Schwergewicht mit Manufakturkaliber
Optisch und haptisch ist sie durchaus beeindruckend, die Titoni Seascoper. Die Geschichte zur Geschichte über diese Taucheruhr beginnt im Schwarzwald. Ganz konkret am malerisch gelegenen Titisee in Titisee-Neustadt. Bei einem Rundgang im Geschäft von Drubba Moments entdeckte ich das auffallende Instrument. Die Marke Titoni kannte ich wohl, aber primär im Zusammenhang mit asiatischen Märkten. Nachdem sich das Schweizer Unternehmen hierzulande mit PR eher zurückhält, wurde ich neugierig. Ich ließ mir die Titoni Seascoper 600 zeigen – und staunte zunächst einmal über das Gewicht.
Titoni Seascoper
Spontan geschätzte beachtliche 200 Gramm bestätigten sich später auf der Waage. Bei näherer Betrachtung des Zifferblatts zeigte sich, dass die Wasserdichte der 42 Millimeter messenden Edelstahlschale bis zu einer erstaunlichen Tauchtiefe von 600 Meter reicht. So weit steigt in aller Regel niemand ins Meer hinab. Aber sicher ist bekanntlich sicher. Zu diesem guten Wert fügte sich dann noch das zu größeren Tauchtiefen befähigende Heliumventil in der linken Gehäuseflanke. Der Blick auf die Unterseite der Uhr zeigte außerdem ein, allerdings kleines Sichtfenster.
Andere Marken verwenden bei solchen Taucheruhren einen massiven Gehäuseboden. Rätsel gab anfangs das hinter Saphirglas erkennbare Automatikwerk auf. Eta, Sellita, Soprod & Co. war das nicht. Als ich am (damaligen) Preisschild erstaunliche 1.695 Euro las, schloss ich spontan auf asiatische Basis-Mechanik. Die jedoch passte nicht zu Chronometer am Zifferblatt und COSC am Gehäuseboden.
Langer Rede, kurzer Sinn: In dieser Armbanduhr tickt exklusive Mechanik aus dem Hause Titoni. Spätestens jetzt stellte sich ein Will-Haben-Gefühl ein. Kaufen konnte ich die Uhr damals nicht, denn sie war schon für einen Kunden reserviert. Obwohl Titoni keine Werbung mache, sei der Erfolg dieser Armbanduhr beachtlich, erklärte mir der Fachverkäufer. Kurzerhand erwarb ich ein Exemplar im Online-Shop. Und die Lieferung erfolgte prompt.
Seitdem sind drei Monate vergangen, in denen ich die Titoni Seascoper immer wieder am Handgelenk getragen habe. Somit ist es an der Zeit, ausführlicher über diese sportive Armbanduhr und die dahinterstehende Marke Titoni zu berichten.
Wer ist Titoni?
Die Kalender zeigten den 19. Juli 1919, als Fritz Schluep-Rüfenacht im Alter von 24 Jahren die Uhrenmarke Felco ins Leben rief. Drei Mitarbeiter waren für ihn tätig. 1923 erhielt die in Grenchen beheimatete Firma den Namen Felca Uhren AG. Zwei Jahre später standen bereits 25 Menschen auf der Gehaltsliste. Von der Tatsache, dass sich sein Unternehmen irgendwann zu einem Leader im Fernen Osten entwickeln würde, hätte der Gründer nicht einmal zu träumen gewagt.
Anfangs nahmen die tickenden Produkte ihren Weg vorwiegend in Nachbarländer und die Neue Welt, wo sich weitere Familienmitglieder um den Vertrieb kümmerten. In den 1930-er Jahren öffnete eine erste kleine Felca-Repräsentanz in Hongkong.
1944 beschäftigte Schluep 70 Frauen und Männer. Nach dem Zweiten Weltkrieg startete das Unternehmen in Singapur. Hierzu entstand die neue Marke Titoni. Und schnell ging für Titoni die Rechnung auf, hochwertige Schweizer Produkte zu attraktiven Preisen anzubieten. In Singapur, Malaysia, Indonesien, Thailand und Japan gingen die Titoni-Verkäufe rapide nach oben, während Felca in Hongkong eher darbte. Grund genug für die Schlueps, ihre Felca, einen der Schweizer Top 20 Marken, in Felca & Titoni Uhren AG umzubenennen. Im Jahr 1959 starb Fritz Schluep, die treibende Kraft hinter der Expansion.
Unter der Ägide von Sohn Bruno Schluep waren dazu eher zufällige Kontakte nach China entstanden, wo man einen Lieferanten preisgünstiger Schweizer Uhren ordentlicher Qualität suchte. Die Visite einer chinesischen Handelsdelegation in der Grenchener Fertigungsstätte mündete 1960 in einen ersten Vertrag mit der staatlichen Importbehörde. Bis 1988 folgte Vertrag auf Vertrag für Lieferungen in Größenordnungen von 50.000 bis 200.000 Stück. Ab Fabrik kosteten die Titoni Uhren zwischen 50 und 80 Schweizerfranken. Obwohl sich die Marge in engen Grenzen hielt, war Titoni insbesondere während der Quarzkrise froh um diese Aufträge.
Erfolge auf mehreren Gebieten
Die Erfolge in China schwappten logischer Weise auch auf Hongkong über. Von dort gingen viele Zeitmesser ohne Wissen der Schlueps auf grauem Weg unter Umgehung der 180-prozentigen Einfuhrzölle nach Festland-China. Bald schon dominierte inoffiziell gehandelte Ware, welche die gesamte Titoni Kollektion umfasst, im Süden des Reichs der Mitte. Ab Anfang der 1990-er Jahre war Titoni schließlich mit dem vollem Sortiment in China präsent. Die Beliebtheit der Marke ließ sich einst wie heute an zahlreichen Plagiaten von Titoni Modellen erkennen.
Titoni war stets ein Familienunternehmen und so leitete Daniel M. Schluep, selbst Jahrgang 1953, ab dem Jahr 1981 das Unternehmen. Obwohl selbst in der Schweiz relativ unbekannt, sorgte Titoni in den 1990-er Jahren dort für viele Schlagzeilen, als der Uhrenhersteller in einen sieben Jahre währenden Rechtstreits mit Rolex verwickelt war. Die Genfer verlangten die Einstellung des Verkaufs von Uhren, deren Design an Rolex Oyster-Modelle erinnert.
Titoni wehrte sich, zog vor Gericht und besiegte den finanzstarken Gegner in allen Instanzen bis hin zum Schweizer Bundesgericht. Auch der von Rolex erwirkte Ausschluss von Titoni aus dem Branchenverband Fédération Horlogère (FH) wurde zu Gunsten des Grenchener Uhrenherstellers Titoni enschieden. Denn 1997 entschied ein Gericht, dass das Unternehmen wieder aufzunehmen sei.
Die inzwischen höhere Priorisierung des europäischen Markts ging auf Daniel Schluep zurück. Unter seiner Leitung bewältigte das Familienunternehmen nicht nur bravourös die Folgen der Quarzkrise. Er sorgte für einen stärkeren Wachstumsschub der Marke Titoni – deren Logo eine Aprikosenblüte symbolisiert – im chinesischen Markt. Dort debütierte im Jahr 2014 das Taucheruhrenmodell Titoni Seascoper (eine kurze Vorstellung des Modells sowie 4 weiterer interessanter Taucheruhren gibt es hier auf Uhrenkosmos), von dem man hierzulande jedoch nur wenig hörte.
Betrachtet man aktuell die modifizierte Strategie einer stärkeren Marktpräsenz in Europa, insbesondere Deutschland, so ist diese natürlich auch den Begleitumständen der Corona-Epidemie in China und seinen Auswirkungen auf die internationalen Uhrenmärkte geschuldet. In diesem Sinne bleibt abzuwarten, wie sich Titoni unter der Leitung von Marc und Olivier, den Vertretern der vierten Schluep-Generation in Europa schlagen wird. Die Konkurrenz ist groß.
Aber für eine Schweizer Taucher-Armbanduhr mit den positiven Merkmalen desTitoni Seascoper 600 Chronometer und einem Publikumspreis unter 2.000 Euro ist am Markt jedoch definitiv Platz. Mehr zur Titoni Seascoper 600 und ein Kurz-Interview mit Olivier Schluep folgt demnächst hier im Uhrenkosmos.
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