Auf nach Genf
In gut zwei Wochen öffnet die Watches & Wonders ihre Türen. Vom 9. bis 12. April 2024 sind nur akkreditierte Besucher zugelassen. Für die Zeit vom 13. bis 15. April lassen vorab Tickets im Internet erwerben. 70 Schweizerfranken kostet der Eintritt für einen Tag. Werden die Verkaufszahlen steigen oder wird es
weiter rückläufige Schweizer Uhrenexporte geben?
Die Spannung steigt und jedermann möchte wissen, was Branchengrößen wie Cartier, Patek Philippe oder vor allem Rolex an Neuigkeiten präsentieren werden.
Wie immer brodelt die Gerüchteküche. Endet der Lebenszyklus der blau-roten GMT-Master II mit dem inoffiziellen Beinamen „Pepsi“? Ersetzt man sie durch eine so genannte „Coke“ mit schwarz-roter Lünette? Vielleicht gesellt sich bei den Stahlmodellen ein dezent zweifarbiger Glasrand à la Referenz 126713GRNR (Oystersteel und Gelbgold) zu „Batman“ und „Sprite“. Möglicherweise wird Rolex auch bis 2025 warten. Schließlich lag die GMT-Master mit der Referenznummer 6542 erst 1955 in den Geschäften.
Werden weitere Rolex-Modelle mit Titanschale und -band erhältlich sein? Nichts ist gewiss, alles nur Vermutung. Am Morgen des 9. April 2024 wissen wir mehr.
Das Gleiche gilt für Patek Philippe und die vielen anderen Marken, welche sich und ihre Produkte in Genf präsentieren dürfen. Gerne würden das noch mehr tun. Aber in den bisher genutzten Palexpo-Hallen mangelt es an Platz. Erweiterungsmöglichkeiten böte das Gebäude jenseits der Flughafen-Autobahn. Aber auch dadurch würde die Genfer Watches & Wonders niemals das breite Spektrum der verblichenen Baselworld mit vielen kleinen Ausstellern neben den bedeutenden Branchengrößen erreichen.
Rückläufige Schweizer Uhrenexporte
Inwieweit die Entwicklung der internationalen Uhr-Konjunktur Einfluss nehmen wird, lässt sich derzeit nicht absehen. Dazu ist das Jahr 2024 noch zu jung. Verheißungsvoll war der Februar jedenfalls nicht, wenn man in die Exportstatistik des Verbands der Schweizerischen Uhrenindustrie (FH) für diesen Monat blickt. In diesem Artikel hatte der Uhrenkosmos vor wenigen Wochen über die Gewinner und Verlierer des Jahres 2023 und die Exportzahlen im Januar 2024 berichtet.
Bei den Exportzahlen für Januar 2024 verzeichneten die FH-Statistiken für Deutschland einen keineswegs marginalen Rückgang von 11,4% gegenüber Januar 2023. Auch im Februar machte sich der Negativtrend auf deutlich breiterer Ebene bemerkbar. Nach zwei Jahren stetigen Wachstums sind die Schweizer Uhrenexporte erstmals deutlich zurückgegangen. Und zwar um 3,8 Prozent.
Ein maßgeblicher Faktor sind die Verluste am wichtigen chinesischen Markt. Festland-China importierte um 25,4 Prozent weniger, und die Ausfuhren nach Hongkong, der Nummer Drei, gaben um 19 Prozent nach. Das konnten der unangefochtene Spitzenreiter USA mit einem Plus von 5,5 Prozent, Japan mit +5,6% und Singapur mit +3,3% nicht ausgleichen. Auf Platz sechs landete das Vereinigte Königreich mit -2,1 Prozent. Hier kehren zwar die chinesischen Touristen langsam wieder zurück. Aber die konjunkturelle Verunsicherung auf der Britischen Insel und die damit einhergehende Kaufzurückhaltung konnte das anziehende Tourismusgeschäft nicht kompensieren.
Konzernen wie Richemont und Swatch Group, welche stark im Reich der Mitte vertreten sind, beschert die chinesische Immobilienkrise rund um die hoch verschuldeten Giganten wie Evergrande und Country Garden einige Bauchschmerzen. Ganz im Gegensatz zu den Vereinigten Arabischen Emiraten, die bei den Uhren-Importen ein wertmäßiges Plus von 8,9 Prozent verzeichneten.
Durchwachsen, insgesamt aber negativ
Insgesamt konnte die Schweiz im Februar 1.210.164 Armbanduhren exportieren. Das sind 5,2% weniger als im Vorjahresmonat. Wertmäßig gaben die Ausfuhren um 4% auf 2,05 Milliarden CHF nach. Der gesamte europäische Markt verlor bei den Stückzahlen 3,6 % und beim Wert 5%. Die Länder der Europäischen Union führten 1,7% mehr Armbanduhren ein, deren Wert sich jedoch um 6,4% verringerte. Lichtblicke waren Frankreich (+6,1%), Irland (+34,9), Belgien (+6,3%) und Portugal (+12,5%).
Dafür sanken die Exporte in die wirtschaftlich leidende Bundesrepublik Deutschland abermals um 6,5%. Italien verzeichnete -17,7%, Spanien -10,4% und die Niederlande -16,8%. Stabilisierend wirkten wachsende Exporte nach Nord- und Südamerika. Mexiko legte hier wertmäßig um beachtliche 20,7% zu.
Vornehmlich sind die Umsatz-Rückgänge den Stahluhren zuzuschreiben. Sie büßten um 10,6% ein, obwohl sie nach Stückzahl sogar um 3,1% zulegten. Folglich sank der Export-Durchschnittspreis. Stabil blieben Uhren mit Edelmetall-Outfit (+0,2%). Einen stückzahlmäßigen Einbruch gab es bei Armbanduhren mit Gehäusen aus anderen Materialien. Sie verloren um 25% auf nur noch 254.000 Stück. Der Wert reduzierte sich hingegen nur um 4,7% auf 73,7 Millionen CHF. Es ist also davon auszugehen, dass deutlich weniger Moon und Blancpain Swatch ins Ausland flossen.
Abgesehen von den Uhren mit einem Exportpreis von weniger als 200 CHF, welche grosso modo auf dem Niveau vom Februar 2023 verharrten (-0,4%), verzeichneten die wichtigsten Preisklassen ausnahmslos einen Rückgang. Besonders ausgeprägt war dieser zwischen 500 und 3.000 CHF mit einem Wertverlust von 14,0%. Bei den Uhren mit einem Preis von über 3.000 Franken, welche fast 80% des Exportumsatzes ausmachen, gab es für Februar 2024 einen Wertrückgang von 1,8% zu vermelden.
Käufermarkt
Das ist nur der Blick auf den Februar. Ob der hier einsetzende Abwärtstrend und nachlassende Uhrenexporte anhalten, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Aller Voraussicht nach wird 2024 kein Rekordjahr mehr werden. Dazu stören zu viele politische und makroökonomische Parameter das Geschehen. Die zuletzt sehr erfolgsverwöhnte Schweizer Uhrenindustrie wird sich einmal mehr auf Normalzustände einstellen müssen. Hoffnungsvoll stimmt Indien. Die Exporte in das mit 1,426 Milliarden Einwohnern bevölkerungsreichste Land der Erde kletterten im Februar um 31,6%. Im Januar und Februar 2024 waren es zusammen 15,6%. Mit zunehmendem Wohlstand rücken mittelpreisige Armbanduhren eidgenössischer Provenienz ins Blickfeld der dort lebenden Menschen.
Sollte auch der Bitcoin weiterhin so stark bleiben, sitzt das Geld bei manchen Kunden lockerer. In diesem Fall könnte es am Sekundärmarkt mit neuen und gebrauchten Uhren langsam wieder aufwärts gehen. Bekanntlich sind die Preise von Anfang April 2022, als ein Absturz der Kryptowährungen einsetzte und die Folgen der CoVid-Pandemie deutlich spürbar wurden, bis Oktober 2023 deutlich, um mehr als 40 Prozent, eingebrochen. Seitdem verharren sie relativ konstant mit einer nur noch sehr moderaten Abwärtstendenz. Käufe erfolgen reflektierter und nicht mehr für Beträge, welche die Zeitmesser bei allem Goodwill definitiv nicht wert sind.
Wie es weitergeht, hängt sehr stark von der politischen Situation, den Lebenskosten und der Entwicklung des Über-Angebots an besagtem Sekundärmarkt ab. Dorthin fließt bei manchen Marken zur Liquiditätsgewinnung im Primärmarkt reichlich Neuware. Selbige lässt sich abgesehen von gesuchten Marken und Modellen nur mit mehr oder minder deutlichen Abschlägen gegenüber dem unverbindlichen Publikumspreis veräußern. Kaufwillige können daher feilschen.
Spürbar ist freilich auch die Beruhigung bei gesuchten Armbanduhren von Audemars Piguet, Patek Philippe oder Rolex. Deutlich überhöht bepreiste Angebote dümpeln inzwischen mitunter monatelang auf den sattsam bekannten Plattformen. Von Zeit zu Zeit schrauben die Verkäufer ihre Forderungen nach unten. Erst wenn diese in vernünftige Regionen angekommen sind, tut sich etwas.
Ausblicke
Nach meiner langen Erfahrung im Uhrenbusiness ist, wenn nicht noch gravierendere ökonomische und geopolitische Dinge geschehen, mit einer etwa zweijährigen Abkühlungs- und Beruhigungsphase zu rechnen. Kluge Marken-Manager wissen damit umzugehen und werden dafür sorgen, dass ein inflationäres Produktangebot die Abwärtsdynamik nicht noch zusätzlich stimuliert. Obwohl die Schweiz den Leitzins gerade von 1,75 auf 1,5 Prozent gesenkt und der Wechselkurs des Schweizerfrankens nachgegeben hat, wage ich allerdings zu bezweifeln, dass kurzfristig eine stärkere Preisdisziplin einsetzen wird.
Unbestritten und einer der Gründe für rückläufige Exporte der Schweizer Uhrenindustrie ist aber auch der Umstand, dass die letzten Preissteigerungen auf Uhrenliebhaberinnen und -Uhrenliebhaber abschreckend wirkten. Insbesondere jene, die das nötige Geld nicht einfach auf ihrem Konto liegen haben. Wer für sein neues Schmuckstück am Handgelenk sparen muss, fällt zunehmend als Kunde aus. Lebenshaltung, Urlaub und Auto besitzen auch in relativ wohlhabenden Ländern einen höheren Stellenwert.
Anlass zu Optimismus geben jedoch die zahlungskräftigen Bevölkerungsschichten, die bestimmte Luxusuhren nicht nur als Statussymbole, sondern auch als strategische Finanzanlagen und damit als Absicherung gegen Inflation betrachten. Aber solche Objekte mit einschlägigem Potenzial sind weiterhin nur schwer zu bekommen. Sollte sich das ändern, wird ihr Wert als Investitionsgegenstand schnell gegen null tendieren.
Export-Impulse könnten natürlich auch attraktive neue Armbanduhren liefern, die es während der anstehenden Watches & Wonders zu sehen gibt. Zeitmessendes von Rolex und Patek Philippe gehört eher nicht dazu, denn die Fertigungskapazitäten beider Manufakturen sind ausgelastet. Wertsteigernde Ausfuhren ließen sich allenfalls mit höheren Durchschnittspreisen infolge von Edelmetall, Edelsteinen oder Komplikationen erzielen. Man wird sehen. Es bleibt jedenfalls spannend.
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