Nicht exklusiv und schön, aber funktional
Weder ist es exklusiv, noch uhrmacherisch besonders ästhetisch, das seit Jahrzehnten von der Eta produzierte Kaliber Valjoux 7750. Aber das 1973 lancierte und damit 2023 exakt 50 Jahre junge Automatikwerk mit Stoppfunktion gilt zu Recht, als gelungener Mix aus Tradition, Innovation und Preiswürdigkeit. Seine Kreation stand unter dem Diktat einer keineswegs leichten Epoche, in der sich die überlieferte mechanische Uhrmacherei im Kampf gegen schwingende Quarze ein letztes Mal aufzubäumen schien.
Gesamtkunstwerk in mehreren Schichten
Unter Leitung von Edmond Capt entwickelte das Team in Les Bioux am Westufer des Jouxsees Zug um Zug die verschiedenen die Baugruppen. Dass es sich dabei trotz integrierter Konstruktion um eine Art Sandwich handelt, belegt ein kleiner Seitenblick auf das mit 7,9 Millimetern Bauhöhe nicht unbedingt flache Oeuvre. Genau genommen entdecken kundige Betrachter drei oder gar vier Schichten. Eine davon zifferblattseitig über und streng genommen zwei rückwärtig unter der tragenden Hauptplatine. Deren Durchmesser beträgt 13¼ Linien oder 30 Millimetern. In der Basisversion besteht das Gesamtkunstwerk aus rund 250 Komponenten.
Hauptplatine
Auf der Hauptplatine findet sich rückseitig einmal die Getriebekette des eigentlichen Uhrwerks einschließlich großem Federhaus sowie das Schwing- und Hemmungssystem mit vier Hertz Unruhfrequenz. Umgerechnet stündlich 28.800 Halbschwingungen gestatteten Stoppungen auf die Achtelsekunde genau. Mit Hilfe eines Etachron-Rückersystems lässt sich der Gang unkompliziert durch Veränderung der aktiven Länge der flachen Nivarox-Unruhspirale regeln.
In der ursprünglichen Version speichert die Zugfeder Energie für rund 44 Stunden ununterbrochenen Lauf. Letzten Endes beeinflusst der Schaltzustand der Stoppfunktion die Gangautonomie. Der per Schwingtrieb-Kupplung aktivierte Stopper entzieht dem Uhrwerk logischer Weise zusätzliche Kraft. Ein Unruhstopp dient dem sekundengenauen Einstellen der Uhrzeit. Nachdem es sich beim Valjoux 7750 um ein Uhrwerk in so genannter Lépine-Bauweise handelt, dreht die als Funktionskontrolle dienende Permanentsekunde bei „9“.
Hinzu gesellt sich rückseitig zum anderen das integrierte Schaltwerk der Stoppfunktion.
Vorderseitig auf der Hauptplatine montieren Uhrmacher wie üblich das Zeigerwerk sowie die Mechanismen zum Zeigerstellen und manuellen Aufzug. In der Basisversion besitzt das Kaliber 7750 eine halbspringende digitale Datums- und Wochentagsanzeige mit Schnellverstellung über die Krone. Alternativ gibt es das Uhrwerk auch ohne Wochentagsanzeige.
Die Datumsplatte lässt sich nach dem Lösen von drei Schrauben von der Platine abheben.
Die Stoppfunktion des Valjoux 7750
Bleiben wir in diesem Zusammenhang bei der Hauptplatinen-Vorderseite. Dort haben die Konstrukteure den vom Uhrwerk per Rutschkupplung direkt angetriebenen 12-Stunden-Zähler angeordnet. Der rückwärtige Zapfen der zugehörigen Zeigerwelle dreht direkt in einer Platinenbohrung. Wegen seiner langsamen Rotationsgeschwindigkeit ist ein Lagerstein verzichtbar.
Anfänglich bestand der für Normalsterbliche niemals sichtbare Hebel, welcher den Stundenzähler bei angehaltenem Stopper blockiert, aus weißem Plastik. Optisch ist das nicht unbedingt schön, aber technisch auch kein Nachteil. Das verglichen mit Metall relativ weiche Material erfüllt seinen Zweck. Überdies mindert es den Lagerdruck.
Nicht zuletzt aus ästhetischen Gründen und auf Verlangen zahlreicher Kunden musste dieses Bauteil vermutlich Mitte der 1990-er durch ein metallenes Pendant ersetzt. Im Zuge dieser Aufwertung erhielt das Uhrwerk 25 statt bis dahin 17 funktionale Steine.
Das eigentliche Chronographen-Schaltwerk befindet sich auf der Rückseite. Wer einen Blick auf die gesamte Konstruktion werfen möchte, muss allerdings zuerst die Automatik-Baugruppe demontieren.
Grundsätzlich handelt es sich um eine Konstruktion mit zwei Drückern. Jener bei der „2“ dient dem Starten und Anhalten, der bei „4“ dem Nullstellen des Chronographen. Diese Bauart gestattet Additionsstoppungen, also die Aneinanderreihung mehrerer Stoppvorgängen. Ästhetische Schönheit darf man wie beim gesamten Uhrwerk auch hier nicht erwarten. Flache Stanzteile beherrschen das zeitschreibende Geschehen.
Per Schwenk steuert ein geschichteter und deshalb kostengünstig herstellbarer Schaltnocken die drei zeitschreibenden Funktionen Start, Stopp und Nullstellung. Die Verbindung zwischen Uhrwerk und Chronograph stellt die vergleichsweise simple und schon 1887 für Edouard Heuer patentierte Schwingtrieb-Kupplung her. Aus konstruktiven Gründen liegen die bis 30 Minuten und 12 Stunden reichenden Zähler auf einer senkrecht von „12“ zu „6“ verlaufenden Achse. Der Nullstellmechanismus gründet sich auf ein 1941 patentiertes Konzept des Uhrmachers Henri Jacot-Guyot.
Selbst ist der Aufzug
Die rückseitig mit drei Schrauben über dem Chrono-Schaltwerk befestigte Automatik-Baugruppe begnügt sich mit einem Minimum an Komponenten. Der Kraftfluss erfolgt per kombiniertem Klinken- und Sperrrad mit blattförmiger Sperrfeder sowie zwei Reduktionsräder auf das Sperrrad des Energiespeichers.
Die Tatsache, dass die Schwungmasse mit äußerem Schwermetallsegment nur in einer Drehrichtung aufzieht, tut der Effizienz keinen Abbruch. Aber sie bewirkt, dass sich der Rotor mitunter extrem schnell und unüberhörbar in die Leerlauf-Richtung dreht.
Zur Erinnerung in diesem Zusammenhang nur so viel: In der 1926 gegründeten und danach sukzessive um mehrere Fabrikanten erweiterten Rohwerke-Holding Ebauches SA kümmerten sich Landeron, Venus und Valjoux um das Thema Chronographen. Im Zuge einer krisenbedingten Sanierung gingen 1984 alle ehemaligen Tochterfirmen der Ebauches S.A. in dem von Nicolas G. Hayek und namhaften Banken gegründeten SMH-Konzern (Société Suisse de Microélectronique et d’horlogerie) auf.
Die Bündelung sämtlicher Rohwerke-Aktivitäten erfolgte in der Eta SA, welche sich im Zuge der Quarz-Revolution als kreativster, finanzstärkster und durchsetzungskräftigster Werkefabrikant erwiesen hatte. Im neuen Unternehmen entwickelte sich das Kaliber Eta 7750 zum Bestseller mit einer Jahresproduktion von mehr als 200.000 Exemplaren. Wichtige Beiträge zum Erfolg leisteten kontinuierliche Optimierung, Verfeinerung, Fortentwicklung und Zusatzfunktionen.
Valjoux
Auf den erfolgreichen Relaunch des Valjoux Kalibers 7750 folgte relativ rasch die erste Erweiterung um die beliebte Mondphasenindikation. Beim 7750 CCL (con cours de lune) fand sie sich bei „3“. Außerdem gab es ein mittig angeordnetes Zeigerdatum. 1986 folgte das komplexere Valjoux 7751 mit einfachem Vollkalendarium (Zeigerdatum, digitale Wochentags- und Monatsanzeige) und Mondphasenanzeige bei der „6“. Eine 24-Stunden-Indikation hilft beim korrekten Einstellen.
Handaufzug lautete die Devise beim 1983 vorgestellten und 1998 wieder eingestellten Kaliber 7765 mit 30-Minuten-Totalisator, Fensterdatum bei „3″ und 6,35 mm Bauhöhe. Bis 2005 währte hingegen der Lebenszyklus des Eta 7760 mit manuellem Aufzug und allen 7750-Funktionen.
Eher unrühmliche Absichten brachten zu Beginn der 1990-er Jahre die Verlegung des 30-Minuten-Totalisators zur „3“. Nach dem Umbau durch die Jaquet-Baume S.A. in la Chaux-de-Fonds eignete sich das 7750 für deutlich klobigere Plagiate der Rolex Daytona.
Derartige Intentionen darf man der Eta SA keinesfalls unterstellen. Aber auch sie wollte solche Kunden bedienen, welche nach dem klassischen, v-förmigen Chronographenlook verlangten. Das tat der Rohwerkefabrikant mit dem 2002 lancierten Kaliber 7753. Der 30-Minuten-Zähler bei der „3“ bedingte die Anordnung des Fensterdatums zwischen „4“ und „5“. Spezifikum ist ferner der Korrekturdrücker für das Datum bei der „10“.
Fälschlicher Weise ist im Zusammenhang mit dem 7753 oft der für Universal Genève geschützte Begriff Tri Compax (hier gibt es auf Uhrenkosmos die Geschichte zu lesen) zu hören. Bei Eta folgte 2003 noch das Kaliber 7754 mit zusätzlichem, unabhängig verstellbarem 24-Stunden-Zeiger.
Das Hinzufügen neuer Funktion verkörpert eine Möglichkeit zur Modifikation des 7750. Eine andere besteht im Weglassen beispielsweise des permanent mitlaufenden Sekundenzeigers, der Datums- und/oder Wochentagsindikation, des 12-Stunden-Zählers, der Automatik- oder gar der ganzen Chrono-Baugruppe.
Von Valjoux nach Valgranges
2004 brachte bei Eta die neue Werkelinie Mecaline Valgranges. 38,22 Millimeter Durchmesser trugen dem Verlangen nach größeren Uhren am Handgelenk Rechnung. Der Name weist hin auf den Eta-Stammsitz Grenchen oder Französisch Granges. Das Spektrum der voluminöseren, weiterhin 7,9 Millimeter hohen Valgranges-Kaliber umfasste vier Uhrwerke: 111 mit Stunden, Minuten, Sekunden und Fensterdatum, A07.161 mit zusätzlicher Gangreserveindikation, A07.171 mit Zeitzonen-Dispositiv und 24-Stunden-Zeiger sowie A07.211 als merklich größeres 7750.
Konkurrenz belebt das Geschäft
Unter anderem die Tatsache, dass renommierte Uhrenmarken das Kaliber 7750 nutzten und damit gutes Geld verdienten, rief 2002 die Eta-Geschäftsführung auf den Plan. Ein Brief verhieß den Kunden eine Reduktion der Ebauches- und Bausatz-Lieferungen ab Januar 2003 und die komplette Einstellung ab Januar 2006. Ganz so heftig kam es am Ende nicht. Aber mittlerweile ist der Verkauf von Eta 7750 an Kunden außerhalb der Swatch Group weitgehend eingestellt. Nachdem die Schutzrechte auf dieses Kaliber ausgelaufen waren, konnte Sellita mit einem mittlerweile sehr erfolgreichen Klon namens SW500 in die Bresche springen.
Jahre alte Konstruktion nutzen mittlerweile auch Concepto und La Joux-Perret für ihre Chronographenkaliber. Da und dort tritt ein Schaltrad an die Stelle des Schaltnockens.
Und in China wird das Geburtstagskind ebenfalls von mehreren Fabrikanten in teilweise eher zweifelhafter Qualität nachgebaut. Für viele Uhrenmarken gibt es schlichtweg keine Alternativen zum 7750, seinen Nachbauten und gabarisierten Derivaten.
So gesehen kann Edmond Capt stolz zurückblicken. Auf seinen gelungenen Job angesprochen, gab er sich gewohnt bescheiden und wortkarg.
Ich habe getan, was man mir als jungem Techniker aufgetragen hat. Nicht mehr und nicht weniger.
Ich habe mehrere Uhren, auch von dem von Ihnen durchaus für seine Uhrenkreationen gelobten Dirk Motz mit Constantin Weisz, der ja auch diese Valjou 7750 Klone verwendet. Ich muss sagen dass diese Uhrwerke alle sehr gut und ganggenau laufen, also meiner Meinung nach kein bisschen von „zweifelhafter Qualität“ im Gegenteil. Die Chinesischen verwenden ja auch zum Teil original Maschinen aus der Schweiz.