Drei Tage
Von Panerai stammte die erste Pressemitteilung des Jahres 2025. Sie betraf die neue Panerai Luminor Tre Giorni. Auf den ersten Blick handelt es sich bei der Referenz PAM01628 um Altbekanntes: Eine kissenförmige Schale mit dem charakteristischen Kronenbügel und den aus der langen italienischen Marine-Tradition überlieferten 47 Millimetern Durchmesser. Die Beschäftigung mit diesem Newcomer und dem zugehörigen Pressetext, der auf die frühen Jahre von Panerai verweist, veranlasste auch mich zu einem persönlichen Rückblick.
Retrospektive
Zur Beantwortung der Frage, wann ich die letzte Panerai Armbanduhr erworben habe, musste ich ins Archiv tauchen. Dort stieß ich auf den 31.Dezember 2012. An diesem Tag hatte ich mir in einer Panerai Boutique die Radiomir-Referenz PAM00448 mit so genanntem California-Zifferblatt abgeholt, und dafür 6.600 Euro bezahlt. Diese auf 750 Exemplare limitierte Ausführung mit gebläuten Stahlzeigern gab es damals bekanntlich nur in den eigenen Verkaufspunkten.
Nach dem Verlassen des Geschäfts verglich ich das Kauferlebnis samt Beratungskompetenz mit dem vom lange angestammten Juwelier Gebotenen. Nachdem die Bilanz eher ernüchternd ausfiel, die mich fortan interessierenden Panerai Uhren nur in Boutiquen erhältlich waren und in dritter Näherung ohnehin immer gleich ausschauten, unterblieben danach weitere Käufe. Die Entscheidung zu meiner ersten Neuzeit-Panerai nach Übernahme der Marke durch den Richemont-Konzern war übrigens ganz spontan während des Genfer Uhrensalons SIHH 1998 gefallen.
Dabei handelte es sich um die in einer Auflage von 1.000 Stück gefertigte Luminor Marina, Pre-A, Ref. OP6502 oder PAM0001 in Edelstahl mit dem Handaufzugskaliber Eta 6497 und Tritium-Leuchtmasse, welche mir mein Juwelier irgendwann 1999 gegen Bezahlung von 4.800 Mark aushändigte. Heute Undenkbares war bei Panerai in den Jahren zwischen 1999 und 2012 völlig normal: Selbst die ungemein gehypten „Bronzo“-Versionen gab es bei Mehrmarken-Konzessionären.
Jumbo- und Leuchtkraft-Pioniere
Diese Zeiten sind lange vorbei. In diesem Sinne ist auch die eingangs erwähnte Luminor Tre Giorni. Ihre 47 Millimeter Durchmesser entsprechen dem der überlieferten Luminor-Modelle. In den späten 1990-er Jahren gehörten diese zu den Trend-Pionieren der Armbanduhren mit großem Durchmesser. Weil opulente Dimensionen an männlichen Handgelenken ihren Höhepunkt inzwischen überschritten haben, setzt selbst Panerai verstärkt auf geringere Volumina.
In Gestalt der Referenz PAM01628 findet jedoch einmal mehr das ursprüngliche Gardemaß an den Unterarm. Die Besonderheit des bis zu zehn bar wasserdichten Edelstahlgehäuses besteht in der Patinierung und Satinierung seiner Oberfläche. Das führt zum intendierten Vintage-Look.
Diesem trägt auch das graue Zifferblatt Rechnung. In den 1930-er Jahren trug dessen Entwicklung und Konstruktion maßgeblich zur bedeutenden Rolle des einstmals florentinischen Familienunternehmens als Lieferant der italienischen Kriegsmarine bei. Im Laufe der Jahre entstanden mehrere Generationen in Sandwich-Bauweise, welche die an die Stelle konventionelle Bauweise mit nur einer bedruckten Scheibe traten.
Zum Einsatz gelangte auch der in dieser Epoche neu am Markt eingeführte Werkstoff Plexiglas. Die obere der beiden verfügte über ausgestanzte Ziffern und Indexe. Wichtiges Element der Zifferblätter war die mit Radium angemischte Radiomir-Paste. Die schiere Menge an hoch radioaktivem Material auch in den Zeigern bewirkte eine nie dagewesene Leuchtkraft. Das und die Größe der aus Rolex-Komponenten assemblierten Armbanduhr machte sicheres Ablesen der Zeit bei Kampfeinsätzen zum Kinderspiel.
Weil ein Zuviel des Guten die Gefahr mit sich brachte, vom Feind entdeckt zu werden, mussten Kommandos das vordere Glas gelegentlich sogar mit Schlamm oder Seetang abdunkeln. Auf besagtes Radiomir folgte bei Panerai das ebenfalls patentierte Leuchtmittel Luminor auf Basis des radioaktiven Tritiums. Solche Zifferblätter erkennt man teilweise an den kleinen Buchstaben T. Ende der 1990-er Jahre hielt gezwungenermaßen das nicht strahlende Super-LumiNova Einzug.
Ansichtssache
Zurück zur Luminor Tre Giorni. Aus dem Italienischen übersetzt meint Tre Giornis nichts anderes als drei Tage. So lange währt die Gangautonomie des 2011 lancierten, aus 161 Komponenten assemblierten und in dieser Armbanduhr verbauten Kalibers P.3000. Seine Entwicklung war unter der Ägide des damaligen technischen Direktors Eric Klein bei der Schwester ValFleurier in Buttes erfolgt. Das mit zwei Federhäusern ausgestattete Handaufzugswerk besitzt einen Durchmesser von 16½ Linien oder 37,2 Millimetern. Die Bauhöhe beträgt 5,3 Millimeter.
Soweit die technischen Daten. Allerdings hat mich der von Panerai zugesandte Pressetexte an manchen Stellen doch einigermaßen überrascht. Denn hier heißt es zum Beispiel:
Design und Konstruktion des Kalibers P.3000 lehnen sich stark an die in den 1960er Jahre verwendeten Uhrwerke in den Archiven von Panerai an. Sie replizieren die funktionalen und ästhetischen Qualitäten dieser alten Kaliber, einschließlich der offenen Brücken, die den Blick auf das Innenleben freigeben.
Nun, offene Brücken kann ich beim modular aufgebauten P.3000 nicht wirklich erkennen. Überdies kann sich Panerai in Bezug auf die seinerzeit verwendeten Werke wohl nur nur auf das von Rolex auf Basis eines Cortébert-Rohwerks produzierte Kaliber 618 oder auf das Kaliber 240 der in Le Locle angesiedelten Uhrenmanufaktur Angelus beziehen. Was das Fragezeichen unterstreicht.
Die Entwicklung des Angelus-Kalibers erfolgte zur Verwendung beispielsweise in Tisch- oder Etuiuhren. Wegen der hohen Gangautonomie nutzte es Panerai in Armbanduhren. Erst nach einer Woche mussten die Nutzer zur Krone greifen, um den Federspeicher mit frischer Energie zu befüllen. Und dieser Sachverhalt minderte die Gefahr von Wasserschäden durch mangelhaftes Verschließen der Schale nach dem Aufziehen. Acht-Tage-Kaliber würde es im Werke-Portfolio von Panerai übrigens auch geben: Hierzu müsste man nur auf das bereits 2005 vorgestellte Kaliber P.2002 zurückgreifen.
Wenn die Begriffe sich verwirren
Wahrscheinlich wäre es auch hilfreich, wenn man die Aussage im Pressetext für die PAM 01628 in eine korrektere Formulierung überführen würde.
Das Kaliber P.3000 besitzt eine große 11,7-mm-Unruh, die mit 21.600 Schwingungen pro Stunde schwingt, was die Präzision und Stabilität erhöht, und wird für eine längere Lebensdauer von einer Brücke mit zwei Auflagepunkten gehalten.
Andernfalls könnte man leicht den Eindruck gewinnen, dass beim Bau des Kalibers physikalische Gesetzmäßigkeiten außer Kraft gesetzt worden sind: Denn Unruhfrequenzen werden stets in Halbschwingungen von einem extremen Auslenkungspunkt der oszillierenden Unruh zum nächsten gemessen. Beim Kaliber P.3000 beträgt die mittlere Amplitude rund 250, die maximale Amplitude 303 Bogengrade. Eine Vollschwingung schließt den Rückweg ein, dauert also doppelt so lange.
Beim Kaliber P.3000 vollzieht die Unruh stündlich 21.600 Halbschwingungen. Und das entspricht drei Hertz. 21.600 Schwingungen pro Stunde würden dagegen einer Frequenz von 1,5 Hertz entsprechen. Nun kommt es nicht selten vor, dass Halbschwinungen mit Schwingungen gleichgesetzt werden. Aber in einem auf Korrektheit angelegten Pressetext würde eine präzise Formulierung ganz allgemein Leserinnen und Leser helfen, die technische Leistung oder etwaige technische Besonderheiten besser zu erkennen. Warum dies im aktuellen Fall von Wichtigkeit ist, erklärt sich aus folgenden Details.
Trotz der für Verhältnisse relativ niedrigen Unruhfrequenz von drei Hertz bewirken 11,7 Millimeter Unruhdurchmesser und eine Trägheit von 30 mg*cm² einen bemerkenswerten Qualitätsfaktor der Unruh. Dieser gestattet Rückschlüsse auf die Güte des Schwingsystems.
Die Messung erfolgt mit Hilfe eines Laserstrahls. Nach dem Entfernen des Ankers lenken Uhrmacher die Unruh auf 330 Bogengrade aus. Dann zählt die Elektronik, wie viele Schwingungen Unruh und Spirale ohne weiteren Energienachschub noch vollziehen. In horizontaler Lage sind es beim bekannten Standardkaliber Eta 2892-A2 mit vier Hertz Unruhfrequenz etwa 300. Das P.3000 bringt es dagegen auf einen Wert von 370.
Positiv auf die Präzision wirken sich auch die variable Trägheit des Gangreglers und das daraus resultierende Fehlen eines Rückermechanismus aus. Mangels Sekundenzeigers könnte das Kaliber P.3000 in der Schweiz nicht zur offiziellen Chronometerprüfung eingereicht werden. Natürlich lässt sich das verbaute Uhrwerk durch einen Saphirglas-Sichtboden begutachten.
Die Befestigung der Panerai Luminor Tre Giorni erfolgt mit Hilfe eines Kalbsleder-Armbands. Obwohl dieser Zeitmesser schon seit Dezember 2024 ausschließlich in Panerai-Boutiquen erhältlich ist, nennt Panerai keinen unverbindlichen Preis. Soweit in Erfahrung zu bringen war, liegt er bei rund 11.000 Euro.
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