Uhrendiebstahl? Das ist doch sicher das Letzte, an das Sie denken, wenn Sie in einen Supermarkt gehen. Vielmehr werden Sie sich auf ein schönes Essen oder ein gutes Glas Wein freuen. Aber leider ist es so, dass Sie als Besitzer einer wertvollen Armbanduhr mehr und mehr nicht nur an die Uhrzeit, sondern auch an den passenden, genauer gesagt angebrachten Wert Ihrer Uhr denken, je nach Umgebung, in der Sie sich aufhalten werden.
Das ist der unter anderem der Rat des Polizeikommissars Tom Grimshaw, einem Spezialisten für Uhrenkriminalität bei der Londoner Metropolitan Police. Er und seine Mitstreiter versuchen seit längerem, der Vielzahl von Überfällen und gestohlenen Luxusuhren im Alltag Herr zu werden. Dabei leiden nicht nur wohlhabende Opfer in Millionenmetropolen wie London oder Paris unter den Überfällen und Uhrendiebstählen. Auch in deutschen Städten sind derartige Straftaten zum realen Alltag geworden.
Die Polizei zeigt dabei ein klares Täterprofil auf. Tom Grimshaw: „Wir sprechen hier nicht von gelegentlichen oder einmaligen Vorfällen, die von ein paar Kriminellen begangen werden. Wir sprechen von organisierten Banden von Uhrendieben vor allem aus Osteuropa, die Hunderte von Diebstählen begehen.“
Das Muster vieler Uhrendiebstähle ist nach den Erkenntnissen der Polizei recht ähnlich. Die Täter suchen die Umfelder von Einkaufsstraßen, Supermärkten und Shopping Center auf, weil dort die Kundschaft älter und wohlhabend ist. In Zweiergruppen beobachten die Kriminellen die potentiellen Opfer, folgen ihnen dann und sprechen sie unter verschiedenen Vorwänden an. Ist die Aufmerksamkeit abgelenkt, erfolgt der Diebstahl oder auch das gewaltsame Entwenden der Uhr vom Handgelenk. Dabei wird recht brutal vorgegangen und Verletzungen sind nicht die Ausnahme.
Sind die Diebe mit ihren Autos erst einmal auf und davon, ist es schwer, ihnen zu folgen oder überhaupt die Spur aufzunehmen. In den meisten Fällen werden die teuren Stücke direkt nach Osteuropa gebracht, wo es ausreichend viele und wohlhabende Leute gibt, die auf diesem Wege, ohne groß Fragen zu stellen, eine Uhr weit unter dem regulären Marktwert „kaufen“.
Kein geringer Teil wird jedoch auch auf den großen Uhrenplattformen weiterverkauft. Für die Kriminellen ist dies eine Möglichkeit, Summen zu verdienen, die in ihrer Heimat ein kleines Vermögen darstellen.
Gestohlene Uhr
Doch auch bei den Juwelieren und in Uhrenboutiquen ist die Kriminalitätsrate gestiegen. Einer der aufsehenerregendsten Fälle in London, bei dem es gelang die Diebe zu fangen, war der eines rumänischen Ehepaars. Sie hatten im Dezember 2019 bei Harrods eine Audemars Piguet Royal Oak im Wert von 68.000 Pfund gestohlen, indem sie das Original blitzschnell gegen eine hochwertig gearbeitete Fälschung austauschten.
Der Tausch wurde erst am nächsten Tag von Harrods-Mitarbeitern entdeckt und das Paar zu Fahndung ausgeschrieben. Infolgedessen gelang es die Diebe zu fangen, als sie versuchten, England über den Hafen von Dover Richtung Frankreich zu verlassen. Die Uhr trug die Täterin sogar noch mitsamt den Fabriketiketten am Handgelenk. Sie und ihr Partner wurde zu 8 Monaten respektive 16 Monaten Haft verurteilt. Jedoch sind derartige aufgeklärte Fälle eher die Ausnahme.
Die Gangs der Vorstädte haben den Wert dieses Geschäfts verstanden
Uhrendiebstahl
In anderen europäischen Großstädten nehmen die Diebstähle und Überfälle ebenfalls zu. Besonders stark und weltweit aufmerksamkeitserregend wuchs die Anzahl der gestohlenen Luxusuhren in Paris. Hier ist der Uhrendiebstahl aus Appartements und Wohnungen in den guten Arrondissements enorm gewachsen. Besonders hart traf es einen Pariser Geschäftsmann, dem seine komplette Sammlung von 19 Uhren, darunter 11 Rolex gestohlen wurde. Die Zeitmesser befanden sich zwar in einem Safe, aber die professionellen Einbrecher hatten wenig Mühe, diesen gewaltsam zu öffnen.
Die Vorgehensweise beim Diebstahl einer Uhr ist laut den Aussagen eines Ermittlers stets die gleiche. Einbrecher und Diebe spionieren die noblen Stadtteile tagsüber aus. Dann wird gezielt in Wohnungen, in denen kein Licht brennt, eingebrochen. Hinter solch professionellen Uhrendiebstählen vermutet die Pariser Polizei Täter aus den Pariser Vorstädten. „Die Gangs der Vorstädte haben den Wert dieses Geschäfts verstanden“, sagte ein Pariser Ermittler der französischen Tageszeitung „Le Parisien“.
Dabei ist die stark wachsende Anzahl von gestohlenen Uhren kein neues Phänomen, sondern der traurige Sachverhalt steht in einer Reihe mit einer Serie von Einbrüchen und Diebstählen von wertvollen Uhren in den letzten Jahren. Dieser zweistellige Anstieg führte zu mehr als 100 gestohlenen Luxusuhren in Paris in den vergangenen 18 Monaten. Der Wert vieler Uhren lag zwischen 20.000 und 100.000 €. Selbst limitierte, schwer verkäufliche Sammlerstücke gehörten zur Beute. Das lässt darauf schließen, dass die Kriminellen in Paris wie anderswo über sehr gute Marktkenntnisse verfügen.
Wer glaubt, dass Deutschland hiervon unbetroffen ist, der irrt. Durch Home-Office und die Schließung vieler Einzelhandelsläden während Corona hat zwar die Zahl der aktuellen Fälle von gestohlenen Uhren abgenommen. Schaut man jedoch über einen längeren Zeitraum, dann sieht man einen starken Anstieg der Uhrendiebstähle in deutschen Städten und Gemeinden.
Diebe schrecken etwa laut einer Meldung der Essener Polizei vom 6. August 2021 auch vor einem Raub in aller Öffentlichkeit zunehmend weniger zurück. Laut dem Essener Raubkommissariat kam es zu einigen Fällen, bei denen gezielt oft ältere Menschen ausgesucht wurden, um diesen ihre hochwertigen Armbanduhren oder Schmuckstücke zu entreißen. Dabei schreckten die Banden auch vor physischer Gewalt nicht zurück.
Watch Register
Die Bedeutung des Problems gestohlener Uhren wird durch die ständig wachsende Datenbank des The Watch Register unterstrichen, einem Ableger des Art Loss Register, das vor 30 Jahren gegründet wurde, um gestohlene Kunstwerke aufzuspüren und ihren rechtmäßigen Besitzern wieder zuzuführen.
Nach Angaben von Isabel Hallam vom Wiederauffindungsteam TheWatchRegister.com enthält die Datenbank inzwischen Angaben zu mehr als 70.000 gestohlenen oder vermissten Uhren, wobei jeden Monat Hunderte neuer Einträge hinzukommen.
„Wir stellen auch viele Verluste durch Betrug fest, wobei es Szenarien auf beiden Seiten der Transaktion gibt – d. h. Käufer, die betrügerische Zahlungsmethoden wie gestohlene Kreditkarten verwenden, und Personen, die sich als Verkäufer von Uhren ausgeben, die nie an den Käufer versandt werden“, sagt Isabel Hallam, „Anfang dieses Jahres erhielten wir sogar unsere erste Registrierung eines Cryptocurrency-Betrugs – dabei wurde eine hochwertige Uhr mit einem Bitcoin-Doppelzahlungs-Betrug ergaunert.“
Das The Watch Register hat im gesamten Jahr 2020 insgesamt 308 gestohlene Uhren ausfindig gemacht. Im Jahr 2021 stieg die Zahl sogar auf 420 wiederaufgefundene und gestohlen gemeldete Uhren. Ein Anstieg um immerhin über 32 Prozent. Noch wichtiger dürfte jedoch das Prüfen etwaiger Käufer von Gebrauchtuhren sein.
Der kostenpflichtige, „geschlossene“ Dienst kann nur von den Mitarbeitern des Uhrenregisters durchsucht werden. Er nimmt Informationen über gestohlene Uhren von der Polizei, von Versicherern, Händlern und Privatpersonen entgegen und listet Details wie Marke, Modell, Seriennummer und ungewöhnliche Merkmale auf. Verfügbare Fotos ergänzen den Eintrag, der so lange in der Datenbank verbleibt, bis die Uhr wiedergefunden wird.
Wir stellen auch viele Verluste durch Betrug fest, wobei es Szenarien auf beiden Seiten der Transaktion gibt.
Händler, Juweliere und Pfandleiher können gegen eine Gebühr von 12 £ zzgl. MwSt. eine einmalige Suche durchführen, indem sie die Seriennummer, die Marke und das Modell einer Uhr per E-Mail oder SMS übermitteln. Händler können auch Suchaufträge in „Paketen“ von 20, 50, 1.000 oder 1.500 Stück ab 1,67 £ zuzüglich Mehrwertsteuer pro Auftrag kaufen, während Auktionshäuser ein Jahresabonnement zahlen, um Lose im Wert von über 1.000 £ zu durchsuchen.
Auf diese Weise wird verhindert, dass die The Watch Register Datenbank von Kriminellen genutzt wird, um zu überprüfen, ob eine gestohlene Uhr gesucht wird oder nicht. Wird eine Uhr über das System aufgespürt, erhebt das Register eine Gebühr in Höhe von fünf Prozent des Wertes – oder 20 Prozent für die Arbeit, die erforderlich ist, um die Uhr wieder mit ihrem Besitzer zusammenzubringen.
Die globale Reichweite des Systems wurde kürzlich demonstriert, als eine Patek Philippe Nautilus, die vor drei Jahren bei einem gewaltsamen Diebstahl in London entwendet wurde, von einem Händler in New York „gesucht“ wurde. Er entdeckte sie in der Datenbank, die Mitarbeiter von The Watch Register setzte sich mit der New Yorker Polizei in Verbindung und die Uhr wurde noch am selben Tag wiedergefunden.
Tipps gegen einen Uhrendiebstahl
Am besten ist es jedoch, wenn man von vornherein vermeidet, dass eine Uhr gestohlen wird. Der Schlüssel dazu ist, so die übereinstimmende Mahnung aller Kriminalämter im In- und Ausland, sich der Umgebung bewusst zu sein, in der man eine wertvolle Uhr zu tragen beabsichtigt.
„Denken Sie darüber nach, wohin Sie gehen, und entscheiden Sie dann, ob es wirklich eine gute Idee ist, mit einer teuren Uhr an diesen Ort zu gehen. Die Zahl der Diebstähle von Uhren steigt rapide an, und obwohl Rolex nach wie vor die meistgesuchte Marke ist, werden sich die Kriminellen immer mehr des Wertes anderer Marken bewusst.“, so der Rat der Polizei.
Man kann sich auch leicht in falscher Sicherheit wiegen, wenn man sich in einem gehobenen Ambiente wie einem Hotel, einer Bar oder eines Einkaufsladens aufhält. Es ist kein Einzelfall, dass Kriminelle die Gäste beim Kommen und Gehen beobachten und darauf achten, welche Uhren sie tragen – um anschließen zuzuschlagen. Denn eine Uhr ist wesentlich leichter zu stehlen und abzutransportieren als z.B. ein Auto. Überdies kann solch ein Luxusuhren-Diebstahl in Sekundenschnelle erledigt sein.
Seien Sie also wachsam, klug und vorausschauend, so der Rat der Einsatzkräfte wie des Unternehmens The Watch Register. Dazu gehört selbstredend das Aufbewahren aller Dokumente und das separate Sichern aller relevanten Daten dieser „Uhrenausweise“. Entsprechend sinnvoll ist deshalb auch die Registrierung der Uhr beim Hersteller und Juwelier. Insbesondere, weil diese Registrierung bei neuen Uhren oft eine Verlängerung der Garantiezeit mit sich bringt.
Vorsicht Uhrendiebstahl
Ein Mann, der kürzlich den Preis dafür zahlte, dass er nicht besonders „wachsam“ war, ist der Online-Gaming-Unternehmer Richard Skelhorn. Immerhin 1,80 m groß, bullig und über 100 kg schwer, wurde seine 350.000 Euro teure Richard Mille Lotus F1-Uhr in „nicht mehr als zwei Sekunden“ vom Handgelenk gerissen, während er auf seinen Rolls-Royce mit Chauffeur wartete, der ihn von einem Restaurant in St. Tropez abholen sollte.
Er hätte gewarnt sein müssen. Denn es war eine von mehreren Richard-Mille-Uhren im sechsstelligen Bereich, die in letzter Zeit bei gewalttätigen Vorfällen entwendet wurden. Zu den anderen Opfern gehörten unter anderem der Formel-1-Fahrer Lando Norris, dem seine Uhr im Wembley-Stadion gestohlen wurde, nachdem er sich das Europapokalfinale angesehen hatte. Auch er nicht klein und absolut durchtrainiert. Gleichwohl war die Uhr weg.
Seien Sie also smart und vorausschauend, wollen Sie nicht unfreiwillig die Freude über ihre Chopard, Lange & Heyne, Audemars Piguet, Parmigiani, Patek oder IWC mit anderen teilen. Denn wie erwähnt: Das Wissen über Uhren wächst auch an anderer Stelle.
Das gleichwohl das Thema nicht aus der Welt ist, das zeigen viele Artikel in großen Zeitungen – wie jüngst der in der Frankfurter Allgemeine Zeitung.
Korrektur lesen gibt es beim Uhrenkosmos nicht?
„Dieser zweistellige Anstieg führte zu mehr als 100 gestohlenen Luxusuhren in Paris in den vergangenen 18 Monaten mehr als 100 Luxus-Uhren in Paris.“
Lieber Martin,
Korrekturlesen gibt es in der Tat nicht. Vielmehr übernimmt das ein Programm, dem aber immer wieder mal Fehler unterlaufen. Entsprechend freuen wir uns über Hinweise.
Vielen Dank
🙂