Unverhofft kommt oft
Mit diesem Deal hatte in der Schweizer Uhrenindustrie vermutlich niemand gerechnet: Breitling übernimmt Universal Genève, also den früheren Erz-Konkurrenten. Gemeinsam will man in eine – hoffentlich – sehr erfolgreiche Zukunft schreiten. Überraschend kam die Mitteilung auch deshalb, weil es um Universal in den vergangenen Jahrzehnten sehr still geworden war. Junge Uhrenfreaks wissen mit der Traditionsmarke herzlich wenig anzufangen.
In Unkenntnis der geschichtlichen Zusammenhänge wird Compax, einer der Universal-Modellnamen, heutzutage von gar nicht so wenigen Chronographenherstellern schlichtweg missbraucht. Mehr dazu findet sich hier im Uhrenkosmos.
Der Geschichte früher Anfang
Am Vorabend des Neubeginns ist es daher dringend geboten, einen Blick in die Geschichtsbücher von Universal (Genève) zu werfen. Die beginnt 1894, als mit Descombes & Perret ein neuer Stern am Uhrenhimmel über Le Locle aufging. Eine der ersten Anzeigen brachte zum Ausdruck, dass die beiden Fabrikanten Gehäuse, Zifferblätter, Werke und sonstige Fournituren herzustellen gedachten. Schon 1897 verbündete sich Georges Perret mit Louis Berthoud zu Perret & Berthoud. Ihre gemeinsame, am 2. September 1898 eingetragene Marke hieß Universal Watch. Fertigung komplizierter Zeitmesser, vornehmlich solcher mit Chronographenfunktion sowie Handel mit Uhren aller Art, so lautete die Zielsetzung.
Logischer Weise begann alles mit Taschenuhren. 1917 brachte einen großen Armbandchronographen mit 17-linigem Uhrwerk. Nachdem das Unternehmer-Duo auf internationale Märkte zugehen wollte, eröffnete es 1918 zunächst eine Niederlassung im mondänen Genf. Im Laufe der Jahre entwickelte sich dort ein Verwaltungszentrum. Die Signatur Universal Genève kommt also nicht von ungefähr.
1934 debütierte unter der Ägide von Raoul Perret, dem Sohn des Firmengründers, die erste eigene Uhrenkollektion. Im Wesentlichen setzte sie sich aus normalen Handaufzugs‑ Modellen zusammen. 1936 bewarb die Firma dann in großen Anzeigen den Chronographen Universal, Typ Colonial. Besonders hervorgehoben wurde darin die Tatsache, dass es sich dabei um den ersten Chronographen handle, der wirkungsvoll gegen Regen, Schnee, Staub und sonstige klimatische Einflüsse geschützt sei. Nur ein Jahr darauf meldete Universal die Referenz 1894 unter der Nummer 108 91 91 beim Eidgenössischen Amt für Geistiges Eigentum zum Patent an. Die zu schützende Neuerung bestand in einem zusätzlichen 12‑Stunden‑Zähler, der erheblich längere Stopp‑Intervalle ermöglichte. Bis zu diesem Zeitpunkt waren bei Chronographen nur 30‑Minuten‑Zähler üblich gewesen.
Microtor und Polerouter
Ende der 1930-er Jahre gesellte sich die Handelsmarke Uweco hinzu. Unter diesem Namen gelangten preisgünstigere Armbanduhren auf den Markt. 1941 errichtete Universal in Les Ponts-de-Martel, Kanton Neuchâtel, eine weitere Fabrik. Danach entstanden beinahe alle Kaliber unter dem eigenen Dach. 1956 verlegte Universal die Produktion ganz in eine neu in Genf errichtete Produktionsstätte.
Am 27. Mai 1955 hatte die Firma neun Monate nach Büren ein weiteres flaches Automatikwerk mit Mikrorotor zum Patent angemeldet. Universal reklamierte für sich, die weltweit flachste Automatik erfunden zu haben. Auf den ersten Blick ähnelte das Universal-Kaliber 215 dem Büren 1000. Der Microtor rief Anwälte der Büren-Watch auf den Plan, welche ihre Schutzrechte verletzt sah. Aller Wahrscheinlichkeit nach beruhte die zeitnahe Präsentation ähnlicher Konstruktionsformen auf einem reinen Zufall. Ungeachtet dessen zahlte Universal an Büren eine reduzierte Lizenzgebühr von vier Schweizerfranken. Nach der Einigung veranstalteten die beiden Firmen am 18. Februar 1958 im Genfer Hotel des Berges eine Pressekonferenz zur Vorstellung der Produkte Super Slender und Microtor. Letzterer beseelte die von Gerald Genta designte Uhrenlinie Polerouter, deren Namen aus einem Ereignis des Jahres 1954 resultierte. Am 15. November hatte die skandinavische Fluglinie SAS den ersten Linienflug über den Nordpol von Kopenhagen nach Los Angeles durchgeführt. Als offizielle Zeitmesser trugen die Piloten stählerne Armbanduhren von Universal.
Compur und Compax
Für Chronographen hatte Universal schon in den wirtschaftlich schwierigen 1930-er Jahren neben Colonial auch die Bezeichnungen Compur und Compax eintragen lassen. 1940 gelangte der Aero‑Compax mit hilfreichem Merkzifferblatt in die Kollektion. Gegen 1941 überraschte Universal die Fachwelt mit dem 10½-linigen Kaliber 289, welches auch die Herstellung von Damen‑Chronographen ermöglichte. Verkauft wurden diese beispielsweise unter der Bezeichnung Uni‑Compax. Gegen 1943 präsentierte Universal den Dato‑Compax mit einfacher Datumsindikation per Zeiger bei „12″. Über eine Pulsometer-Skala verfügte der Medico Compax.
1944 gelangte der legendäre Tri‑Compax Chronograph mit 30‑Minuten‑ und 12‑Stunden‑Zähler, einfachem Vollkalendarium sowie Mondphasenindikation auf den Markt, ausgestattet mit dem hauseigenen Handaufzugskaliber 287 TX. Zu den aktuell gesuchten Vintage-Armbanduhren von Universal Genève gehört zweifellos der stählerne Universal Genève Tri-Compax Chronograph, Referenz 881101/01.
Der stählerne Universal Genève Tri-Compax Chronograph, Referenz 881101/01. Kennzeichen sind das Zifferblatt im sogenannten Panda-Look und der dunkle Glasrand mit Tachymeterskala. Hergestellt wurde er in den Jahren 1960 bis 1969. Der britische Gitarrist, Sänger und Songwriter Eric Clapton pflegte diese Armbanduhr auch während seiner Konzerte zu tragen. Selbst für weniger gut erhaltene Exemplare zahlen Sammler inzwischen deutlich mehr als 10.000 Euro.
Ab und auf
Es steht zu vermuten, dass Breitling-CEO Georges Kern, der selbst gern am Schlagzeug sitzt, um dieses Faktum weiß. Folglich liegt eine Wiederkehr der gesuchten Tri-Compax unter seiner Ägide nahe. Höchste Zeit wäre es. Um Universal war es in den letzten Jahren nämlich sehr ruhig geworden. Der unrühmliche Niedergang bis hin zum Konkurs startete im Zuge der Quarzkrise. Zu den Mit-Eigentümern gehörte übrigens einer der beiden Großneffen des Rolex-Gründers Hans Wilsdorf.
1989 gelangte Universal ins Eigentum, der Hongkonger Investmentgruppe Stelux. 1993 ging in Biel die Eröffnung einer neuen Fabrikationsstätte über die Bühne.
Breitling übernimmt Universal
1994 feierte Universal Genève das 100. Firmenjubiläum. Ein kurzer, aber weitgehend erfolgloser Relaunch erfolgte daraufhin im Jahr 2001. Und einen letzten Anlauf, wieder am Markt der Luxusuhren Fuß zu fassen, unternahm Stelux im Jahr 2019. Nachhaltige Spuren hinterließ auch dieser Versuch nicht. Wenn es Georges Kern gelingt, durch die Breitling Übernahme Universal Genève wieder zu alter Blüte zu führen, hat er Großes geleistet. Als Blaupause können ihm Rolex und Tudor dienen. Dort, das steht außer Frage, haben Jean-Frederic Dufour (hier bei Uhrenkosmos, gibt es eines seiner ausnehmend seltenen Interviews zu lesen) und sein Team alles richtig gemacht.
Wir vom Uhrenkosmos wünschen Georges Kern gutes Gespür und eine glückliche Hand. Sollte der kolportierte Preis von 60 Millionen Schweizerfranken stimmen, wartet eine Herkulesarbeit, um einen return on investment zu erreichen. Dank seiner reichhaltigen Geschichte hat Universal, der frühere Mitbewerber von Breitling, aber auch jede Menge Potenzial. Im Gegensatz zu den chinesischen Eigentümern, die, wie der traurige Fall Eterna eindrücklich beweist, mitunter wenig Einfühlungsvermögen für Schweizer Werte und Tradition besitzen, wird Breitling durch die Übernahme von Universal Genève sicher das Beste aus der bedauerlicher Weise lange brach liegenden Marke machen.
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