FORTSCHRITT DURCH STILLSTAND
Besondere Uhrenkaliber wie das der A. Lange & Söhne 1815 Tourbillon erfordern besondere Maßnahmen. Dies dachten im Jahr 2008 auch die Techniker und Uhrmacher von A. Lange & Söhne beim Cabaret Tourbillon und handelten nach dem Motto „Fortschritt durch Stillstand“. Worum ging es? Beim Formkaliber L042.1 lässt sich das Drehgestell zum sekundengenauen Einstellen der Uhrzeit anhalten. Den Tüftlern verlangte der dazu nötige Unruhstopp jedoch einiges ab.
Zunächst einmal lassen sie den filigranen Käfig des Tourbillons entgegen dem Uhrmachersinn rotieren. Außerdem kreierten sie einen ausgeklügelten Hebelmechanismus samt beweglich gelagertem Stopphebel mit zwei intelligent gebogenen Federarmen. Mindestens einer von beiden legt sich beim Ziehen der Krone leicht an den Umfang des Unruhreifs, denn die asymmetrische Kurvenform der beiden Federenden lassen das Hebelpaar im Verbund oder separat wirken. Ein fatales Verhaken mit deinem Pfeiler des Drehgestells ist somit ausgeschlossen.
Lange & Söhne Sax-O-Mat
Das war es aber noch nicht. Im Jahr 2014 gesellte sich beim runden Handaufzugskaliber L102.1 auch noch eine ausgeklügelte, vom 1997 vorgestellten Sax-O-Mat abgeleitete Nullstell-Sekunde. Für dieses besondere Feature verwenden die Uhrmacher ein Nullstellherz, wie man es in mechanischen Chronographen findet. Mit Hilfe eines entsprechend gestalteten Hebels lassen sich das ausgeklügelte Bauteil und der Zeiger stets in die gleiche Position drücken. Die Verknüpfung mit einem delikaten Tourbillon steigert den Schwierigkeitsgrad jedoch ganz erheblich, weil der „Wirbelwind“ beim Zeigerstellen zwar angehalten, selbst aber nicht gedreht werden kann. Deswegen befestigen die Uhrmacher den Nullstellmechanismus für den Sekundenzeiger mit exakt berechneter Friktion auf der Drehgang-Welle. Das 32,6 Millimeter große und 6,6 Millimeter hohe Uhrwerk mit drei Hertz Unruhfrequenz und 72 Stunden Gangautonomie besteht aus 262 Komponenten.
Die Exemplare des A. Lange & Söhne 1815 Tourbillon mit Metallzifferblatt sind längst ausverkauft. Damals zu kurz gekommenen offeriert die Nobelmanufaktur nun weitere 100 Armbanduhren à 198.000 Euro mit 39,5 Millimeter großem Platingehäuse und Emailzifferblatt. Die rote Zahl „12“ erinnert an die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts, als das strahlend weiße Material zum guten Ton bei feinen Armbanduhren gehörte – und ist für Kenner womöglich auch ein kleines Ausrufezeichen.
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