Möglichst individuell
Oft wird die Frage gestellt, ob es denn auch ein Rolex Tourbillon gäbe. Schließlich steht weltweit bei Uhrenliebhabern hoch im Kurs und ist ein Symbol für Luxus. Aber wer dies vermutet, kennt die Genfer Uhrenmanufaktur schlicht. Hier arbeitet man seit Jahrzehnten weitgehend ohne Sondereditionen und verzichtet auf eine wilde Modellvielfalt. Stattdessen verkauft man die Uhrenklassiker wie Rolex Datejust, Sea-Dweller, Submariner oder etwa Daytona. Also zumindest theoretisch, weil selbst zu Coronazeiten praktisch kaum Uhren bei Juwelieren oder Rolex selbst erhätlich waren.
Entsprechend bieten sich Chancen für Rolex Individualisierer wie Tempus Machina, Label Noir, Blaken, Les Artisans de Genéve oder Hunter. Sie gestalten in Abstimmung mit ihren Kunden eigene Modelle nach Wunsch des Kunden. Allerdings geht Label Noir dabei einen deutlichen Schritt weiter. Während die Mehrzahl der auf die Kundenwünsche eingehenden Tuner sich auf meist schwarzbeschichtete Gehäuse und überarbeitete Zifferblätter und Zeiger beschränken, hat Label Noir gar ein Rolex Tourbillon im Angebot.
Rolex Tourbillon
Natürlich haben es schon viele versucht, Rolex Uhren auch vom Uhrwerk soweit zu überarbeiten, dass zusätzliche Komplikationen eingebaut werden konnten. Viele dieser Versuche blieben technisch jedoch recht limitiert. Umso mehr erstaunt, wie tiefgehend die Adaptionen warend, die Label Noir zum Start der Uhr im Jahr 2018 am originalen Uhrwerk von Rolex vornahm.
Ausgangspunkt des Umbaus war das Modell Rolex Milgaus mit seinem Kaliber 3131. Da solch eine tiefergehende „Umkonstruktion“ und der anschließende Umbau eine höchst diffizile Angelegenheit ist, bediente sich Label Noir der Techniker des kompetenten Studios „Les Gardiens du Temps“ aus Genf. Sie griffen massiv in Rolex Kaliber ein, veränderten die Schwingungsfrequenz von 28.800 auf 21.600 Hertz, veränderten die Grundplatine und entfernten nicht weniger als 51 Bauteile. Der Einbau des fliegenden Tourbillons erforderte andererseits 94 neue Bauteile.
Das Rolex Tourbillon vollzieht in klassischer Weise eine Umdrehung pro Minute und wurde so eingebaut, dass es von vorne durch einen Ausschnitt des Zifferblatts sichtbar ist. Als Nebeneffekt war es damit auch möglich, die Gehäusehöhe gleich zu lassen.
Kreativer Luxus im Dienste der Kunst der Personalisierung
Was noch zu beachten wäre
Einerseits ist das ein beachtlicher Beweis der uhrmacherischen Fähigkeiten von Label Noir und seinen Dienstleistern, wie dem wirtschaftlichen Potential, das Rolex noch hat. Also gesetzt den Fall, man würde sich auf den Bau von Rolex Uhren mit Tourbillon einlassen. Andereseits steht Rolex bereits jetzt schon vor Schwierigkeit, noch mehr Uhren zu produzieren. Es wäre keine Schwierigkeit, weitere Produktionskapazitäten aufzubauen und noch mehr Uhren mit und ohne Komplikationen zu bauen. Die Frage ist eher, wieviele Uhren eine Marke – und sei es ein Markenmythos wie Rolex – bauen und verkaufen kann, ohne den Nimbus von Premium und Luxus zu verlieren. Mit über 800.000 Uhren ist Rolex bereits jetzt eine Ausnahmefall im Segment der Luxusbrands.
Es gilt außerdem weitere Aspekte zu beachten. Dies betrifft nicht nur den stattlichen Preis von circa 125.000 Euro für solch ein Einzelstück auf Kundenwunsch. Vielmehr stellt sich die Frage, ob und wie lange solch eine „Frankenwatch“ im Alltag überlebt und wo etwaige Wartungen und Reparaturen vorgenommen werden können. Definitiv nicht bei Rolex, die bereits jetzt eingelieferte „schwarze Schafe“ von ihrer DLC-Beschichtung befreien und im Originalzustand wieder aushändigen.
Es braucht somit eine gehörige Portion Pioniergeist wie Selbstbewusstsein, um eine Rolex Milgauss komplett umbauen zu lassen und zu solch einem Show Piece umzugestalten. Die Aufmerksamkeit vieler wird dem Träger solch einer Rolex Tourbillon Uhr gewiss sein. Ebenso gewiss wird allerdings auch die Zurückhaltung der vielen Rolex Uhrenliebhaber sein. Diese schätzen an ihren Uhren, dass sich deren Gestaltung über die Jahrzehnte kaum verändert hat.
Am Ende ist es, wie es schon immer war: Die Schönheit liegt im Auge des Betrachters.
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