Retro heißt zurück
Den Reiz der Montblanc 1858 Minerva Monopusher Chronograph Red Arrow LE88 Fliegeruhr begreift man schnell – also wenn man an den Ursprung des Wortes “Retro” denkt. Das Präfix Retro, so heißt es im Fremdwörter-Lexikon, steht für hinter, rückwärts, zurück. Retroaktiv meint rückwirkend, retrograd bedeutet rückläufig, retrovertieren und retrospektiv lassen sich mit rückblickend eindeutschen. Kurzum, es geht um Vergangenheit.
Diese Vergangenheit ist für die Uhrenbranche ein fortwährendes hochaktuelles Thema, insbesondere dann, wenn es die eigene Biographie betrifft. In diesem Sinne repräsentieren Armbanduhren im so genannten Retrolook die Beschäftigung mit zurückliegenden Epochen. Sie verstehen sich zudem als Hommage an kreative Pioniere im eigenen Haus.
Verglichen mit den historischen Vorbildern weisen Retromodelle freilich eine ganze Reihe handfester Vorteile auf: Bei den Schalen sind es unter anderem Saphirgläser und verschraubte Sichtböden. Kratzer und Feuchtigkeit bereiten keine sonderlichen Probleme mehr. Beim natürlich weiterhin tickenden Uhrwerk bewahrt eine Stoßsicherung die empfindliche Unruhwelle zuverlässig vor Bruch.
Montblanc 1858 Minerva Monopusher Chronograph Red Arrow LE88
Das gilt auch für den während der Watches & Wonders 2022 vorgestellten 1858 Minerva Monopusher Chronograph Red Arrow LE88 von Montblanc. Selbst bei nüchterner Betrachtung fällt bei dieser 42 Millimeter messenden Edelstahl-Armbanduhr auf, dass Montblanc der Brückenschlag zwischen Vergangenheit und Zukunft geglückt ist. Zurückliegendes Design und moderne Technologie bilden eine begehrenswerte Synthese. Das ihr zugrunde liegende Rezept hat der englische Verleger und Politiker Harold Macmillan einstmals folgendermaßen zu Papier gebracht:
Die Vergangenheit sollte ein Sprungbrett sein, nicht aber ein Sofa.
Red Arrow ist Botschaft
Wie üblich ist der Modellname bei Montblanc unmissverständliche Botschaft. Die Gründung von Minerva erfolgte im Jahr 1858 durch Charles-Yvan und Hyppolite Robert. Seit 2006 gehören die Marke Minerva, ihre feinen Kaliber, das alte, mittlerweile jedoch gründlich renovierte Firmengebäude und natürlich auch das Firmenarchiv zu Montblanc. Aus letztgenanntem geht hervor, dass im Jahr 1927 ein Gehäuse mit fein geriffeltem Drehring und rotem Merkpfeil zur Verfügung stand.
Damit ist jedoch nicht gesagt, dass die kreativen Robert Frères noch im gleichen Jahr auch entsprechende Armbanduhren lancierten. Mit Blick auf besagten 1858 Minerva Monopusher Chronograph Red Arrow LE88 spielt das letzten Endes aber auch nur eine untergeordnete Rolle.
Wer in den Annalen der Armbanduhr stöbert, muss anerkennen, dass Minerva zu den Pionieren der Armbanduhr mit Drehlünette und in diesem Fall eben rotem Merkpfeil gehört. Bleibt LE88. Dieses Kürzel meint, dass Montblanc summa summarum 88 Exemplare zum unverbindlichen Preis von jeweils 32.000 Euro produzieren wird.
Diese Lünette wurde bei vielen Modellen der Marke verwendet, und das war eine Offenbarung für mich. Was wäre, wenn wir diese geriffelte Lünette als Signatur für unsere Modelle verbauen würden? Und so erschien diese Drehlünette als charakteristisches Teil aller neuen Minerva-Modelle, welche für dieses Jahr in Villeret kreiert wurden. Und um unserer reichen uhrmacherischen Vergangenheit Tribut zu zollen, wird diese Lünette nur in 18-karatigem Gold hergestellt. Jetzt haben wir also zwei ausdruckstarke Signaturen für die Minerva, das umgedrehte Uhrwerk und/oder die geriffelte Drehlünette. Zurück zu den Wurzeln!
Hilfreiches Feature
Wer genau die Idee zu diesem Feature hatte, lässt sich retrospektiv nicht mehr sagen. Eine entsprechende Patentanmeldung scheint jedenfalls nicht zu existieren. So oder so war der Einfall bestechend. Allein schon wegen ihres Preises konnten nutzten nur recht wenige einen Chronographen fürs Handgelenk. Daher steht zu vermuten, dass Drehringe mit wie auch immer gearteter Markierung zunächst einmal für Zeitmesser ohne Stoppfunktion gedacht waren. Auf simple Weise diente dieses Gehäusemerkmal der Kurzzeitmessung. Und zwar beim Zählen von Minuten oder Stunden in beiden Richtungen.
Einst und jetzt
Warum im 1939 aufgelegten Vorbild des 1858 Minerva Monopusher Chronograph Red Arrow LE88 das opulente Taschenuhrkaliber 19/9CH mit 42,15 mm Durchmesser, 7,6 mm Bauhöhe, 2,5 Hertz Unruhfrequenz und Monopusher-Schaltradsteuerung tickte, lässt sich nur vermuten. Sein Debüt mit der Seriennummer 821.843 verzeichnen die Archive für den Mai 1908. Insgesamt fertigte Minerva vom 19‘‘‘ Nr. 9CH über mehrere Jahrzehnte hinweg nicht weniger als 54 Serien. Erhältlich waren zwei Versionen. Diese unterscheiden sich durch die Anordnung des Chrono-Drückers mit drei zwingend aufeinanderfolgenden Funktionen Start, Stopp und Nullstellung. Je nach Ausführung des langen Schalthebels befindet er sich entweder in der Aufzugs- und Zeigerstellkrone oder separiert bei „2“. Letzteres trifft auf die damaligen Chronographen mit Drehlünette und rotem Merkpfeil zu. Sie wandten sich unter anderem an Piloten.
Eine kleinere Version wäre mit dem am 11. Dezember 1923 vorgestellten Kaliber 12¾‘‘‘ Nr. 20 möglich gewesen. Im 16. Kontrollregister von Minerva ist das erste Exemplar mit der Nummer 1.260.379 erfasst. Die Erstauflage des seinerzeit in Kooperation mit Dubois-Dépraz entwickelten Monopusher-Handaufzugswerks (ein anderes faszinierendes Monopusher Kaliber gibt es auch hier) 6,4 Millimetern Bauhöhe und Schaltradsteuerung betrug zwölf Dutzend.
Zwischen den beiden Spezialisten bestanden damals enge Beziehungen. Nach seiner Uhrmacherlehre praktizierte Eugène Dépraz 1927, also im Jahr des Lancement der Merkpfeil-Drehlünette bei Minerva. Auf jenem erfolgreichen Uhrwerk, dessen Produktion bis in die 1960-er Jahre währte, basiert das MB M13.21, welches Montblanc im aktuellen 1858 Minerva Monopusher Chronograph Red Arrow LE88.
Eyecatcher par eccellence
Außer Zweifel dürfte stehen, dass der limitierte Newcomer von Montblanc viele Blicke magisch auf sich lenken wird. Zum einen wegen des gekonnten Retrolooks. Zum anderen aber auch wegen der augenfälligen Kombination aus weißgoldener Drehlünette, rotem Merkpfeil, schwarzem Zifferblatt, dezentem alten Minerva-Logo und markanten Leuchtzeigern.
Bis zu drei bar Druck reicht die Wasserdichte der Sichtbodenschale mit massiver Weißgoldkrone. Als echte Augenweide dürfen dazu Eingeladene das Minerva Manufakturkaliber MB M13.21 bewundern. Sein Durchmesser beträgt 29.5, die Höhe wie eh und je 6,4 Millimeter. Gemächlich, sprich mit 2,5 Hertz oszilliert die große Schraubenunruh samt Spirale mit hochgebogener Endkurve. Diese Frequenz gestattet Stoppungen auf die Fünftelsekunde genau. Mit Hilfe einer Feinregulierung lässt sich der Rückerzeiger exakt dosiert verstellen.
Von selbst mag sich die Highend-Finissage der insgesamt 239 Komponenten verstehen. Hier gibt es keine Kompromisse. Am Ende des langwierigen Herstellungsprozesses muss jede der mit Krokoband und doppelter Edelstahl-Faltschließe gelieferten Referenzen 129614 den Montblanc Laboratory 500-Stunden-Test erfolgreich durchlaufen. Zuverlässigkeit und Präzision sind dadurch gewährleistet. Auf einem anderen Blatt steht geschrieben, ob noch Exemplare verfügbar sind. Der Preis und die Limitierung machen diese Armbanduhr attraktiv. Etwas Suchen lohnt sich also durchaus.
Montblanc ist Minerva und Minerva ist Montblanc. Mit der Wiedereinführung des Minerva-Pfeils auf den Zifferblättern erinnern wir zu Recht daran, wie stolz wir auf unsere Uhrmachergeschichte und unser Know-how sind.
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