LVMH und die Zahlen 2024
Ein strahlend blauer Himmel sieht auch beim französischen Luxuskonzern und seiner LVMH Chefetage anders aus. In den ersten neun Monaten des Jahres setzte der Luxusmulti laut Geschäftsbericht 60,8 Milliarden Euro und damit zwei Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum um. Das bemerkenswerte Wachstum in den Jahren nach der Coronakrise ist damit erst einmal vorbei. Auf der Basis konstanter Währungen verzeichneten Europa und die USA ein leichtes Wachstum.
Japan erzielte über neun Monate betrachtet weiterhin zweistellige Umsatzzuwächse. Der leichte Umsatzrückgang im dritten Quartal hingegen resultierte vor allem aus einem rückläufigen Wachstum in Japan, welches im Wesentlichen auf den stärkeren Yen zurückzuführen war. Das verheißt nichts Gutes, denn der japanische Markt hatte dank der reisefreudigen und kaufwilligen chinesischen Touristen die rückläufigen Geschäfte im Reich der Mitte und in Hongkong zumindest teilweise kompensieren können.
Neben Weinen und Spirituosen entwickelte sich der Geschäftsbereich Uhren und Schmuck in den ersten neuen Monaten 2024 für LVMH eher unerfreulich. Währungsbereinigt verzeichnen die Bilanzen einen um 3 % geschrumpftem Umsatz. Vergleicht man die drei einzelnen Quartale, folgten auf das erste Quartal mit minus zwei Prozent zwei Quartale mit jeweils vier Prozent Umsatzrückgang.
Nachdem LVMH Schmuck und Uhren nicht gesondert ausweist, lässt sich nach dem Lesen der Quartalsberichte die Folgerung ziehen, dass der Sektor Schmuck analog zu Richemont deutlich besser performt als die drei spezialisierten Uhrenmarken.
LVMH Chefetagen
In den Schweizer Top 10 sind die LVMH Chefs weder mit Hublot noch TAG Heuer oder Zenith vertreten. Mit einem Jahresumsatz von geschätzten 670 Millionen Schweizerfranken und 52.000 Uhren rangierte Hublot 2023 auf Platz 12. Den hatte die Marke auch schon 2022 eingenommen, als der Verkauf von gut 54.000 Uhren noch 744 Millionen Umsatz eintrug.
TAG Heuer war in 2023, dem Spitzenjahr der Schweizer Uhrenindustrie, sogar von Platz 13 auf Rang 15 abgerutscht. Der Verkauf von nur noch 390.000 Uhren brachte Erlöse in Höhe von 615 Millionen Schweizerfranken ein. Im Vorjahr hatte das LVMH-Mitglied noch 410.000 Uhren produziert, die 729 Millionen Schweizerfranken Umsatz in die Kassen brachten.
Die Zenith-Manufaktur in Le Locle verließen 2023 etwa 12.000 Uhren mit einem Wert von 138 Millionen Schweizerfranken. Alles in allem steuerte der spezialisierte Uhrenbereich mit seinen drei Marken also nur marginal zu den 86,15 Milliarden Umsatz des LVMH-Konzerns im Rekordjahr 2023 bei. Rückläufige Zahlen im Vorjahr sowie weiter nachgebende Uhren-Erlöse im ersten Halbjahr 2024, bei Hublot munkelt man ein Minus in der Größenordnung von 30 bis sogar 40 Prozent, können Anlass für eine tiefgreifende Umbesetzung im Uhrenbereich gewesen sein.
Mehr zu den Gewinnern und Verlierern im Uhrenjahr 2023 findet sich hier im Uhrenkosmos
Frédéric Arnault, einer der Söhne von Bernard Arnault, der 2017 zu TAG Heuer kam und dort 2020 zum CEO ernannt wurde, steuert künftig als CEO von LVMH Watches in übergeordneter Position die Entwicklung der drei Marken Hublot, TAG Heuer und Zenith in einem ausgeprägten Konkurrenzfeld. Bei TAG Heuer hatte Frédéric Arnault die Kooperation mit der deutschen Sportwagenmarke Porsche initiiert und durch spezielle Carrera-Modelle unterstrichen. Auch an der Rückkehr von TAG Heuer in die Formel 1 im Zuge des kostspieligen LVMH-Engagements war der Junior mit Sicherheit beteiligt. Mehr dazu lässt sich hier nachlesen.
Hublot
Im Hause Hublot gab Ricardo Guadalupe nach zwei Jahrzehnten, davon acht unter der Ägide seines Mentors Jean-Claude Biver, seine Demission bekannt. Am 1. Januar 2012 hatte er die Aufgabe des Hublot-CEO übernommen. Künftig wird er als Ehrenpräsident von Hublot in nicht operativer Funktion agieren. Das Ruder nimmt Julian Tornare in die Hand, der auf eine 26-jährige Karriere in der Uhrenindustrie zurückblicken kann.
Jean-Claude Biver hatte Tornare 2017 von Vacheron Constantin, wo er zuletzt die in Aktivitäten im asiatisch-pazifischen Raum geleitet hatte, als CEO zu Zenith geholt. Anfang 2023 ernannte ihn LVMH bei TAG Heuer zum Nachfolger von Frédéric Arnault. Dort war seine Mission nur von kurzer Dauer, denn man brauchte den Uhr-erfahrenen Manager mit guten Drähten nach Asien als Kapitän bei Hublot, wo es angesichts schrumpfender Marktanteile ganz offensichtlich Wichtigeres als bei TAG Heuer zu tun gibt. Auf jeden Fall ist die Rolle bei der gegenwärtig noch umsatzstärksten Uhrenmarke des LVMH-Konzerns eine extrem herausfordernde.
TAG Heuer
Um die von Julien Tornare hinterlasse Lücke zu füllen, zieht Antoine Pin aus Neuchâtel hinauf nach La Chaux-de-Fonds. Unten am See hatte er den Uhrenbereich des LVMH-Mitglieds Bulgari geleitet. Nun ist er oben im Jurabogen Chef bei TAG Heuer. Der neue CEO kennt Marke und Manufaktur bestens, denn er hatte seine Karriere noch unter Christian Viros dort im Jahr 1994 begonnen. Sein Curriculum Vitae führte ihn später zu Zenith und eben Bulgari.
Ein Zuckerschlecken wird die Tätigkeit bei TAG Heuer nicht. Die Marke steht in harter Konkurrenz zu Breitling, Longines und Tudor und Fachhändler klagen über die deutlich gestiegenen Preise, welche den Verkauf erschweren.
Womöglich muss sich Antoine Pin auch nach einem neuen Kooperationspartner umsehen, denn ist gegenwärtig keineswegs sicher, ob Porsche nach Auslaufen des Vertrags bei der Stange bleiben wird. Aber vielleicht helfen die Millionen der Familie Arnault, den ebenfalls mit Absatzproblemen kämpfenden Autobauer, bei Laune zu halten. (Mehr dazu gibt es hier zu lesen)
Zenith
Die kleinste Uhrenmanufaktur unter dem Dach von LVMH steuert Benoit de Clerck in ihre Zukunft. Der vorherige Chief Commercial Officer von Panerai bringt ein Vierteljahrhundert Erfahrung in der Uhrenindustrie mit. Gesammelt hat er sie ausnahmslos bei Richemont. Bei Zenith kann der Manager an die erfolgreichen Vorarbeiten seitens Julien Tornare knüpfen.
Die Linie Defy kommt dem Vernehmen nach gut an. Und das altbewährte Thema El Primero bietet, sofern mit Kreativität angepackt, viel Potenzial für spannende Weiterentwicklungen. Hierfür scheint Benoit de Clerck der richtige Mann zu sein.
Und nochmals LVMH
Stéphane Bianchi war 2018 vorübergehend als CEO zu TAG Heuer gekommen Bereits zwei Jahre später kletterte er auf der Karriereleiter hoch zum Verantwortlichen für die gesamte Abteilung Uhren und Schmuck. Als Gruppen-Geschäftsführer und Vorsitzender des Executive Committee von LVMH beerbte er nun den legendären Toni Belloni. Der hatte zur Überwachung des strategischen und operativen Managements im weltweit größten Luxuskonglomerat eng mit Bernard Arnault zusammengearbeitet.
Genau das wird fortan auch Stéphane Bianchi tun, und daneben die digitale Transformation im Konzern steuern. Solche Aufgaben liegen dem Manager, der schon mit 33 Jahren seinen ersten CEO-Posten bekleidete.
In die Fußstapfen von Antoine Pin ist Jonathan Brinbaum gestiegen. Der gebürtige Franzose studierte in Paris an der ESCP Business School und an der BI Norvegian School of Management. Seine Karriere startete der Vater zweier Kinder bei Procter & Gamble. 2015 verließ er P&G. Weiter gings als Global Marketing Director für den Geschäftsbereich Düfte bei LVMH und BVLGARI. 2020 erfolgte die Beförderung zum Geschäftsführer für Uhren, Schmuck und Accessories Travel Retail Europe, zum 2022 zum Global Managing Director der der Geschäftseinheit Düfte und zum Mitglied des Executive Committee der Bulgari Gruppe. Seit 1. September ist der 41-Jährige Geschäftsführer von Bulgari Uhren.
Weitere Uhrenmarken
Eher still und leise ging im April 2024 ein Leitungswechsel bei Greubel Forsey über die Bühne. Aus welchen Gründen auch immer gab Antonio Calce, der seit dem Ausstieg von Richemont ein kleines Aktienpaket an der Luxusmanufaktur hält, seine Funktion als CEO auf. Künftig begnügt er sich neben Robert Greubel und Stephen Forsey mit der Rolle eines Vizepräsidenten. Das Sagen hat nun Michel Nydegger aus der Familie von Robert Greubel. Der frühere Leiter Marketing und Kommunikation ist seit acht Jahren bei Greubel Forsey. Er muss die hochpreisige und in Asien sehr populäre Marke durch keineswegs leichte Fahrwasser steuern.
Einige Turbulenzen hat HYT Watches hinter sich. Dort heißt der CEO seit 1. Juli 2024 Vahé Vartzbed. Die Qualifikation für diesen Job resultiert unter anderem aus Tätigkeiten für Roger Dubuis, Girard-Perregaux und Greubel Forsey.
Einen CEO hat sich schließlich auch Jean-Claude Biver für seine Firma Biver Watches gesucht. James Marks kommt vom Auktionshaus Phillips, und er wird dort auch weiterhin tätig sein. An der Seite des legendären Uhr-Veteranen soll er der gut ein Jahr jungen Marke, welches ihr Augenmerk auf komplizierte und hochpreisige Mechanik lenkt, stimulierende Impulse verleihen.
Bei Nomos ist Judith Borowski, eine der Gesellschafterinnen neben Roland Schwertner und Uwe Ahrendt, Anfang Dezember aus freien Stücken von der Position einer Geschäftsführerin zurückgetreten. Als kreativer Kopf zeichnete sie in der Berliner Dependance für das Design und den Markenauftritt der nach Stückzahlen größten deutschen Uhrenmanufaktur verantwortlich. Im Oktober 2024 hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dem Trio auch für seine Leistungen und die unerschrockene politische Haltung das Bundesverdienstkreuz überreicht.
„Nach über 20 Jahren an der Spitze unserer Uhrenmanufaktur beende ich diesen Monat meine Tätigkeit in der Nomos-Geschäftsführung. Aus völlig freien Stücken. Einfach, weil die Zeit für Tapetenwechsel reif ist, weil es doch mehr im Leben gibt als Uhren – und seien diese auch noch so schön.“ Ein kompletter Abschied ist der Rückzug aus der Geschäftsführung freilich nicht. Als Mitgesellschafterin bleibt Judith Borowski dem Hause Nomos weiterhin eng verbunden.
Swatch Group
Trotz bemerkenswert schlechter Halbjahreszahlen ist es bei der Swatch Group in Personaldingen erstaunlich still. Die nach Stückzahlen mit weitem Abstand größte Schweizer Uhrengruppe vermeldete fürs erste Halbjahr 2024 einen um 14 Prozent rückläufigen Gesamtumsatz. In China, wo Longines, Omega und Rado eine immens wichtige Rolle spielen, brachen die Verkäufe um 30 Prozent ein. Und der Betriebsgewinn sank um fast schon atemberaubende 70 Prozent.
Dementsprechend gab der Aktienkurs noch weiter nach. Es gibt sehr viel zu tun in dem von den Mitgliedern der Familie Hayek geleiteten Konzern. Offensichtlich vertraut CEO Nick Hayek auf die Fähigkeiten seiner Manager, welche das Markenportfolio von Blancpain bis Rado leiten. An Geld, auch eine länger anhaltende Krise zu überdauern, mangelt es jedenfalls nicht. Und es kommen sicher wieder bessere Zeiten.
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