Sekundenbruchteile
Traditionsgemäß gehört präzise Zeitmessung im Dienste des Leistungssports zu den Domänen des Hauses Longines. Diesen Anspruch unterstreichen zahlreiche aktuelle wie frühere Chronographenkaliber, entwickelt und gefertigt im eigenen Haus. Um deren Präzsion zu verstehen, gilt es zu wissen, wie solch ein Uhrwerk mit Stopff-Funktion funktioniert.
Nun, bekanntlich resultiert die Anzeigegenauigkeit eines Chronographen aus dem Tempo, mit dem der Gangregler oszilliert. Zum Beispiel bei konventionellen Kalibern mit 2,5 Hertz Frequenz vollzieht die Unruh stündlich 18.000 Halbschwingungen. Umgerechnet bedeutet das ein Voranschreiten des Sekundenzeigers in Fünftelsekunden-Schritten.
Diesem Sachverhalt genügen Chronographen-Skalen mit jeweils vier kleinen Strichen zwischen den Sekunden-Indexen. Weil die Zifferblätter bei Armband-Chronographen recht klein ausfallen, braucht es zum präzisen Ablesen gestoppter Sekundenbruchteile sehr gute Augen oder einen Chronographen mit „Blitzender Sekunde“. Hierbei dreht sich ein zusätzlicher Zeiger im Takt der Unruh einmal pro Sekunde um seine Achse.
Stein der Weisen
Dieser Problematik waren sich auch die Produktgestalter bei Longines bewusst. Aber Frank Vaucher entdeckte den Stein der Weisen. Für seinen Kunstgriff besannt sich der erfahrende Zeitnehmer und begnadete Erfinder in den Diensten der Manufaktur auf eine bewegliche Längenskala, welche der französische Mathematiker Pierre Vernier im Jahre 1631 ersonnen hatte. Daher wird sie in zahlreichen Staaten auch Vernier-Skala genannt. In deutschsprachigen und anderen Ländern hat sich hingegen der Begriff „Nonius“ eingebürgert. Ältere Semester kennen ihn noch vom guten alten Rechenschieber. Dieser Name geht zurück auf Pedro Nunes. Der latinisiert Petrus Nonius genannte Astronom, Geograph und Mathematiker lebte von 1502 bis 1578 in Portugal. Zu seinen Errungenschaften gehörte eine komplexe Apparatur zum präziseren Erfassen von Winkeln. Vernier gelang im 17. Jahrhundert die Fortentwicklung und Vereinfachung dieser Vorrichtung.
Der Trick bei der Verwendung eines Nonius in Verbindung mit mechanischen Uhren bestand einer entsprechend gebogenen Längenskala am Ende des zentralen Chronographenzeigers. Am Ende eines Stoppvorgangs, sprich nach dem Anhalten müssen die Nutzer genau hinschauen und auf diese Weise feststellen, welche der neun Nonius-Ziffern mit der 60-Sekunden-Skala fluchtet. Und diesen Wert heißt es dann zur Anzahl der (links) vom Zeiger stehenden Sekunden zu addieren.
Nonius ab 1964
1964, als Longines den patentierten „Nonius“-Chronographen vorstellte entstanden in Saint-Imier kaum noch eigene Kaliber. Daher tickte in der 39 Millimeter großen Referenz 8273-1 mit Goldgehäuse das Kaliber Longines 330. Hierbei handelte es sich um das bekannte und bewährte Valjoux 72 mit manuellem Aufzug. Den Fünftelsekunden-Zeittakt lieferten eine Glucydur-Ringunruh samt Flachspirale. Die Stahlteile des Stoppmechanismus weisen einen bemerkenswerten Grad an Feinbearbeitung auf.
Für weniger Geld offerierte Longines diese Armbanduhr auch mit stählerner Schale. In späteren Ausführungen, u.a. Referenz 8271-1 verbaute die Firma das auf dem Valjoux 726 basierende Kaliber 332. Daneben gab es übrigens auch die Referenz 8225-2 mit 43 Millimetern Durchmesser und einem modifizierten Manufakturkaliber 30 CH. Das Longines 538 besitzt links keine Permanentsekunde. Bei „3“ findet sich ein 30-Minuten-Totalisator.
Honour & Glory“ 1999
Unter dem Namen „Honour & Glory“ offerierte Longines 1999 für damals 6.200 Mark (ca. 3.200 Euro) ein exklusives, auf 600 Exemplare limitiertes Zeitnahme-Set, bestehend aus einem opulenten Schleppzeiger-Chronographen von 1969 (Handaufzugskaliber 260, 24 Linien, Durchmesser 54 mm) sowie einem modernen Automatik-Stopper fürs Handgelenk. Beide Instrumente verfügten über den Zehntel-Nonius.
Aus der damals intendierten Originaltreue resultiert bei der Armbanduhr jedoch ein kleiner Schönheitsfehler: Bedingt durch vier Hertz Unruhfrequenz (28.800 Halbschwingungen/Stunde) ermöglicht das verbaute Kaliber Valjoux 7750 allerdings Achtelsekunden-Stoppungen. Soll die „Vernier“-Skala ihren Zweck bestimmungsgemäß erfüllen, darf sie folglich nur sieben Ziffern aufweisen.
Aber bei einer Handstoppung sind kleine Abweichungen ja toleriert.
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