Vulcain Skindiver Nautique: Tauchen mit Charme

Die Vulcain Skindiver Nautique steht sicher etwas im Schatten der bei Sammler und Vintage Uhrenliebhabern stärker im Fokus stehenden Vulcain Cricket Weckeruhr. Wobei dieser Umstand nicht wirklich überraschend ist. Hatte doch die Vulcain Cricket, es war die weltweit erste Armbanduhr mit Handaufzug und integriertem Wecker, mit den US-Präsidenten Harry S. Truman und Dwight D. Eisenhower zwei durchaus prominente Träger.

Jedoch kann auch das Modell Skindiver auf eine durchaus lange, wie prominente eigene Geschichte verweisen. Schließlich war das Modell Vulcain Nautical nach seiner Lancierung Anfang der 60er Jahre ein sehr beliebtes Taucheruhren-Modell, das mit seiner Dekompressionsskala auf dem Zifferblatt den Schweizer Taucher Hannes Keller erfolgreich bei seinem im Jahr 1961 im Tessin aufgestellten Tieftauchrekord unterstützte. Dabei erreichte man dank der Heliox-Mixgasmischung von 79% Helium und 21% Sauerstoff die erstaunliche Tauchtiefe von 222 Meter.

Von diesem, in Taucherkreisen geschätzten Modell wurden bei der neuen Vulcain Nautique etliche Gestaltungsmerkmale übernommen. Trotzdem wurde dankenswerterweise auf eine echte 1:1 Kopie der Vulcain Nautical verzichtet. Stattdessen wurden Gehäuse und Optik der neuen Nautique Variante sanft überarbeitet und an heutige Kundenwünsche sanft angepasst. Dem aktuellen Trend zu kleineren Uhren ist auf alle Fälle die Gehäusegröße geschuldet, denn mit 38 mm dürfte die Vulcain Skindiver dem einen oder anderen Interessenten ungewöhnlich klein am Handgelenk vorkommen. Aber dazu später mehr. 

Vulcain

Die Marke Vulcain selbst ist jedoch deutlich älter als Skindiver und Cricket zusammen, denn sie wurde bereits im Jahr 1858 von Brüdern Maurice, Gaspard und Aron Ditisheim gegründet. Wie allgemein üblich stellte man zunächst solide Taschenuhren vor und das Unternehmen wuchs von einem kleinen Atelier zu einer höchst respektierten Uhrenfabrik, die von schlichten einfachen, bis zu aufwendigen komplexen Uhrwerken alles baute. Selbst Marine-Chronometer wurden von Ditisheim hergestellt. Die Leidenschaft für Uhren war jedoch in der Familie recht unterschiedlich ausgeprägt und im Jahr 1886 kaufte Maurice Ditisheim seinen Brüdern deren Anteile ab.

Nachdem im Jahr 1894 erste Uhren unter dem Markennahmen Vulcain ihre Käufer fanden, entschied Ernest-Albert Ditisheim, der die Leitung des Unternehmens von seinem Vater Maurice Ditisheim übernommen hatte, den Markennamen schützen zu lassen und ab 1898 den Verkauf unter dem Markennamen Vulcain fortzusetzen. Damit einher ging auch die Umbenennung der Uhrenfabrik in Vulcain, so dass mit dem Aufkommen der Armbanduhren Vulcain weiter zu einem erfolgreichen Uhrenhersteller und einer bekannten Marke heranreifte. Gleichwohl vermochte Ditisheim noch bis weit in die 30er Jahre erfolgreich Taschenuhren an den Mann zu bringen.

Vulcain Cricket

Ein weiterer Meilenstein gelang im Jahr 1947 mit der Einführung der Vulcain Cricket. Es war die erste Armbanduhr mit Wecker und ein großer Erfolg. Der englische Name „Cricket“, übersetzt „Grille“, beruhte auf dem doch recht markanten Geräusch, das die in der Tat funktionierende Weckfunktion der Uhr hatte. Die prominente Platzierung am Handgelenk mehrerer amerikanischer Präsidenten tat dann ein Übriges.

Im Jahr 1961 kam es nochmals zu einem Zwischenhoch für die Marke. Denn mit der Vulcain Nautical konnte man erfolgreich eine Taucheruhr konzipieren, die vom Boom des Tauchsports profitierte. Doch die 70er Jahre und das massive Aufkommen der Quarzuhren sorgten auch bei Vulcain für schwindende Verkäufe und die alteingesessene Uhrenmarke geriet in Schiefstand. Nun folgten einige Eigentümerwechsel, ohne dass sich die Situation merklich verbesserte.

Excellence Holding

Ruhiger wurde es erst im September 2001, mit der Übernahme der Marke und der Patente durch die PMH Production et Marketing Horloger SA in Le Locle endete. Das Unternehmen mit Sitz in Le Locle im Kanton Neuenburg knüpfte erfolgreich and die große Tradition des Unternehmens and und konnte neue Käufer, für die sich an historischen Vorbildern orientierenden Vulcain Uhren gewinnen.

Dies erfolgte so erfolgreich, dass im Jahr 2009, im Nachgang des 150. Geburtstags der Marke, die Excellence Holding AG aus Rapperswil die Marke Vulcain übernahm. Damit gesellte sich Vulcain zu der ebenfalls im Excellence Holding befindlichen Uhrenmarke Jaermann & Stübi. Synergien ergaben sich für die Eigentümer der Holding, die Familie Al-Rayes aus Saudi Arabien, durch die Excellence Tochter Les Ambassadeurs. Diese Konstellation wie der anhaltende Trend zu Retro-Modellen brachten Vulcain wieder auf sicheren Boden. Zu guter Letzt erfolgte im Jahr 2017 ein letzter Eigentümerwechsel. Nun war es am Luxemburger Unternehmer Flavio Becca, die Marke Vulcain zu übernehmen und an die Seite seiner zweiten Marke Anonimo zu stellen. 

Vulcain Skindiver Nautique

Das neue, mit einem blauen oder schwarzen Zifferblatt ausgestattet Modell der Vulcain Nautique hat ein klassisches Skindiver-Profil und ein robustes, wassergeschütztes Edelstahlgehäuse der Qualität 316L. Für eine Taucheruhr eher ungewöhnlich klein ist der Durchmesser der neuen Nautique nur 38 mm groß und 12,2 mm hoch, wobei das gewölbte Saphirglas wie beim Modell von einst über den Rand der Lünette ragt. Diese ist, wie für Taucheruhren notwendig, mit einer einseitig drehbaren Keramiklünette versehen. Die verschraubte Krone wie der verschraubte, mit einem Logo und Claim versehene, stählerne Gehäuseboden der Vulcain Taucheruhr schützen die Uhr bis zu einer Wassertiefe von 200 Meter vor dem Eindringen von Wasser. Dabei verzichtet Vulcain wohl aus Gründen der Ästhetik auf einen seitlichen Schutz der Krone.

Sowohl die blaue als auch die schwarze Version der Vulcain Skindiver Nautique sorgen durch die Ausstattung der stabfürmigen Zeigern und der Indexe mit nachleuchtender Super-LumiNova Leuchtmasse für eine verbesserte Sichtbarkeit im Dunkeln. Damit bietet die Vulcain Nautique eine solide, tauchfähige technische Grundkonstellation, sorgt aber durch die optisch eher reduzierte Gestaltung von Zifferblatt und Lünette für eine ausgesprochen elegante, ausgewogene Optik.

Vulcain Nautique Uhrwerk

Keine Experimente macht der Uhrenhersteller aus der Le Locle mit dem automatischen Kaliber ETA 2824. Dieses ausnehmen bewährte Kaliber, das auf dem einstigen Eterna-Kaliber 1427 (mehr über das Kaliber und seine heutigen Wettbewerber gibt es hier zu lesen) basiert und von vielen Marken verwendet wird, arbeitet bei 4 Hz und sorgt nach Vollaufzug für eine im Alltag durchaus passable Gangreserve von bis zu 38 Stunden. Ist diese Frist verstrichen, gilt es, die Uhr von Hand nachzustellen.
Mag dieser Wert nun kein Spitzenwert darstellen, so bietet das Kaliber 2824 andererseits den Vorteil, dass Zuverlässigkeit, Wartung und Instandsetzung des Kalibers keine großen Ansprüche stellen. Angesichts der bei vielen Marken anzutreffenden Kostensteigerungen für Revisionen sicherlich kein zu vernachlässigendes Argument.

Beide Versionen der Vulcain Skindiver Nautique 38mm sind mit einem schwarzen, glatten oder mit Flechtmuster versehenem, seitlich abgenähten Lederband mit Edelstahldornschließe erhältlich. Womit absehbar ist, dass die Skindiver Nautique Taucheruhr durchaus regelmäßig außerhalb des nassen Elements getragen werden wird. Wem diese Ausstattung zu wenig tauch affin ist, dem sei der Erwerb eines Kautschuk- oder Nato-Armbands empfohlen. Dank vorhandenem Band-Schnellverschluss lässt sich nämlich ein Bandwechsel in wenigen Sekunden bewerkstelligen.

Auch hier hatte die attraktive Retro-Optik erkennbar den Vorrang vor der Sportlichkeit. Der Käufer erhält somit zum Verkaufspreis von 1.550 Euro eine zwar jederzeit tauchfähige, sportlich Uhr. Der Hauptreiz dürfte jedoch für die meisten, retro-inspirierten Interessenten in der sanft in die Neuzeit transferierten, wohlproportionierten Gestaltung der Vulcain Nautique liegen. Warum auch nicht.