Erst einmal verschoben und nicht aufgehoben
Auch wenn die Only Watch Auktion verschoben wurde, gilt es festzuhalten, dass Wohltätigkeitsauktionen grundsätzlich eine gute Sache sind. Vor allem dann, wenn das eingesammelte Geld zum allergrößten Teil dem angegebenen gemeinnützigen Zweck zufließt. Mit großzügiger Unterstützung durch die Uhrenindustrie konnte die 2005 von Luc Pettavino gegründete Only Watch Organisation in den vergangenen Jahren rund 110 Millionen Dollar einsammeln. Allein die drei letzten Auktionen spülten etwa 70 Millionen Dollar in die Kassen der Veranstalter.
Als von Anbeginn genannter Verwendungszweck für diese riesigen Summen stand immer die Erforschung der Duchenne-Muskeldystrophie (DMD) im Raum. Das sollte auch für die 2023-er Only Watch Auktion gelten, zu der einmal mehr zahlreiche Uhrenmarken ihre tickenden Unikate in guter Tradition beigesteuert haben. Soeben musste Only Watch jedoch per Pressemitteilung verkünden, dass die für den 5. November 2023 in Kooperation mit Christie’s anberaumte Versteigerung auf einen noch unbestimmten Tag des Jahres 2024 verschoben wird.
Spätestens mit dieser keineswegs freiwillig herausgegebenen Verlautbarung steht die Frage im Raum, ob Only Watch wirklich so gemeinnützig ist, wie von der Association Monégasque contre les Myopathies (AMM) immer nach Außen getragen. Böse Zungen behaupten, dass der Sitz der AMM im europäischen Steuerparadies nicht von ungefähr kommt. Wer hierzulande die Gemeinnützigkeit einer Organisation erlangen will, muss sich den Steuerbehörden sehr differenziert erklären. Ähnlich dürfte es auch in Frankreich oder der Schweiz sein.
Stein im Rollen
Wie dem auch sei: Einen ersten Schlag versetzte die am 17. Oktober 2023 ohne erläuternden Kontext herausgegebene Ankündigung des Hauses Audemars Piguet, seine Uhr von der Auktion zurückziehen zu wollen. Kurz zuvor waren besagte Transparenzprobleme hochgekocht. Kurz darauf publizierte F.P. Journe auf Instagram eine Solidaritätsnote an Luc Pettavino, dessen Sohn Paul 2016 im Alter von 21 Jahren an DMD verstorben war, und das Fürstentum Monaco als bürgende Schirmherrin.
Als ich Thierry Stern Ende September 2023 zur Eröffnung der Patek Philippe Boutique in Genf traf, fragte ich ihn auch sofort nach dem immer noch nicht publizierten Beitrag seiner Manufaktur für die diesjährige Only Watch Auktion. Schließlich sei die Branche schon sehr gespannt auf diese Uhr, welche mit Sicherheit wieder das beste Resultat erlösen werde. Die sehr kryptisch ausfallende Antwort löste mein Erstaunen aus. Konkretes, was diesbezüglich in Genf geschehen wird, ist bis heute offen.
Sollte Patek Philippe ebenfalls einen Rückzieher machen, ist der Ruf von Only Watch nachhaltig wenn nicht gar gänzlich beschädigt. Bei dieser Gelegenheit sei daran erinnert, dass die doppelseitige, auf 2,5 bis 3 Millionen CHF geschätzte Patek Philippe Grandmaster Chime 2019 sensationelle 31 Millionen Schweizerfranken einbrachte.
Mehr zu den Uhren der letzten Auktion, ihren Ergebnissen und den schönsten Uhren gibt es hier auf Uhrenkosmos zu sehen.
Only Watch Auktion verschoben
In der relativ knapp gefassten Pressemitteilung zur Verschiebung der Auktion bezieht Only Watch Stellung zur Thematik, ohne Audemars Piguet und Patek Philippe mit einem Wort zu erwähnen. Konkrete Auskünfte über die kursierenden Fragen nach der Zuweisung von Mitteln und die Leitung der AMM bleibt die Organisation indessen schuldig. Ich jedenfalls konnte keine diesbezüglich erhellenden Statements entdecken. Stattdessen erfolgt der Verweis auf ein Schriftstück, welches seinerseits Bezug nimmt auf eine Reihe anderer Dokumente. Darin wird dargelegt, wie etwa 70 Prozent der bisher erlösten Millionenbeträge verwendet wurde.
Logischer Weise floss der größte Teil in die Suche nach einem Medikament zur Behandlung von DMD-Patienten, dem eigentlichen Sinn und Zweck dieser ganzen Mission. Ungeklärt ist gegenwärtig jedoch, und das dürfte Audemars Piguet zum schwerwiegenden Schritt sowie Patek Philippe zur momentanen Zurückhaltung veranlasst haben, die restlichen circa 30 Millionen. Sie könnten auf wohl gehüteten Konten ruhen, um einschlägige Forschungsvorhaben rasch und unbürokratisch unterstützen zu können. Müssen sie aber nicht. Zum Super-GAU käme es dann, wenn diese mehr als beträchtliche Summe für Verwaltungs- und Repräsentationszwecke verwendet worden wäre
Aufklärung und Transparenz dringend geboten
Verlinkungen im Pressetext führen zu den Finanzberichten der letzten fünf Jahre ab 2018. Diese decken besagte 70 % der eingesammelten Gelder ab. In einer Liste sind die während der zurückliegenden zehn Jahre finanzierten Projekte zusammengestellt. Einsehbar sind ferner die bis 2017 zurückreichenden Finanzberichte der unterstützten Biotech-Unternehmen SQY Therapeutics und Synthena AG.
Aber es mangelt offensichtlich an unmissverständlich nachprüfbaren Fakten. Deswegen will die Only Watch seine Jahresabschlüsse ab 2023 von einem Wirtschaftsprüfer unter die Lupe nehmen lassen. Die Resultate sollen im ersten Trimester des Jahres 2024 zur Veröffentlichung kommen. Geplant ist schließlich ein Jahresbericht, in dem AMM die geprüften Abschlüsse, die neue Leistungsstruktur sowie die Fortschritte der finanzierten Projekte vorstellt.
Warum das alles bei einer gemeinnützigen Organisation nicht schon vor Jahren geschah und erst nun erfolgt, nachdem das Kind vor allem durch den Rückzieher von Audemars Piguet in den Brunnen zu fallen droht, bleibt jedenfalls rätselhaft.
Wenn AMM über lückenlose Buchhaltung und ordnungsgemäße Verwendungsnachweise verfügt, stellt sich mir die Frage, warum mehr Transparenz und nachvollziehbare Aufklärung bis 2024 auf sich warten lassen.
Durch die unverzügliche Vorlage aller einschlägigen Dokumente sowie die Offenlegung der Konten könnte man alle Bedenken bis zum Auktionstag am 5. November 2023 zerstreuen und Kritikern jeden Wind aus den Segeln nehmen. Sollte alles mit rechten Dingen zugehen, kann ich das zögerlich hinhaltende Handeln nicht verstehen. Spontanität wäre ganz im Sinn der grundsätzlich guten Sache.
Disclaimer
Um allen Missverständnissen vorzubeugen, möchte der Uhrenkosmos ausdrücklich betonen, dass besagter Mangel an Transparenz und die nur spärliche Offenlegung einschlägiger Datensätze nicht zwangsläufig auf ein Fehlverhalten der AMM-Führung hinweisen. Die nun aufgetretene Situation ist auch nicht geeignet, dem Gremium eine ineffiziente oder auf Eigennutz abzielende Verwaltung vorzuwerfen und eine nicht angemessene Verwendung der Finanzmittel anzuprangern. Bis zum Beweis des Gegenteils gilt wie immer die Unschuldsvermutung.
Zusammenfassend wirft die Verschiebung der Only Watch Auktion ins neue Jahr aber auch kein sonderlich gutes Licht auf die Organisation. Es bleibt abzuwarten, wie andere Uhrenspender auf diese Geschehnisse reagieren. Uhrenkosmos wird gerne berichten, wenn es Neues in dieser Causa gibt.
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