Für den gebürtigen Hamburger ist es selbstverständlich, mit dem Schicksal zu hadern, wenn es ihn in den Süden verschlägt. Dabei mag Hamburg die schönste Stadt sein, die Frankfurter Diaspora hat aber auch ihre Vorteile. Zentral verortet, kann die Stadt ebenfalls Anspruch auf den Titel „Tor zur Welt“ erheben. Der schnell erreichbare Flughafen bietet so viele direkte Verbindungen nach Übersee wie kein anderer, außerdem gehen Zugreisen zu unseren europäischen Nachbarn angenehm schnell.
Es fiel mir also leicht, spontan zu entscheiden nach Paris zu reisen als mein Feed mich darüber informierte, dass die Monaco Legend Group dort, gemeinsam mit anderen führenden Vintage Uhrenhändlern auf den Time on Show Uhren- und Retro Mobile Salon Oldtimer Messe vertreten sein würde.

Die Kombination von klassischen Automobilen und Uhren funktioniert hervorragend, wie sich schon im Oktober letzten Jahres zeigte, als in Bologna Colombo V 12 Zylinder und Paul Newman Daytonas bei der „Time on Show“ aufeinandertrafen. Legenden beider Läger, wie Luca Cordero de Montezemolo und John Golberger aka Auro Montanari wurden beim fröhlichen Fachsimpeln gespottet und die Herzen der „Scholars“ schlugen beim Anblick der Exponate höher.

Genauso erhoffte ich es nun in Paris, aber ich buchte mein Bahnticket vorsorglich ohne Retour, weil ich aufgrund allfälliger Terminschwierigkeiten der Deutschen Bahn befürchtete, doch noch übernachten zu müssen.
Mein Irrtum war eine positive Erfahrung, denn das Transportmittel aus dem Hause Siemens ähnelte zwar einem ICE, war aber innen und außen sauber und verließ den Frankfurter Hauptbahnhof zum vereinbarten Zeitpunkt. Meine Laune erhellte sich weiter, als ich feststellte, ohne Unterbrechung online bleiben zu können. Als Frankreich nach nur drei Stopps erreicht war, beschleunigte der Zug gar auf über 300 km/h, ein Erlebnis, an dass ich mich auf inländischen Schienen kaum mehr erinnern kann. So traf ich nach einem komfortablen Reisestart um 9:00 Uhr morgens entspannt gegen 13:00 Uhr am Gare de L’Est ein, um halb 2 war ich auf dem Gelände der Paris Expo an der Porte Versailles.

Vor Ort dominierte Automotive klar das Geschehen. Erst war ich nicht sicher, ob ich enttäuscht sein sollte, aber ich war ja schon einmal da und außerdem war das Angebot an historischen und aktuellen Traumwagen beeindruckend. Als einstiger Anlieger der Villa d’Este war ich im Rahmen des Concours d’Elegance einiges gewöhnt, aber Tiefe und Qualität des Angebots auf der Retromobile waren einfach überwältigend.
Sämtliche Kindheitsträume waren hier bei entsprechender Liquidität erfüllbar, vom C 111 mit Wankelmotor über den Maserati Vogelkäfig bis zum echten Daytona Spyder. Die 911er-Parade ließ die so oft beschworene Deutsch-Französische Freundschaft erst authentisch glaubhaft erscheinen. Nur das 275 GTB-Cabrio aus Steve McQueen‘s unvergessener Hollywood-Affäre als Thomas Crown mit der bezaubernden Fay Dunaway stand in Paris nicht zum Verkauf. Für eher materielle als spirituelle Enthusiasten wäre es wohl der 250 GTO, aber der war auch nicht da.

Es dauerte also über eine Stunde, bis ich schließlich vor dem Eingang zur Messe Time on Show ankam. Passend war der Uhren-Bereich direkt neben der „Riva Lounge“ platziert, so dass ich „chillen“ konnte, bevor ich in die Welt der klassischen Uhren eintauchte. Trotzdem war ich noch aufgewühlt genug, um der freundlichen Hostess des ersten Standes, wie selbstverständlich ihre Lupe zu entwenden. Die Rückgabe war dann ein charmantes Erlebnis.
Trotz des begrenzten Raumes stand die Auswahl an Liebhaberuhren an Qualität der Autokollektion um nichts nach.
Dazu sollte man erwähnen, dass aufwendige Restaurierungen für klassische Automobile ein wichtiges Verkaufsargument sind, für Uhren dagegen nicht. Die ausgestellten Stücke befanden sich fast ausnahmslos im ‚Factory Finish‘, also im Originalzustand.

Rolex Submariner Modell 5512
In dieser Beziehung überzeugte eine 1964er-Rolex Submariner Modell 5512 ganz besonders. Sie war komplett mit originaler Rechnung, Garantie und allen Accessoires ausgestellt. Das Gehäuse der Uhr war knackig, die Lünette ohne Kratzer und das genietete Oyster Band mit korrektem Datumsstempel ohne Stretch.
Die wirkliche Magie ging aber vom Zifferblatt aus: Spiegelglatt lackiert, mit inversem „Gilt Print“ im „Railway“ Design, silbernem „Meters First“ Aufdruck und „Exclamation Mark“ Leuchtpunkt bei 6 Uhr. Die Leuchtmasse ist bei solchen Uhren fast immer brüchig, wurde schon ersetzt oder ist schlicht unattraktiv. Hier war alles original und elfenbeinartig „ge-aged“. Ein ästhetischer Hochgenuss für Kenner.

Top Exemplare gehen normalerweise zwischen 30.000 und 40.000 Euro. Der Preis dieser Uhr wurde vom Händler mit € 200.000 angegeben. Er versicherte mir glaubhaft, selbst 150.000 € gezahlt zu haben! Das Gespräch war sehr angenehm und seine Karte identifizierte ihn als Vorsitzenden der Lamborghini Handlung in Rom. Er sagte, mit den Uhren würde hier nur seinen Sohn vertreten. So eine Arbeitsteilung könnte ich mir mit meinem eigenen Sohn auch einmal vorstellen.
Beim selben Händler gab es noch eine Daytona mit schoko-braunem Tiffany Dial zu bestaunen. Nebenan lag eine goldene Lemmon Dial Paul Newman Modell 6241 mit Full Set und Rechnung von Bucherer. Auch mit Zubehör war eine Jumbo Nautilus 3700/1 mit den gekreuzten Khanjars des Sultans Qabus von Oman auf dem Zifferblatt zu haben.

Rolex 6062
Besonders faszinierend fand ich eine automatische Rolex Modell 6062 mit Fensterdatum und Mondphase. Es heißt, nur ca. 350 solcher Uhren wurden hergestellt. Die meisten, bisher aufgetauchten Exemplare haben sogenannte Star Dials mit sternförmigen Stundenzeichen. Die Uhr in Paris hatte dagegen ein ultra-seltenes Egyptian Dial mit aufgelegten Pyramiden Indexen. Wie bei der Submariner komplett original, ohne jede Spur kosmetischer Eingriffe mit perfekt erhaltener Radium Leuchtmasse auf Blatt und Zeigern.
Eine Augenweide war die Patina, die dem ehemals weißen Blatt einen, seitlich auslaufenden Key-Lime-Pie Ton verlieh. Das empfindliche goldene Gehäuse war symmetrisch, hatte klare Konturen, tiefe Stempel und war frei von Dellen. Verhandlungsbasis: € 975.000.
Ich dachte, ich müsste die Uhr kennen und tatsächlich hatte ich sie schon einmal in den Händen gehalten. Sie stammte aus der Rolex Sammlung von Guido Mondani, deren Versteigerung ich vor fast 20 Jahren im Mandarin Oriental in Genf beiwohnte. Damals erzielte sie einen Preis von 164.000 Schweizer Franken: You do the math!

Wie bei den Autos gab es neben den beschriebenen Uhren praktisch alles zu kaufen, was sich anspruchsvolle Fans wünschen können und analog zur Oldtimer Kollektion fehlte nur das ultimative Sammlerstück.
Ein Grund für mich nach Paris zu fahren war eine weitere Ankündigung der Monaco Legend Group (wir hatten bereits über verschiedenen Auktionen auf Uhrenkosmos berichtet). Sie bietet zurzeit eine berühmte Patek Philippe im Private Sale an. Es handelt sich dabei um einen von 4 produzierten Patek Philippe Chronographen mit ewigem Kalender Referenz 1518 im Stahlgehäuse. Die restlichen 277 Uhren dieses Typs wurden damals im Goldgehäuse geliefert. Eine logische Wahl, wenn man bedenkt, dass diese Uhr seinerzeit den Stand der Technik um Jahrzehnte korrigierte und dass ihr Besitz nur schwerreichen oder sehr mächtigen Menschen vorbehalten war.
Die Ausführung in Stahl wird so zum heiligen Grahl der Sammlerwelt. Leider wurde die Uhr in Paris zwar beworben, um sie zu begutachten, muss man allerdings die Reise nach Monaco antreten – mit Terminbuchung. Für die fehlende Präsenz auf der Pariser Börse wurden verständliche Versicherungsgründe ins Feld geführt.
Als die Uhr 2016 zum letzten Mal versteigert wurde, erzielte sie mit 11 Millionen Schweizer Franken den damals zweithöchsten, jemals für eine Uhr gezahlten Preis. Im gegenwärtigen Private Sale werden Gebote ab 20 Millionen Euro eingeladen und dem Vernehmen nach ist das Interesse groß. Damit dürfte sie demnächst die teuerste Uhr aller (bisherigen) Zeiten werden. Neu dabei ist der Ausschluss der Öffentlichkeit.

Nach weiteren anderthalb Stunden war ich dann auch mit den Uhren am Ende meiner Aufnahmefähigkeit und belohnte mich auf dem Weg nach draußen mit dem Erwerb zweier Kunstdrucke von Porsches im Martini Racing Design aus den 1970er Jahren, ohne Vision, wo ich sie jemals aufhängen könnte. Immerhin handsigniert.

Rückreise
Es blieb noch genug Zeit, am Place Concorde auszusteigen, um bei Camille Fournet nach Lederarmbändern zu schauen und danach zu den Champs Elysees zu schlendern. Dort kaufte zur Sicherung des häuslichen Friedens eine Schachtel Macarons bei Pierre Hermé und machte mich auf den Heimweg. Pünktlich um 19:06 Uhr verließ der Zug Paris Est und trotz Teamwechsel blieb die Gastronomie an Bord funktional, so dass auch das Pils zur Feier eines schönen Nachmittags in Paris nicht ausfallen musste.

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