uns ständig in Diskussion ist. Allerdings hat es aktuell nicht höchste Priorität.
Welche Vertriebsstrategie verfolgen Sie für den deutschen und österreichischen Markt?
In einem ersten Schritt haben wir unsere Uhren praktisch ausschließlich über den eigenen Online Shop angeboten. Längerfristig planen wir jedoch mit ausgewählten Händlern in Deutschland und Österreich zusammenzuarbeiten.
Wie viele Konzessionäre streben Sie in diesen Ländern an?
Wir haben da keinen Zielwert definiert. Letztendlich hängt dies auch von der Nachfrage nach unseren Uhren ab.


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