2023, ein Superlativ
Für den Dezember liegen die Exportzahlen der Schweizer Uhrenindustrie 2023 noch nicht vor. Aber so, wie sie Dinge Ende November gemäß dem Verband der Schweizer Uhrenindustrie (FHS) lagen, wird das zurückliegende Jahr ihr Bestes aller Zeiten werden. Mit Ausfuhren von beinahe 2,5 Milliarden Schweizerfranken erreichten die Unternehmen im November den höchsten Wert seit Beginn der Aufzeichnungen. Gegenüber dem Vorjahresmonat war ein Wachstum von 3,1 Prozent zu verzeichnen. Und trotz eines schwächeren Wachstums seit dem Sommer 2023 gab es in den elf Monaten von Januar bis November 2023 eine Steigerung um 7,7 Prozent auf insgesamt knapp 24,6 Milliarden Schweizerfranken.
Verantwortlich für die großartigen 2023er-Zahlen der Uhrenindustrie waren in erster Linie Uhren mit Edelmetall- oder Bicolorgehäusen sowie Schalen aus anderen Metallen, beispielweise Titan. Einen Rückgang verzeichneten hingegen Uhren aus Stahl. Letztere sind auch schuld am Minus bei den exportierten Quantitäten um 21.000 Exemplare im November 2023. Will heißen: Der Durchschnittspreis pro exportierter Uhr ging nach oben. Uhren mit einem Exportpreis von weniger als 200 Schweizerfranken, was einem Publikumspreis von etwa 600 Schweizerfranken entspricht, übertrafen leicht das Vorjahresniveau.
Worauf das zurückzuführen ist, lässt sich an den fünf Fingern einer Hand ablesen: MoonSwatch und Blancpain Fifty Fathoms Swatch (wir hatten darüber berichtet). Diese Plastikuhren bewegen die Gemüter weiterhin und sind echte Motoren in ihrem Preissegment. Mal sehen, ob es irgendwann eine Omega Seamaster in Kunststoff gibt. Ansonsten ist das Kooperationspotential in der Gruppe begrenzt. Vielleicht wendet sich die Swatch Group irgendwann vertrauensvoll an Rolex, um zusammen eine Swatch x Explorer auf die Beine stellen zu können. Ein Korb ist ihr gewiss.
Internationale Uhrenmärkte
Negativ war die Entwicklung bei Armbanduhren im Exportpreisbereich zwischen CHF 200 und 3.000 (Publikumspreis ca. CHF 600 bis 9.000). Jenseits davon konstatieren die Statistiken fünf Prozent Wachstum. Woraus sich schließen lässt, dass Top-Luxus weiterhin bestens floriert. Insgesamt verließen in besagten elf Monaten gut 15,5 Millionen Zeitmesser die Schweiz, was stückzahlmäßig einem Plus von 7,5 Prozent entspricht. Mit Importen von fast 7,5 Milliarden Franken ist der Ferne Osten größter Abnehmer Schweizer Uhren. Mit 9,9 Prozent lag das Wachstum über dem Durchschnitt.
Die USA führten Uhren im Wert von CHF 3,82 Milliarden ein und sind damit deutlich vor Festlandchina (CHF 2,58 Milliarden) größter Einzelmarkt. Hongkong kehrt nach einer Schwächephase fulminant zurück und legte ein Wachstum von 24% auf CHF 2,18 Milliarden hin. Europa absorbierte Zeitmesser im Wert von CHF 7,315 Milliarden (plus 7,5 %). Überdurchschnittlich schnitten beispielsweise Italien (plus 9,9%), Großbritannien (plus 9,2%), Frankreich (plus 8,2%) ab. Deutschland lag mit plus 5,7% merklich unter dem Durchschnitt. Apropos Deutschland: Im Oktober 2023 hatte der „kranke Mann Europas“ wertmäßig 12,4% weniger importiert. Im November erreichte der stärkste Markt in der Europäischen Union ein eher mageres Plus von 3,9% auf CHF 130 Mio.
Sensibler Preisbereich
Und damit stellt sich die Frage, wie es hierzulande in 2024 in der Uhrenbranche weitergehen wird. Allzu rosig sind die Aussichten nicht, wenn man Branchenvertretern Glauben schenken darf. Das betrifft in erster Linie den Bereich bis zu 5.000 Euro Publikumspreis.
Ein süddeutscher Fachhändler, der mit Rolex und Patek Philippe weiterhin glänzende Geschäfte macht, beklagt, dass dieses Segment momentan extrem beeinträchtigt sei. Dort laufe so gut wie gar nichts mehr, denn angesichts der wirtschaftlichen, energie- und geopolitischen Situation hätten diese Kunden gegenwärtig andere Probleme als den Kauf einer neuen Uhr. So wie es aussieht, sind in den kommenden Monaten keine signifikanten Änderungen zu erwarten.
Spielverderber
Gestiegene CO2-Abgaben auf fossile Treib- und Heizstoffe werden die Kauflaune bei Vertretern der sozialen Mittelschicht mit Sicherheit nicht steigern. Hier werden die Prioritäten anders setzt. Aber auch bei Rolex, dem unangefochtenen Primus, ist nicht mehr alles Gold, was glänzt. Ein CPO-Händler ließ wissen. Dass er manche, aber nicht jede neue Edelmetallware der Genfer Manufaktur inzwischen wieder unter dem offiziellen Publikumspreis erwerben kann.
Bei Stahluhren tut sich diesbezüglich noch nichts. Aber am Parallelmarkt setzt sich der Preisrückgang seit April 2022 beinahe durch die Bank fort. Die klassische Royal Oak 15202ST in Edelstahl hat um rund 50 Prozent nachgegeben. Wer am Peak 140.000 Euro dafür bezahlt hat, kann sich freuen, wenn er nun noch die Hälfte bekommt. Und selbst für diesen Preis stehen Exemplare monatelang unverkauft beispielsweise auf Chrono24. Ähnliches gilt für die Patek Philippe Nautilus 5711/1A oder andere altbekannte Favoriten wie Vacheron Constantin Overseas oder Rolex Daytona.
Schweizer Uhrenindustrie 2023
Für all jene, die das Geld für einen Neuerwerb nicht am Konto haben, dürften die gestiegenen Kreditzinsen ebenfalls nicht beflügelnd wirken, auch wenn sie sich noch nicht auf die Zahlen der Schweizer Uhrenindustrie 2023 auswirkten. So bietet Franck Muller auf seiner Homepage mittlerweile Ratenzahlungen mit null Prozent Zinsen an.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch ein anderes Faktum: Eine renommierte Schweizer Uhrenmanufaktur, die einem Juwelier vor wenigen Jahren mit Verweis auf die eigene Boutique den Rücken kehrte, hat inzwischen angefragt, ob man künftig wieder zusammenarbeiten könne. Nun wird sich zeigen, ob der Fachhändler seine Türen wieder öffnet, obwohl er geschworen hatte, dass diese für diese Marke dauerhaft geschlossen bleiben. Aber Geschäft ist bekanntlich immer Geschäft.
Gedanken zum Schluss
Zu den spannenden Fragen des Jahres 2024 gehört die, ob es Ilaria Resta, der neuen CEO von Audemars Piguet gelingt, dem freiwillig von Bord gegangenen François Bennahmias in Sachen Produktplanung und Umsatzentwicklung das Wasser zu reichen. Ein Kinderspiel ist es sicher nicht, mit 85 Prozent Royal Oak und ausschließlich Monobrand-Geschäften mehr als zwei Milliarden Schweizerfranken zu erlösen. Natürlich lassen sich Produktion und Durchschnittspreise steigern, aber wie lange das gut geht, steht in den Sternen. China, ein wichtiger Markt, steht momentan nicht unbedingt wie ein Fels in der Brandung da. Frau Resta wird also viel Kreativität, Fortüne und gierige Kundschaft brauchen. Diese wünschen wir ihr selbstverständlich.
Ein Zeichen, dass er nicht an Wachstum im gewohnten Umfang glaubt, setzt der CEO einer erfolgreichen Schweizer Manufaktur. Vorsichtshalber orderte er bei seinem Etuilieferanten für 2024 etwa 20 Prozent weniger Boxen. Und das will bei dieser Marke etwas heißen. Hier scheint wohl nicht allein der Himmel die Grenzen zu setzen, sondern auch die harte Realität.
Am Ende dieser Betrachtungen soll der größte Unsinn stehen, den ich seit langem im Internet gelesen habe. Kurz vor Silvester verstieg sich eine obskure isp.page zu der Behauptung, LVMH habe Patek Philippe gekauft. Der Verfasser, welcher sich hinter Admin verbirgt, hat wohl den Wunsch von Bernard Arnault zum Vater seiner Gedanken gemacht. Si tacuisses, philosophus mansisses. Hättest du geschwiegen, wärst du ein Philosoph geblieben.
In diesem Sinne wünsche ich allen unseren Uhrenkosmos-Leserinnen und -lesern glückliches, gesundes und erfolgreiches Jahr 2024.
Ein gesundes neues Jahr lieber Gisbert und danke für die interessanten aktuellen Exportzahlen aus der Schweiz!
Ja, der Preiszenit scheint ja jetzt endgültig erreicht zu sein, wie sich die Branche für Uhrenfreunde doch leider eher negativ entwickelt hat…
Beste Grüsse vom Jürgen