Der Designer Gerald Genta

Gérald Genta und Royal Oak, Nautilus, und Octo Finissimo ihre Gestalt

Sicher kennen nicht allzuviele Menschen den Namen des Uhrendesigners Gerald Genta und Royal Oak. Aber alle Menschen mit einer Liebe zu Uhren kennen sein Design. Er gab der Royal Oak von Audemars Piguet, der Nautilus von Patek Philippe und in Teilen der Octo Finissimo von Bulgari ihr Gesicht.

von | 03.05.2019

Ein Lebenswerk, das überdauert

Gérald Genta und Royal Oak. Eine Uhr, die für viele Menschen ein Lebentraum wäre und für deren besondere Gestaltung und Umsetzung der Designer kämpfen musste. Aber besessen wie Gerald Genta war, es gelang ihm den kühnen Entwurf der ersten Royal Oak Wirklichkeit werden zu lassen. Besessen wie der Designer war, blieb es jedoch nicht bei diesem einen Entwurf. Vielmehr verknüpfen sich mit dem Namen des Uhren-Designers berühmte Uhrenklassiker abseits der „Royal Oak“ von Audemars Piguet. Am bekanntesten dabei ist die dei Gestaltung der Patek Philippe Nautilussowie sein prägender Einfluss auf die Gestaltung der Bulgari Octo, des italienischen Nobelunternehmens aus Rom.

Für Omega entwarf das am 1. Mai 1931 in Genf geborene und am 17. August 2011 verstorbene Design-Genie unter anderem die tonneau-förmige Omega Constellation, Referenz 168.009 oder für IWC die sportive „Ingenieur SL“. Für Rolex war Genta in seinen Anfangsjahren übrigens auch einmal tätig. Seine Schöpfung fand Eingang in die klassische „Cellini“-Linie.

Fast ein jeder dieser Entwürfe würde reichen, um in den Olymp der Gestalter zeitlos schöner Uhren zu kommen. Gérald Genta hat davon ein halbes Dutzend geschafft. Wer war der Mensch, der das Uhrendesign so nachhaltig prägte?

Die drei berühmtesten Entwürfe

Die drei wohl erfolgreichsten Entwürfe von Gérald Genta waren sicher die Royal Oak von Audemars Piguet, die Nautilus von Patek Philippe und die Octo Finissimo von Bulgari. Diese drei Entwürfe sind große Erfolge – hinter denen sich jeweils eine eigene Geschichte verbirgt. Wir stellen vor. 

Die ersten Schritte

Den Anfang nahm die Karriere von Gérald Genta im Alter von 15 Jahren mit der Ausbildung bei einem Genfer Juwelier. Nach deren Abschluss im Jahre 1950 entwarf er zunächst Anzeigen. Anschließend folgte ein kurzer Ausflug in die Haute Couture, wo man ihn in die Kunst des richtigen Zuschneidens einweihte. Mit 23 entdeckte der Schweizer mit italienischen Wurzeln dann seine Vorliebe für Uhren. Einer spontanen Eingebung folgend, brachte er allerlei Kreationen zu Papier. Und die fanden schnell Interessenten.

Zu den ersten Kunden gehörten die Uhrenmarken Benrus und Hamilton. Um mit Uhrendesigns überleben zu können, brauchte es zur damaligen Zeit allerdings viel Fleiß, wie Genta im Rahmen eines Gesprächs bekannte. Für einen Entwurf bekam er nämlich gerade einmal 15 Schweizerfranken. Aber bekanntlich macht Kleinvieh auch Mist. Und an Aufträgen mangelte es nicht. So brachte die ihm eigene Beharrlichkeit und sein Fleiß Genta nach und nach ganz nach oben in die Top-Liga der Uhrengestalter. Der Leitgedanke von Gérald Genta bestand darin, stets neue Formen unter Berücksichtigung einer klaren Linienführung zu kreieren, wobei sein Name zunächst eher Insidern ein Begriff war.

Dazu der Gérald Genta selbst: „Ich habe damals für renommierte Häuser einen neuen Stil eingeführt, den man als lignes douces (sanfte Linien) bezeichnete. Es war in dieser Zeit ein wichtiges Anliegen, Uhren zu kreieren, die an das Handgelenk angepasst und gleichzeitig angenehm zu tragen waren. Meine Entwürfe weisen stets sehr fließende, ästhetische Linien auf und sind für die menschliche Anatomie maßgeschneidert. Ich habe es immer als lächerlich empfunden, Uhren mit großen geschliffenen Flächen herzustellen, die eckige, rechteckige und auch ansonsten sehr harte Elemente aufweisen.

Gérald Genta dagegen steht für einen romanisch-lateinischen Stil. Das ist sehr leicht nachzuvollziehen, weil mein typisches Achteck kein Oktogon mit geraden Linien ist, sondern eines mit anatomischen Linien.“

Die Uhr muss auf die jeweilige Persönlichkeit zugeschnitten sein.

Gérald Genta

Uhrendesigner

Der Aufstieg

Als die Genfer Manufaktur „Universal“ 1968 in New York für eine Genta-Kreation den „Diamond International Award“ erhielt, den Designer jedoch mit keinem Wort erwähnte, reichte es Gérald Genta. Der Entschluss, dem anonymen Schaffen und wiederholten Frustrationen nach Auslaufen bestehender Verträge ein Ende zu bereiten, führte zu einem Umdenken in der eigenen Arbeit und im Jahr 1969 sogar zur eigenen Uhrenmarke Gérald Genta.

1972 konnte Genta in Genf und Le Brassus dazu zwei relativ unbekannte Uhrenfirmen erwerben. Eine seiner ersten Eigentümer-Handlungen bestand darin, die Fassaden der Gebäude im Sinne einer Corporate Identity altrosa streichen zu lassen. Dann stellte er Personal ein: Uhrmacher, Steinsetzer, Graveure, Juweliere. Das Abenteuer der beruflichen Selbständigkeit konnte beginnen. Das größte Problem bestand nun darin, den eigenen Namen in der überschaubar kleinen, verwinkelten Welt der Luxusuhren bekannt zu machen. Brancheninsider wussten zwar, wer Genta war, was Genta konnte, aber die angepeilten Kunden mussten erst noch gefunden werden.

Erste Aufträge kamen von Fred, Paris, und Van Cleef & Arpels, New York. Die Besonderheit der Fred-Uhr bestand in einem handgravierten Zifferblatt, dessen parallel verlaufende Linienführung besondere Lichteffekte erzeugte. Der Marktsituation gehorchend arbeitete Genta in jenen Anfangsjahren wie viele seiner Mitbewerber zweigleisig: Als Privat-Label-Fabrikant produzierte er Uhren im Lohnauftrag für fremde Auftraggeber, deren Name folglich auch auf den Zifferblättern zu lesen war. Als Uhrengestalter entwickelte Genta verschiedene Kreationen für bedeutende Uhrenmarken.

Individuelle Kreativität

Reichen Zeitgenossen erfüllte er selbst ausgefallenste Wünsche. Diese individuellen Uhrenentwürfe führte er nach den Vorstellungen der Kunden aus. Oder, wenn man dem Designer freie Hand ließ, führte er die Arbeite nach eigenen Ideen so aus, dass er die Charakteristika des Besitzers im Entwurf der Uhr künstlerisch zum Ausdruck kam. Diese Uhren waren dann echte Spezialitäten.
Dazu Gérald Genta: „Die Uhr muss auf die jeweilige Persönlichkeit zugeschnitten sein. Jeder Mensch hat das Recht dazu, etwas ganz Persönliches für sich zu besitzen. Es ist daher interessant, die Produkte nach dem individuellen Geschmack eines jeden Kunden zu kreieren, die dem entsprechen, was zu dem jeweiligen Individuum gehört.“ In diesem Sinne produzierte Genta viele besondere und schmückende Zeitmesser, die die konventionelle Uhrenindustrie sich kaum zu fertigen traute. Hinzu kam, dass Genta als gelernter Juwelier bezüglich Uhren mitunter ganz eigene Vorstellungen besaß.

Gerald Genta und Royal Oak

In den ersten Jahren als eigenständiger Uhrenhersteller baute Genta zum Beispiel die Gerald Genta Dracula Uhr, bei der die Rubine auf dem Zifferblatt Blutstropfen symbolisieren, oder die „Skorpion-Uhr“ mit in Perlen eingebettetem Sternzeichen und Scheren als Zeiger. Oder er positionierte anstelle des üblichen Glases einen großen, damals sicherlich etwas provokant wirkenden Edelstein über dem Zifferblatt. So entfachte Genta ein wahres Feuerwerk an Farben.

Ob Mickey-Maus oder ein Pink-Panther-Zifferblatt – es gab für den Newcomer kein Tabu auf dem Sektor der Luxus-Uhren. Und der internationale Erfolg dieser wahrhaft aus dem Rahmen des Üblichen fallenden Kreationen gab dem Schweizer, der viel Zeit in Monaco verbrachte, durchaus Recht.
Genta Uhren und Royal Oak Uhren waren im Mittleren und Fernen Osten ebenso begehrt wie in der Neuen Welt oder in Good Old Europe. Attraktives, die Konventionen sprengendes Design kennt, wenn es denn eine adäquate uhrmacherische Realisation findet, keine Grenzen.

Oftmals waren es kaum wahrnehmbare Details, mit denen der Designer den Wunschvorstellungen seiner Klientel entgegenkam. Beispielsweise stattete er eine komplizierte Repetitions-Armbanduhr kurzerhand mit roten Ziffern und rot lackierten Goldzeigern aus, weil der schlecht sehende Auftraggeber diese Farbe am besten wahrnehmen konnte.

Gerald Genta

Im ersten Jahrzehnt der Selbständigkeit erlebte Genta den rasanten Aufstieg der Elektronik am Handgelenk hautnah mit. Und er bildete sich eine differenzierte Meinung zu dieser kontroversen Thematik:

„Es gibt grundsätzlich nichts Besseres und Genaueres als die Quarzuhr und nichts Schöneres gibt als einen mechanischen Zeitmesser.“ Deshalb hatten für Genta beide Werkstypen ihre volle Daseinsberechtigung. „Für die Frau stellt die Quarzuhr sicherlich einen gewissen Komfort dar. Generell ist eine Frau nicht in das verliebt, was sich im Inneren einer Uhr verbirgt.

Die Frau sucht nach einer schönen Uhr, einer praktischen Uhr. Sie will sich nicht damit auseinandersetzen müssen, die Uhr aufzuziehen, sie will sie auch nicht täglich tragen. Im Allgemeinen verfügt sie über mehrere Uhren; sie hat Uhren, Schmuckuhren, modische Uhren, sportliche Uhren. Die Quarzuhr bietet in jedem Fall Komfort.
Ein Italiener, oder ein Mann, der Uhren liebt, jeder Sammler misst der Mechanik und auch der technischen Leistung eine herausragende Bedeutung zu, er ist begeistert von der schönen Bewegung innerhalb der Uhr.“
Ob dies Meinung auch noch heute zu gelten hätte, lassen wir mal dahingestellt.

Unabhängig vom Innenleben war Handarbeit im Entstehungsprozess der jährlich zwischen 2.500 und 3.000 Genta-Uhren ein Pfeiler seines Erfolgs. Das manuell geprägte Tun wirkte sich überdies auf die Verkaufspreise aus. Die gehörten im Durchschnitt der gesamten Kollektion betrachtet nämlich zu den höchsten in der eidgenössischen Uhrenindustrie. Seine Gérald Genta Grande Complication schlug gar mit einer Million Dollar zu Buche. Und Genta konnte in guten Jahren acht bis zwölf dieser mechanischen Kostbarkeiten an den Mann bringen. Ein beachtlicher Erfolg.

Ein Star der Branche

Superlative waren und sind ein hervorragendes Verkaufsargument. Daher lang es Gérald Genta absolut fern, ins Uhrenbusiness als Massengeschäft einzusteigen. Seine Devise lautete: klein, aber extrem fein. „Ich möchte so wenige Uhren wie möglich fertigen, aber es sollen die rarsten sein, die es gibt.“
Dazu gehören – rein technisch betrachtet – mit Sicherheit auch die „Retro Classic“ und „Retro Les Fantaisies“ mit Automatikwerk, deren hervorstechendste Merkmale der retrograde (zurückspringende) Minutenzeiger und die große, digitale Stundenindikation waren.

Während bei der „Classic“ ein normaler Zeiger auf die verstrichenen Minuten weist, vollziehen diese Handlung bei den „Fantaisies“ lustig dreinblickende Figuren aus Walt Disneys Comicwelt, also z.B. Minnie, Daisy oder Donald Duck. Und als Krönung konnte nach fünfjähriger Entwicklungsdauer die weltweit erste „Grande Sonnerie“ mit automatischem Aufzug, zweiter Zonenzeit, ewigem Kalendarium, Tourbillon sowie Minutenrepetition gelten. Hinzu gesellte sich eine doppelte Gangreserve-Indikation für die beiden Federhäuser von Geh- und Schlagwerk. Das „mehrstöckige“ Uhrwerk mißt trotz seiner gut 1.000 Einzelteile in der Höhe gerade einmal 8,4 mm.

Mit ausgefallenen Formen, herausragenden Komplikationen und sonstigen Superlativen alleine hat sich der „Zeit-Künstler“ aus Genf oder der „Picasso der Uhrenindustrie“ übrigens nie begnügt. Stets verlangte er von seinen Mitarbeitern und Lieferanten technisch-handwerkliche Spitzenleistungen. Eine Uhr war für Genta immer ein Gesamt-Kunstwerk, bei dem sich das äußere Erscheinungsbild und die inneren Werte auf dem gleichen Niveau begegnen mussten. Ein Ansatz, der wohl seinen Erfolg erklärt.

1994 verkaufte der zu großen Ehren gekommene Uhrendesigner seine Marke an The Hour Glass, Singapur. Dort erfolgte 1998 die Zusammenführung mit Daniel Roth. Seit 1999 gehört Gérald Genta wiederum zur Bulgari SA.
Im Alter von 70, also 2001 lancierte der Designer eine neue Marke mit Namen Gérald Charles. An die gewohnten Erfolge konnte diese allerdings nicht knüpfen

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