Gut Ding braucht Weile
Die Zeit schreitet unerbittlich voran. Bei Audemars Piguet trifft das gleich in mehrerer Hinsicht zu. Denn die Uhrenmanufaktur wartete zur Messe SIHH mit der neuen Uhrenlienie Audemars Piguet Code 11.59 und einem ersten Serien-Uhrwerk mit Selbstaufzug und Chronograph aus eigener Fertigung auf. Dies ist umso wichtiger, als die vielen Fans der letzten noch im ursprünglichen Familienbesitz – Patek Philippe wurde ja von Familie Stern vor gut 100 Jahren übernommen – verbliebenen Traditions-Manufaktur Audemars Piguet seit vielen Jahren auf neue Chronographen aus dem abgeschiedenen Vallée de Joux warten.
Aber gut Ding braucht bekanntlich Weile. Und diese geschäftig ausgefüllte Weile führte nun zu einem selbst kreierten und produzierten AP Kaliber 4401. Die Entwicklung des neuen Werks war kein ganz leichtes Unterfangen, denn hierfür waren mehrere Jahre Entwicklungs- und Evaluationsarbeit notwendig, wie CEO François Bennahmias im Gespräch betont.
Francois Bennahmias präsentiert Uhrenkosmos die Audemars Piguet Code 11.59 Supersonnerie Minutenrepetition
Welche Strategie steckt dahinter
In der Vergangenheit hatte Audemars Piguet zwar bereits kleinauflagige Kaliber mit integrierter Stoppfunktion vorgestellt. Diese waren technisch auf allerhöchstem Niveau, aber entsprechend kostspielig. Das Newcomer Kaliber für die neue AP Code 11.59 hingegen soll über kurz oder lang eine moderne industrialisierte Produktion in fünfstelligen Stückzahlen ermöglichen. Das eröffnet der Schweizer Uhrenmarke ein ganz neues Absatzsegment mit einem attraktiven, vernünftigen Preisniveau.
Aber auch die Audemars Piguet Royal Oak verlangt nach höheren Quantitäten. Immerhin trägt der 1972 lancierte, seitdem durchgängig erfolgreiche und in unterschiedlichsten Formen durchdeklinierte Uhrenklassiker etwa 80 Prozent des Umsatzes von rund einer Milliarde Schweizerfranken bei.
Audemars Piguet Code 11.59 Chronograph
Das neue Kaliber 4401 hat allerhand zu bieten: Das 32 Millimeter große und 6,8 Millimeter hoch bauende Uhrwerk besitzt einen beidseitig wirkenden Selbstaufzug. Für die kleinen Kugeln zur Lagerung des Rotors aus 22-karätigem Gold verwendet Audemars Piguet dabei verschleißfeste Keramik. Ein Federhaus speichert Energie für circa 70 Stunden Gangautonomie. Folglich schwingt die Unruh mit variabler Trägheit auch nach einem ruhigen Wochenende am Montagmorgen unter der langgestreckten Brücke weiterhin mit munteren 28.800 Halbschwingungen pro Stunde. Diese vier Hertz Unruhfrequenz gestatten somit das Stoppen der Zeit auf die Achtel-Sekunde genau.
Wie es sich für einen Audemars Piguet Chronographen der Luxusklasse gehört, obliegt die Steuerung der drei Funktionen Start, Stopp und Nullstellung einem Schaltrad. Dieses besitzt allerdings eine ungewöhnliche, vom Gebräuchlichen abweichende Form. So stellt die Verbindung zum eigentlichen Uhrwerk eine energiesparende Vertikalkupplung her. Auf waagrechter Linie von der „9“ zur „3“ liegen die bis 30 Minuten, bzw. 12 Stunden reichenden Totalisatoren. Bei „6“ hingegen dreht dagegen die Permanentsekunde ihre Runden. Diese Anordnung, welche man in ähnlicher Weise schon vom 1986 lancierten Frédérique-Piguet-Kaliber 1185 kennt, gestattet so die Verwendung eines linearen Nullstellschiebers.
Mit von der Partie ist beim Kaliber 4401 auch eine Temposchaltung, heutzutage besser als Flyback-Funktion bekannt. Das Fensterdatum haben die Produktdesigner an mittlerweile fast schon gewohnter Position zwischen „4“ und „5“ platziert.
Das Zifferblatt wurde dabei auf optimaler Ablesbarkeit hin getrimmt und es dominiert eine absolute Sachlichkeit. Am Höhenring findet sich weiterhin eine Tachymeterskala zum unkomplizierten Ermitteln von Durchschnittsgeschwindigkeiten. Soviel zur Mechanik des neuen Chronographen.
Wer diese nun zuerst in der „Royal Oak“ erwartet hätte, wird sicher überrascht sein, diese im neuen Code 11.59 Chronographen vorzufinden.
Technisch aufwendig und schwer zu kopieren
Der hohe Aufwand kommt nicht von ungefähr. Audemars Piguet braucht beinahe zwingend ein erfolgreiches zweites Umsatz-Standbein neben der in den frühen 1970-er Jahren von Gérald Genta gestalteten Uhren-Ikone Royal Oak. Entsprechend hoch war die Erwartungshaltung an die Armbanduhr, die auf der Genfer SIHH 2019 unter dem keineswegs alltäglichen Namen Audemars Piguet Code 11.59 debütierte. Ein Debüt war es zweifelsohne, denn der runde Newcomer polarisiert mit etlichen gestalterischen Finessen. Ganz bewusst rückt er von manch Gewohntem ab. Das betrifft jedoch nicht nur die Sehgewohnheiten. Infolge der vielen ausgesprochen komplexen Details wollte die Familien-Manufaktur auch Produktpiraten das Leben äußerst schwer machen.
Um welche Details geht es: Das facettierte Mittelteil erinnert entfernt an die Royal Oak. Subtil greift es das von Gérald Genta immer wieder propagierte Oktogon auf. Dabei sind die durchbrochenen Bandanstöße lediglich am Glasrand befestigt. Vom Gehäuseboden halten sie hingegen einen winzigen Abstand. All das erfordert spezielle Werkzeuge. Handwerklich äußert anspruchsvoll gestaltet sich schließlich das Miteinander von polierten und satinierten Flächen. Auch hier lässt die Royal Oak in gewisser Weise grüßen.
Über allem thront dann die vorderseitige Saphirglas-Kuppel. Der Blick aufs Zifferblatt erfolgt durch ein komplexes, doppelt gewölbtes und entspiegeltes Saphirglas. Seine innere Oberfläche ist gewölbeartig geformt, während sich dem Betrachter vorne eine senkrechte Biegung zeigt. Als Rahmen dient eine extrem schmale Lünette.
All das macht die Uhr technisch spannend, aufwendig und gestalterisch gewöhnungsbedürftig. Eine ideale Steilvorlage für manch einen Zeitgenossen sich darüber zu echauffieren. Dabei kann man entspannt bleiben. Die kommenden Monate und Jahre werden zeigen, ob die Code 11.59 an den Erfolg der Royal Oak herankommt. Das Potential, sich zum zweiten Standbein der Marke Audemars Piguet zu entwickeln, hat sie.
Uhrenkosmos Modell-Steckbrief
Hersteller | Audemars Piguet |
Name | Code 11.59 Chronograph |
Referenzen | 26393OR.OO.A321CR.01 – Roségold
26393OR.OO.A002CR.01 – Roségold 26393BC.OO.A321CR.01 – Weißgold 26393BC.OO.A002CR.01 – Weißgold |
Premiere | SIHH 2019 |
Uhrwerk | Manufakturkaliber 4401 |
Aufzug | Automatisch, beidseitig aufziehend |
Durchmesser | 32 Millimeter |
Bauhöhe | 6,8 Millimeter |
Komponenten | 367 |
Unruhfrequenz | vier Hertz |
Gangautonomie | 70 Stunden |
Anzeige | Stunden, Minuten, Sekunden, Fensterdatum |
Zusatzfunktionen | Flyback-Chronograph mit Schaltradsteuerung, Vertikalkupplung, Flyback-Funktion, 30-Minuten- und 12-Stunden-Zähler |
Gehäuse | Rosé- oder Weißgold |
Durchmesser | 41 Millimeter |
Wasserdichte | drei bar |
Armband | Alligator mit goldener Dornschließe |
Preis | 42.700 Euro |
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